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Flucht in Gießen - olympischer Radsport und deutsche Teilung

Flucht in Gießen - olympischer Radsport und deutsche Teilung

Die Landeszentrale für politische Bildung, der Förderverein Lern- und Erinnerungsort Meisenbornweg und das Oberhessische Museum veranstalten gemeinsam einen Vortrag mit Gesprächsrunde zu einer deutsch-deutschen Sport- und Fluchtgeschichte: 1964 war der bekannte DDR-Radsportler Dieter Wiedemann aus der DDR geflohen, indem er das Olympiaausscheidungsrennen in Gießen nutzte, um in der Bundesrepublik zu bleiben. Seiner Geschichte widmet sich ein Vortrag von Sporthistoriker Dr. René Wiese (Zentrum deutsche Sportgeschichte) und ein anschließendes Gespräch zwischen Wiedemann selbst und Burkhard Ebert, der Wiedemann beim Ausscheidungsrennen 1964 in Gießen gegenüberstand und dann für die Bundesrepublik bei den Olympischen Spiele in Tokio 1964 antrat.

Die Veranstaltung möchte anhand der Biografie von Dieter Wiedemann ein Stück deutscher Teilungsgeschichte sichtbar machen und in Erinnerung rufen, wie Spitzensportler in die Fänge der DDR-Staatssicherheit gerieten und in der Systemauseinandersetzung des Kalten Krieges aufgerieben wurden.

Der 22-jährige Radrennfahrer Dieter Wiedemann war eines der großen Sportidole der DDR. Im Mai 1964 hatte er die legendäre Friedensfahrt, ein Amateurradrennen des Ostblocks, auf dem Podium beendet. Wiedemann gehörte nun zu den Großen des Radsports in der DDR, ein Vorzeigegesicht des Sozialismus, der die Überlegenheit des Systems zu verkörpern hatte. Denn schon im Herbst 1964 standen die Olympischen Spiele in Tokio an, wo er dies gegen die Konkurrenten aus der Bundesrepublik sportlich beweisen sollte. Auf Beschluss des IOC mussten die Deutschen aus Ost und West, trotz politischer Teilung und Mauerbau, ein gemeinsames Olympiateam bilden. In Gießen und Erfurt fanden die olympischen Ausscheidungswettkämpfe statt. Die DDR war im olympischen Amateurradsport der große Favorit. Der sportpolitische Auftrag war klar: möglichst alle fünf Startplätze für Tokio sollten die DDR-Fahrer um Dieter Wiedemann gewinnen. Doch Wiedemann hatte anderes im Sinn. Was niemand ahnte: Der junge Radrennfahrer aus Sachsen hatte sich in ein Mädchen von der anderen Seite der Mauer verliebt. Eine Flucht war für ihn die einzige Chance, um ein Leben mit der Frau zu führen, die er liebt. In Gießen nutzte er die Chance und setzte sich heimlich in den Westen ab. Von der SED-Presse wurde er prompt als Verräter gebrandmarkt, die Stasi machte seinen Fall zur Kommandosache. Sie ließ nichts unversucht, um ihn in die DDR zurückzuführen – mit schwerwiegenden Konsequenzen für seine gesamte Familie.

Datum:
20.07.2023
Uhrzeit:
18:00
Veranstaltungsort:
Oberhessisches Museum Gießen, Brandplatz 2, Altes Schloss, Netanyasaal
Veranstalter:
Oberhessisches Museum
Kooperation:
Landeszentrale für politische Bildung, Förderverein Lern- und Erinnerungsort Meisenbornweg, Oberhessische Museum