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Fragen und Antworten zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine

Am 24. Februar 2022 begann der russische Angriffskrieg in der Ukraine und dauert seither an. Noch kann man keine genauen Angaben zu den Opferzahlen machen. Nach den Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen haben inzwischen über 5 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen und sind in europäische Nachbarstaaten geflüchtet, auch nach Deutschland. Innerhalb der Ukraine befinden sich inzwischen mehr als 7 Millionen Menschen auf der Flucht vor den russischen Angriffen. Die Zahlen steigen täglich.

Es gibt zahlreiche Fragen zum Krieg selbst und zu den historischen Hintergründen. In Zusammenarbeit mit dem Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo) an der Justus-Liebig-Universität Gießen hat die HLZ daher an dieser Stelle Antworten auf Fragen zusammengestellt, die jenseits der Tagesaktualität vor allem politische und geschichtliche Hintergründe betreffen, um Ihnen eine Hilfestellung bei der Meinungsbildung zu ermöglichen. 

Diese Texte ergänzen das aktuelle Angebot der HLZ zum Krieg in der Ukraine. Sie geben jeweils den aktuellen Forschungsstand wieder. 
Die über die angegebenen Links erreichbaren Texte geben jeweils die Auffassungen der Autoren wieder.

Für Rückfragen zu den Texten wenden Sie sich bitte an das zuständige Referat I/3 (referat-I-3@hlz.hessen.de). 

Gez.

Achim Güssgen-Ackva
Ständiger Vertreter des Direktors

Dr. Gleb Kazakov

Bereits in seiner Fernsehansprache an die russische Nation am 24. Februar formulierte der russländische Präsident Wladimir Putin die Hauptziele der „Spezialoperation“ (unter dieser Bezeichnung wird in der offiziellen staatlichen Rhetorik Russlands der Krieg angesprochen) der russischen Streitkräfte in der Ukraine. Zu diesen gehören:

1) Erstellung der Souveränität der von Russland als unabhängige Staaten anerkannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk in deren administrativen Grenzen nach dem Stand von 2014;
2) „Demilitarisierung“ des ukrainischen Staates;
3) „Denazifizierung“ der ukrainischen Politik und Gesellschaft.

Das erste dieser deklarierten Ziele entspricht dem Wunsch der russischen Regierung, die ganze Region Donbass im Osten der Ukraine endgültig dem ukrainischen Staat zu entziehen und unter Kontrolle der pro-russischen Kräfte zu bringen. Die „Demilitarisierung“ – d. h. komplette Zerschlagung der militärischen Infrastruktur und Zerstörung von jeglichen Angriffswaffen – soll dabei sicherstellen, dass die Ukraine zukünftig nicht wagen wird, die verlorenen Gebiete mit Militärgewalt zurück zu holen.

Schwieriger ist zu deuten, was genau unter „Denazifizierung“ zu verstehen ist. Schaut man die Rhetorik von russischen regierungstreuen Medien, Sprechern und russischen Politikern selbst genauer an, wird offensichtlich, dass als „Nazis“ in der Ukraine all diejenigen bezeichnet werden, die sich gegen eine Union mit Russland aussprechen und die ukrainische Sprache, Kultur und Unabhängigkeit befördern und befürworten. Wladimir Putin selbst bezeichnete die ukrainische demokratisch gewählte Regierung mehrmals in seinen Reden als „Nazis und Drogensüchtige“ und wandte sich öffentlich in den ersten Kriegstagen an das ukrainische Militär mit dem Appell, sie sollen die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj verhaften. Der Vormarsch der russischen Armee auf Kiew (Kyiw) im ersten Kriegsmonat und die Anwesenheit des ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowytsch in der russischen Delegation während der ersten Verhandlungen deuten darauf hin, dass von der russischen Seite der Plan bestand, die ukrainische Hauptstadt einzunehmen, die Regierung von Wolodymyr Selenskyj zu verhaften oder gar zu beseitigen und einen eigenen Marionetten-Politiker in der Ukraine an die Macht zu bringen. In diesem Fall sollte die Ukraine zu einem Satelliten-Staat in der Einflusszone Russlands werden (nach dem Muster des Lukaschenka-Regimes in Belarus).

Nach den schweren Verlusten der russischen Armee und dem Rückzug von russischen Truppen aus der Kiewer Region scheint die Regierung von Putin den ursprünglichen Invasionsplan aufgegeben zu haben. Anstatt der Besetzung eines riesigen Territoriums bis zu der Linie Kyiw – Žytomyr – Odessa, konzentrieren die russischen Truppen ihre Hauptkräfte im Osten der Ukraine und versuchen hauptsächlich die Region Donbass und eine Landbrücke von dort zur besetzen Krim für sich zu beanspruchen. Auf den eroberten Territorien werden pro-russische Regime installiert, von denen die Ausrufe der Unabhängigkeit von neuen „Volksrepubliken“ (etwa der Volksrepublik Cherson) in der Zukunft zu erwarten wären.

Dr. Gleb Kazakov, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Andrea Gawrich

Die NATO trifft alle ihre Entscheidungen im politischen Konsens aller Mitgliedstaaten. Trotz des in russischen Medien verbreiteten Narratives, die NATO habe mit der Politik der Osterweiterung seit 1997 ihr Versprechen gegenüber Russland gebrochen, hat es eine solche Entscheidung – eine Abstimmung über die Nichterweiterung gen Osten – in der NATO nicht gegeben. Gleichwohl gab es solche mündlichen Aussagen einzelner Staatenvertreter in den noch sehr unklaren frühen 1990er Jahren. Diese mündlichen Aussagen jedoch als eine Art Versprechen einer ganzen internationalen Organisation zu klassifizieren, zeugt von mangelndem Verständnis über das Funktionieren internationaler Organisationen (oder einem bewussten Ignorieren der notwendigen Mechanismen).

Die NATO sieht sich selbst als ein Verteidigungsbündnis. Aus dieser Logik heraus ist nicht erklärlich, wieso die Osterweiterung (und auch eine eventuelle Aufnahme der Ukraine, die inzwischen jedoch politisch sehr unwahrscheinlich geworden ist) eine Bedrohung für einen benachbarten Staat, Russland, darstellen sollte. Der aktuelle Krieg, in dem die NATO alles versucht, um nicht als Bündnis in den Krieg involviert zu werden, kann als Beleg für diese Argumentation gelten. Überdies hat die NATO durch den NATO-Russland-Rat seit den 1990er Jahren einiges an Anstrengungen unternommen, um die Beziehungen zu Russland zu vertiefen. Auch dies wiederspricht einem Bedrohungsszenario.

Prof. Dr. Andrea Gawrich, Professorin für Integration mit besonderem Bezug auf das Östliche Europa an der Justus-Liebig-Universität Gießen / Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Prof. Dr. Andrea Gawrich

Es ist das erklärte Ziel der NATO, selbst nicht zur Kriegspartei zu werden. Aktuell, Mitte April, zeichnet sich kein Kriegsverlauf ab, bei dem ein direkter Eingriff der NATO wahrscheinlich wäre. Dies wäre dann denkbar, wenn eine erhebliche militärische Eskalation auf NATO-Territorium stattfinden würde. Eventuelle versehentliche militärische Grenzüberschreitungen, wie bspw. militärische Luftraumverletzungen über NATO-Gebiet oder militärische Unfälle, würden nicht zu einem Kriegseintritt der NATO führen.

Eine Schlüsselfrage in der NATO-Strategie bildet jeweils die Positionierung der USA. Der amerikanische Präsident hat durchgehend deutlich gemacht, dass es keinerlei Interesse für die Involvierung amerikanischer Truppen in den Ukraine-Krieg gibt.

Die Frage der Flugverbotszone wurde in den ersten Wochen dieses Krieges umfassender diskutiert und ist inzwischen, Mitte April, nicht mehr Teil der Debatten. Die primäre Einschätzung hierzu war, dass eine Flugverbotszone de facto einem Kriegseintrittsszenario der NATO sehr ähnelt, denn ihre Umsetzung würde im Zweifelsfall den Angriff der NATO auf russische Flugzeuge über ukrainischem Luftraum bedeuten. Kurz war auch eine Art partielle Flugverbotszone in den Debatten, die sich nur auf die Nähe zum NATO-Gebiet im Westen der Ukraine bezogen hätte. Aber auch dieser Vorschlag wurde nicht weiterverfolgt.

Prof. Dr. Andrea Gawrich, Professorin für Integration mit besonderem Bezug auf das Östliche Europa an der Justus-Liebig-Universität Gießen / Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg

Obwohl Historiker zumeist schlechte Futurologen sind, könnte man die weitere Entwicklung des Krieges in fünf möglichen Szenarien darstellen. 

Szenario 1: Eine weitgehende Eroberung der Ukraine durch die russische Armee. Dies würde jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit in einen gewalttätigen langjährigen Untergrundkrieg münden, da die Ukraine über eine starke militärische Tradition des Partisanenkampfes verfügt.

Szenario 2: Ein westukrainischer Rumpfstaat und eine russisch besetzte Zentral- oder Ostukraine bis zu der Linie Žytomyr – Winnyca – Moldau. Dies hätte die Entstehung eines dann sicher stärker national ausgerichteten ukrainischen Reststaats zu Folge, der dennoch wirtschaftlich weitgehend ohnmächtig und politisch kaum handlungsfähig wäre. 

Szenario 3: Erzwungener Frieden mit Gebietsabtretungen (ganze Schwarzmeerküste und Donbass) und Entstehung eines neuen quasi-staatlichen Gebildes wie Neurussland (Noworossija) an der Schwarzmeerküste. Dies hinterließe wahrscheinlich eine dauerhafte Konfliktzone mit Revanchegedanken auf beiden Seiten. Wirtschaftlich würde die Ukraine durch Abschneidung von den Meereshäfen mit erheblichen Problemen rechnen müssen. 

Szenario 4: Erhalt einer weitgehenden ukrainischen Integrität unter Ausklammerung der Krim-Frage und einer international gesicherten Autonomie für Donezk und Luhansk. Das würde die Rückkehr zu den Positionen des Minsker Abkommens von 2015 bedeuten. 

Szenario 5: Zusammenbruch des Putin-Regimes in Russland. Diese Entwicklung scheint allerdings extrem unwahrscheinlich, da jegliche demokratische Opposition in Russland zerschlagen wurde und Putschtraditionen, etwa aus dem Militär, in Russland wenig Tradition haben. Auch steht zu befürchten, dass eine neue post-putinsche Regierung den Krieg in der Ukraine fortsetzen würde, da es in der russischen Gesellschaft weit verbreitete Forderungen nach einer Revision von Grenzen gibt, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 entstanden sind. 


Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Professor für Ostmitteleuropäische Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen / Stellvertretender Geschäftsführender Direktor am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Dr. Gleb Kazakov

Russische Medien – TV- und Radiosender, Zeitungen sowie Internetplattformen und Nachrichtendienste – wurden während der 22-jährigen Regierungszeit von Wladimir Putin nach und nach unter eine sehr strikte staatliche Kontrolle gebracht. Wenn der staatliche Angriff auf unabhängige Medien in den 2000er Jahren zunächst noch hauptsächlich das Fernsehen betroffen hat, so wurden ab 2012 verstärkt auch die wichtigsten unabhängigen Medienkanäle im Internet (Gazeta.ru, Lenta.ru, Yandex) entweder blockiert oder durch den erzwungenen Wechsel von Redaktionsteams „gezähmt“ und der staatlichen Zensur unterstellt. Als Ergebnis dieser Prozesse war es bereits vor dem Kriegsausbruch für russische Bürgerinnen und Bürger schwer, an die vom Staat unabhängigen Informationskanäle überhaupt heranzukommen. 

Am 4. März 2022 hat das russische Parlament im Eilverfahren zwei neue Gesetze über die Strafmaßnahmen für „die Verbreitung der Desinformation über die Handlungen der Streitkräfte der Russländischen Föderation“ verabschiedet. Eine öffentliche Verbreitung jeglicher Information über den Krieg, die von offiziellen Meldungen des russischen Militärs abweicht, kann laut den Gesetzen mit einer Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bestraft werden. Eine unabhängige Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine wurde damit unmöglich und die letzten wenigen oppositionellen Medien – Radiosender „Echo Moskvy“, TV-Kanal Doschd, Zeitung „Novaja Gazeta“ – mussten ihren Betrieb einstellen. Auch Privatpersonen, die sich über die russische Politik und die Armee im Internet kritisch äußern oder einfach auf der Straße ein Plakat mit der Aufschrift „Nein zum Krieg“ (Net vojne) tragen, werden angezeigt, verfolgt und müssen mit Geld- und Haftstrafen rechnen. 

Das Bild, das die russischen pro-staatlichen Medien vermitteln, ist deswegen sehr einseitig. Der offiziellen Darstellung zufolge führt Russland in der Ukraine keinen Krieg, sondern eine „Spezialoperation“. Diese sei ein präventiver Schlag gewesen, um den geplanten ukrainischen Angriff auf Russland zu verhindern. Die russischen Soldaten kämpfen mit den „Nazi-Bataillons“ und nicht mit dem ukrainischen Volk und wollen den Frieden in der Ukraine wiederherstellen und das Land von Nationalisten und dem NATO-Einfluss befreien. Aktiv werden Verschwörungstheorien propagiert, wie z.B. die Behauptung, die Amerikaner hätten in Geheimlaboren in der Ukraine an der Erzeugung von gefährlichen Viren gearbeitet, die mit Zugvögeln auf das russische Territorium verstreut werden sollten. 

Die Wirkung dieser Darstellungen und einer sehr aggressiven Propaganda ist nicht zu unterschätzen. Angesichts der Abwesenheit von alternativen Informationskanälen sind die Menschen in Russland der Informationsflut ausgesetzt, die 24 Stunden am Tag das Vorgehen Russlands in der Ukraine rechtfertigt. Allerdings sind die Ergebnisse der in den russischen Medien präsentierten Umfragen, laut denen mehr als 80 % der Befragten die Politik von Wladimir Putin nach dem Kriegsausbruch unterstützen sollen, auch stark anzuzweifeln, da man in der Atmosphäre von Verboten und Haftdrohungen kaum ein repräsentatives Bild der öffentlichen Meinung erstellen kann.    


Dr. Gleb Kazakov, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen

Dr. Gleb Kazakov

Nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine wurden in den Medien en masse Bilder und Videos von russischen vorrückenden Truppen publiziert. Auffallend war dabei, dass die russischen Militärfahrzeuge immer mit bestimmten Symbolen in weißer Farbe – am häufigsten mit den lateinischen Buchstaben „V“ und „Z“ – gekennzeichnet waren, offensichtlich um eigene Technik von feindlichen Maschinen und Militärfahrzeugen unterscheiden zu können. Angesichts seiner Häufigkeit wurden das „Z“-Zeichen schnell zum Symbol der russischen Armee und des Angriffs insgesamt und dessen Instrumentalisierung wurde von beiden Kriegsseiten vorangetrieben. In Russland werden riesige Plakate mit dem Z-Symbol auf Gebäuden aufgehängt, das Zeichen ist auf Autos im Stadtverkehr zu sehen und Schüler und Studenten stellen sich bei öffentlichen Veranstaltungen in Z-Form auf Plätzen auf. Laut der Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums selbst steht das Z-Zeichen für den Spruch "Auf den Sieg" (russisch: "Za pobedu"). In der pro-ukrainischen Medienberichterstattung wird das Symbol dagegen dem Hakenkreuz gleichgesetzt und gilt als Wappen des russischen Faschismus.

Obwohl mehrere Versionen darüber im Umlauf sind, was die Zeichen ursprünglich zu bedeuten hatten, sieht die wahrscheinlichste Erklärung sie als Abkürzungen von russischen Militärbezirken: die Fahrzeuge mit dem V-Zeichen stammen demzufolge aus dem Militärbezirk Osten (russisch: Vostok), und die mit dem Z-Zeichen – aus dem Militärbezirk Westen (Zapad). 

Die symbolische Bedeutung der Zeichen ist jedoch inzwischen unbestritten. Die Symbole stehen eindeutig für die Befürwortung des russischen völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Aus diesem Grund kann die öffentliche Verwendung des Z-Symbols in Deutschland strafrechtliche Konsequenzen haben. In den Bundesländern Bayern und Niedersachsen ist das Zeigen des Symbols bereits verboten. Nach Paragraph 140 des Strafgesetzbuchs (Billigung von Straftaten) kann die Verwendung des Z-Symbols in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Auch in anderen Bundesländern kann eine Einzelfallprüfung durch die Behörden erfolgen. 

Einige europäische Länder gehen ebenfalls hart gegen das Zeigen russischern Kriegssymbole vor. So sind in Litauen das Z-Zeichen und das orange-schwarze Georgsband, das als Symbol der russischen Militärmacht und des Triumphs über Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gilt, in der Öffentlichkeit verboten.


Dr. Gleb Kazakov, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Monika Wingender
 

Die Ukraine ist ein multilingualer Staat. Bei der letzten Volkszählung von 2001 gaben 67,5% Ukrainisch und 29,6% Russisch als Muttersprache an. In der Ukraine sind des Weiteren über 100 Minderheitensprachen beheimatet, darunter Belarussisch, Bulgarisch, Gagausisch, Moldauisch, Polnisch und viele mehr.

Die Sprachsituation ist aber wesentlich komplexer als Zensusdaten vermuten lassen, da sich die Eigenangabe zur Muttersprache und der tatsächliche Sprachgebrauch häufig unterscheiden.  Betrachten wir die in der Ukraine am meisten gebrauchten Sprachen, Ukrainisch und Russisch, so ist die Sprachsituation in der Ukraine in Bezug auf die Faktoren Regionen, Urbanisierung, Typen von Bilingualismus und Generationen zu unterscheiden. Bei weit verbreitetem Bilingualismus weist die Sprachsituation eine starke regionale Verteilung der Sprachen auf: Das Ukrainische dominiert im Westen und im Zentrum, während der Osten überwiegend russischsprachig ist. Das Russische ist in Städten stärker verbreitet als auf dem Land. Neben den beiden am weitesten verbreiteten Sprachen gibt es auch noch die gemischte Varietät Suržyk, die sich in verschiedenen Mischungen von Ukrainisch und Russisch zeigt. Dies ist das Ergebnis des ukrainisch-russischen Sprachkontakts sowie auch von Sprachwechseln zwischen den beiden Sprachen. Zu berücksichtigen sind des Weiteren verschiedene Typen des in der Ukraine weit verbreiteten Bilingualismus: Zum Teil ist eine der beiden Sprachen rezeptiv, bei anderen Bilingualen dominiert eine der beiden Sprachen, und wiederum andere beherrschen gleichermaßen Ukrainisch wie Russisch. Der Sprachgebrauch unterscheidet sich zudem nach Generationen. Aufgrund der intensiven Förderung der ukrainischen Staatssprache im Bildungssystem beherrscht die jüngere Generation das Ukrainische in höherem Maße als die ältere Generation.

Der Krieg in der Ukraine mit Flucht und Vertreibung hat auch großen Einfluss auf die Entwicklung der Sprachsituation und stellt insbesondere für den Erhalt und die Unterstützung der zahlreichen Minderheitensprachen eine Bedrohung dar. Des Weiteren ist vermehrt Sprachwechsel zum Ukrainischen zu beobachten, so wie auch der russischsprachige Präsident Selenskyj in öffentlichen Auftritten nur noch das Ukrainische verwendet.
 

Prof. Dr. Monika Wingender, Professorin für Slavische Sprachwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen/ Geschäftsführende Direktorin des Gießener Zentrums Östliches Europa (GiZo)

Prof. Dr. Monika Wingender
 

Nein, es gibt keine Sprachverbote in der Ukraine. Die Behauptung, der Gebrauch des Russischen in der Ukraine sei verboten, ist reine Propaganda Putins. Ebenso behauptet diese Propaganda fälschlicherweise die Diskriminierung und den Genozid Russischsprachiger in der Ostukraine.

Warum kommt die Propaganda eines angeblichen ukrainisch-russischen-Sprachkonflikts in der Ukraine immer wieder auf? Dies liegt vor allem an der Politisierung der Sprachenfragen in der Ukraine. Nach dem Zerfall der Sowjetunion schwankte die Sprachenpolitik zwischen Ukrainisierung und Russifizierung. Sie wechselte mit jeder Präsidentschaft und wurde häufig Gegenstand von Wahlkampagnen. Petro Poroschenko, der in seinem Wahlkampf 2019 das Ukrainische stark machte, unterzeichnete noch kurz vor Ende seiner Amtszeit das neue Staatssprachengesetz. Dieses rief aufgrund seiner umfassenden Regelungen zum öffentlichen Sprachgebrauch intensive Diskussionen hervor.

Das Staatssprachengesetz ist folgendermaßen einzuordnen: Es ist ein Sprachgesetz im Sinne der Nationenbildung, das die Staatssprache Ukrainisch schützen und fördern soll. Es regelt den öffentlichen Sprachgebrauch. Das Sprachgesetz berührt nicht den privaten Bereich, in dem jeder die Sprache sprechen kann, die er möchte. Neben den Regelungen zur ukrainischen Staatssprache enthält das Sprachgesetz auch Regelungen zu den Minderheitensprachen, also auch zum Russischen. So garantiert das Sprachgesetz das Recht auf Unterricht in den Minderheitensprachen in der Vorschul- und Primarschulbildung. Im Bereich weiterführender Schulen garantiert es das Recht, die Minderheitensprachen zu lernen.

Im Hinblick auf die Ukraine, wie auch andere post-sowjetische Staaten außerhalb Russlands, ist es wesentlich zu bedenken, dass es sich um eine postkoloniale und postimperiale Sprachsituation handelt. Das bedeutet: Da das Ukrainische in der Sowjetunion aufgrund der damaligen Russifizierungspolitik nur eingeschränkt funktionieren konnte, ist die Sprachenpolitik und Sprachgesetzgebung in der Ukraine seit dem Zerfall der Sowjetunion entsprechend darauf ausgerichtet, das sprachpolitische Erbe der Sowjetunion abzulegen. So soll die ukrainische Staatssprache als Symbol des ukrainischen Staates und als Schlüsselmerkmal der nationalen Identität intensiv gefördert werden.
 

Prof. Dr. Monika Wingender, Professorin für Slavische Sprachwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen/ Geschäftsführende Direktorin des Gießener Zentrums Östliches Europa (GiZo)

Prof. Dr. Andrea Gawrich

Der Krieg in der Ukraine hat zu einer bemerkenswerten Einhelligkeit eines großen Teils der Staatengemeinschaft in der Verurteilung des Krieges geführt. Bemerkenswert war zunächst das Abstimmungsergebnis im UN-Sicherheitsrat über die Resolution zur Beendigung der russischen Militäroffensive gegen die Ukraine vom 25. Februar 2022, bei der China sich „nur“ enthalten und sich nicht an die Seite Russlands gestellt hat, das als einziger Staat mit „nein“ stimmte. In der Sondersitzung der UN-Generalversammlung am 2. März 2022 zeigte sich ein ähnliches Bild bei der Abstimmung über die Resolution zur Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine. Hier stimmten 141 der 193 Mitgliedstaaten für die Verurteilung und 35 Länder, darunter China, Indien, Irak, Pakistan und Südafrika, enthielten sich. Die große Einhelligkeit der 141 Staaten wurde als besonders starke Verurteilung Russlands gesehen. An die Seite Russlands stellten sich in dieser Abstimmung nur Belarus, Eritrea, Nordkorea und Syrien. 

Inzwischen hat sich China wieder etwas mehr der russischen Position angenähert und der NATO eine vermeintliche Mitschuld an dem Krieg zugeschrieben. Damit hat sich die anfängliche Hoffnung des Westens auf eine stärkere Distanz zwischen Russland und China im Kontext dieses Krieges bislang nicht bewahrheitet.

Auf einem anderen Blatt steht jedoch die konkrete Solidarität mit der Ukraine. Hier handelt die EU weitestgehend einmütig in Bezug auf Sanktionen und Hilfestellungen für ukrainische Flüchtlinge. Die Türkei hat nach einigen Kriegswochen eine Mediatoren-Rolle eingenommen, als Gastgeberin von russisch-ukrainischen Verhandlungen. Wie erfolgreich diese Rolle sein wird, ist aktuell gänzlich unklar, denn die derzeitige Zuspitzung des Krieges lässt weitere Gespräche im Moment unwahrscheinlich erscheinen. Die USA haben sich für umfangreiche militärische und monetäre Hilfen ausgesprochen, klassifizieren diesen Krieg jedoch bislang bewusst als europäischen Krieg. 


Prof. Dr. Andrea Gawrich, Professorin für Integration mit besonderem Bezug auf das Östliche Europa an der Justus-Liebig-Universität Gießen / Stellvertretende Geschäftsführende Direktorin am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Arkadiusz Blaszczyk und Vera Strobel 

Dass Geschichte häufig als Kriegsgrund und für Gebietsansprüche instrumentalisiert wird, gehört zur „Erbsünde“ der Geschichtswissenschaft. Die Frage, wem die Krim gehört, sollte dementsprechend in erster Linie völkerrechtlich und nicht historisch beantwortet werden. 

Das Territorium der Krim ist ein von Russland völkerrechtswidrig besetztes Gebiet. Trotz der faktischen russischen Staatsgewalt auf der Krim, ergibt sich hieraus kein Gebietstitel Russlands. Die Krim ist völkerrechtlich weiterhin Teil des Staatsgebietes der Ukraine. Alle Staaten sind dazu verpflichtet, die Krim als Teil des ukrainischen Staatsgebietes anzusehen, andernfalls verstoßen sie selbst gegen das Völkerrecht. Das haben auch die Vereinten Nationen mehrmals in Resolutionen bekräftigt. Auch die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes bestätigt diesen Status. Der „Anschluss“ der Krim an Russland ist durch den Verstoß gegen das Verbot der Anwendung und Androhung militärischer Gewalt gem. Art. 2 (4) der Charta der Vereinten Nationen völkerrechtswidrig. Der Vertrag aus dem Jahr 2014 über die Angliederung der Krim an Russland ist wegen dieser Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine und des Annexionsverbotes nichtig. Eine Annexion ist die einseitige Ausweitung von Hoheitsgewalt auf ein fremdes Staatsgebiet und die Einverleibung dessen unter Gewaltandrohung oder -anwendung.

Es besteht kein generelles Abspaltungsrecht aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, sodass die Abspaltung eines Gebiets ohne das Einverständnis der Zentralregierung nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Das Referendum auf der Krim lief nicht ordnungsgemäß nach den erforderlichen Mindeststandards ab und ist damit ungültig. Eine andere Bewertung ergibt sich durch die von Russland geltend gemachten historischen Geschehnisse nicht. Es war global anerkannt und auch zunächst von Russland nicht abgestritten, dass die Krim zum Staatsgebiet der Ukraine zählt. Russland hätte auf andere friedliche Mittel der Konfliktlösung zurückgreifen müssen. Militärische Gewalt stellt kein taugliches Instrument zur Korrektur der Vergangenheit dar. Denn dies schwächt letztendlich das Völkerrecht und führt zu einer beliebigen und interessensgeleiteten Deutungsoffenheit, statt zu einer Wahrung von Frieden.

Um jedoch die hinter den territorialen Ansprüchen Russlands stehenden Geschichtsbilder einordnen zu können, ist ein kleiner historischer Exkurs durchaus angebracht. 

Russlands Verhältnis zur Krim ist von Widersprüchen geprägt. Zum einen hatte und hat die Krim für die Russen etwas Exotisches, zum anderen wird sie als schon „immer russisch“ imaginiert. Hier, in der byzantinischen Hafenstadt Chersones, fand im Jahr 987 dem Bericht der altrussischen Nestor-Chronik zufolge die Taufe des Kiewer Fürsten Wladimir des Heiligen statt.  m 11. Jahrhundert entstand später im östlichen Teil der Halbinsel das Fürstentum von Tmutarakan – ein Teilfürstentum der alten Rus, das aus der Eroberung einer chasarischen Festung hervorgegangen war. Wie jedoch auch das Erbe der alten Rus insgesamt, wird auch das Fürstentum Tmutarakan gleichermaßen von der ukrainischen wie der russischen Nationalhistoriographie jeweils für sich beansprucht. 

Man sollte sich jedoch davor hüten, die Geschichte der Krim nur entlang der Polarität Ukraine-Russland zu lesen. Die Halbinsel bzw. Teile davon waren byzantinisch, chasarisch, petschenegisch, kitpschakisch und seldschukisch, bevor die Mongolen sie im 13. Jahrhundert eroberten. Die Genuesen und Venezianer im Süden der Krim profitierten vom Handel mit kaukasischen, slawischen und kiptschakischen Sklaven. Schließlich entstand im 15. Jahrhundert auf der Krim das krimtatarische Khanat, das bis zu seiner Einverleibung durch das Zarenreich 1783 bestand. Über Jahrhunderte prägte es mit seiner politischen Kultur und auch seinen Raubzügen die Landschaft im nördlichen Schwarzmeerraum. Die mehrheitlich genuesische Südküste der Krim hingegen fiel 1475 an die Osmanen. Die Krim beherbergte angesichts ihrer wechselvollen Geschichte eine Vielfalt von Ethnien. Sie war u.a. Heimat für Tataren, Griechen, Tscherkessen, Armenier, Karäer und Krimtschaken.

Die Krim des 21. Jahrhunderts ist ein Produkt imperialer Interventionen. Viele der über Jahrhunderte auf der Krim lebenden Völker sind in zarischer und sowjetischer Zeit zwangsumgesiedelt und durch Neusiedler ersetzt worden. Dazu gehörten u.a. die Griechen und Armenier, die schon im 18. Jahrhundert an das Asowsche Meer verbracht wurden, und die Krimtataren, die unter dem Vorwurf der Kollaboration mit NS-Deutschland deportiert wurden. Unter deutscher Besatzung schließlich wurde die jüdische Bevölkerung der Krim, darunter die Krimtschaken, vernichtet. Die Nachkriegskrim war somit zum ethnisch und kulturell weitgehend homogenen, russischsprachigen Gebiet geworden und als solches wurde sie unter Nikita Chruschtschow aus verschiedenen Gründen ökonomischer und politischer Natur 1954, zum 300-jährigen Jubiläum der Unterstellung der Saporoger Kosaken unter den Zaren, der Sowjetrepublik Ukraine übertragen. In der Volksabstimmung von 1991 schließlich votierte die Krim mehrheitlich für eine unabhängige Ukraine, wenn auch mit weniger hoher Quote als auf dem Festland. Die Krim hatte sich damals entschlossen, zu wem sie gehören will. Im 21. Jahrhundert sollte es keinen Platz mehr geben für Geschichtsrevisionismus und von militärischer Gewalt erzwungene Referenden wie das von 2014.


Arkadiusz Christoph Blaszczyk, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen

Vera Strobel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Völkerrecht (Prof. Dr. T. Marauhn) an der Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg

In der reichhaltigen Forschung zum Thema „Nation“ gibt es eine ältere Forschungsmeinung, die „Nation“ auf objektive Kriterien zurückführt: Danach ist ein „Volk“ – der ältere deutsche Begriff für „Nation“ - durch gemeinsame Abstammung, Sprache, Geschichte und Kultur geprägt. Die moderne Forschung vertritt diesen Ansatz nicht mehr vorrangig, sondern betont in Anschluss an den französischen Religionswissenschaftler Ernest Renan (1882) den subjektiven Faktor: „Die Nation ist eine große Solidargemeinschaft […]. Sie setzt eine Vergangenheit voraus und lässt sich dennoch in der Gegenwart durch ein greifbares Faktum zusammenfassen: die Zufriedenheit und den klar ausgedrückten Willen, das gemeinsame Leben fortzusetzen. Die Existenz einer Nation ist […] ein tägliches Plebiszit […].“

Russen und Ukrainer gehen zusammen mit den Belarussen auf gemeinsame Wurzeln in der ostslavischen Kultur zurück. Während jedoch die Russen in Nordosteuropa unter zarisch-autokratischem Einfluss eine eigene obrigkeitsstaatlich-imperiale Staatlichkeit und Kultur formierten, entwickelten die Ukrainer seit dem 15. Jahrhundert unter litauischen, polnischen und osmanisch-tatarischen Einflüssen eine stärker vermittelnde Kultur und Sprache, die äußere Einflüsse aus dem Schwarzmeerraum wie aus dem Westen aufnahm und fruchtbar eingliederte. Obwohl große Teile der Ukraine seit dem späten 18. Jahrhundert in das Russländische Reich eingegliedert wurden, entwickelten sich im 19. Jahrhundert die ukrainische Kultur, Sprache und Nationalliteratur (Taras Ševčenko, Ivan Franko) weiter. Zarische Verbote eines Drucks von Publikationen in ukrainischer Sprache (1863, 1876) konnten dies nicht verhindern, zumal im österreichischen Galizien eine eigene ukrainische Gesellschaft mit eigener Geschichtsschreibung entstand.

Nach dem Zusammenbruch der zarischen Autokratie im Ersten Weltkrieg und den Revolutionen 1917 entstand so in der Sowjetunion in der Teilrepublik der Ukrainischen SSR (1918) eine eigene Staatlichkeit, die sich zunächst durch eine kulturelle Einwurzelung (korenizacija) stabilisierte und auch trotz der repressiven Maßnahmen der Stalinzeit fortdauerte. Verschmelzungsmaßnahmen zu einem „Sowjetvolk“ scheiterten. 1991 sprachen sich nach der Auflösung der Sowjetunion über 91% der Bevölkerung der USSR für eine selbstständige Ukraine aus.

Fasst man diese historische Entwicklung zusammen, so fügen sich Russland und die Ukraine als selbstständige Nationen in die verschiedenen Typen europäischer Nationsentwicklung ein. Russland entspricht – gemeinsam mit Deutschland – dem Subtyp einer obrigkeitsstaatlich-imperialen Nation, die durch synkretistische (vermischende)Nationsbildung zu zumeist bevölkerungsreichen Nationen heranwuchsen. Die Ukraine entstand als frühneuzeitliche Nation ähnlich wie die Niederlande mit einer starken frühdemokratisch-republikanischen Nationalvorstellung, ist damit jedoch älter als viele andere europäische Nationen (z. B. Belgien, Norwegen, Estland, Lettland oder Slowakei).

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Professor für Ostmitteleuropäische Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen / / Stellvertretender Geschäftsführender Direktor am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg

Das Wort „Ukraine“ (wörtl. „Land am Rande“) weist auf Bevölkerungen an der Grenze zur nomadischen Steppenbevölkerung hin. Die Bezeichnung bürgerte sich seit dem 16. Jahrhundert ein, als einerseits halbnomadische Bevölkerungen nördlich des Schwarzen Meeres zur Subsistenzsicherung von sesshaften Bevölkerungen Tribut einforderten, andererseits infolge des Bevölkerungszuwachses in ganz Europa Menschen verstärkt die Region am Fluss Dnipro (Dnepr) aufsiedelten.

In der Region kam es zu sozialen, konfessionellen und frühnationalen Konflikten zwischen orthodoxen ostslavischen Bauern und katholischen polnisch-litauischen Adligen. Politisch handlungsmächtig wurden diese Konflikte, als die polnisch-litauische Krone in der Zentralukraine ein Kosakenregister einführte, durch das Wehrbauern militärische Erfahrung erwarben und im frühen 17. Jahrhundert als Söldner von Polen-Litauen, dem Moskauer und dem Osmanischen Reich angeworben wurden. Am Dnipro entstand so der größte Söldnermarkt Europas.

Als 1648 die polnische Krone Anwerbepläne in der Region stoppte, eskalierten soziale und konfessionelle Unruhen unter einem charismatischen Militärführer, dem Kosakenhetman Bohdan Chmel'nyc'kyj in einem großen Aufstand. Chmel'nyc'kyj gelang es, in mehreren Feldschlachten große polnisch-litauische Heere zu besiegen und im Machtbereich des Heeres der Zaporoger Kosaken am Dnipro einen eigenen „Hetmanstaat“ aufzubauen. So wurde die Bezeichnung Ukraine dem gebildeten Europäer spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt.

Die Kosakenhetmane waren in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gezwungen, zwischen den Großmächten Polen-Litauen, dem Zartum Moskau und dem Osmanischen Reich eine Schaukelpolitik zu betreiben. Erstmals 1654 unterstellten sie sich in Perejaslav dem Zaren, betrieben aber bis ins 18. Jahrhundert eine Politik der wechselnden Bündnisse. Den Hetman beriet ein Ältestenrat, der mit einem Ständeparlament verglichen werden kann, daneben bestand ein Steuerapparat. Der Hetmanstaat erlebte unter Hetman Ivan Mazepa um 1700 eine letzte Blüte, verlor nach der Niederlage der verbündeten schwedisch-kosakischen Truppen in der Schlacht von Poltava 1709 schrittweise seine Selbstständigkeit und wurde schließlich 1763 in das Russländische Kaiserreich eingegliedert.

In der ukrainischen Erinnerung und in der Mythologie lebte der Hetmanstaat jedoch aus mehreren Gründen fort. Erstens schuf noch Hetman Filip Orlik 1710 eine schriftliche kosakische Verfassung, die in ukrainischer und lateinischer Sprache angefertigten Pacta et constitutiones legum libertatumque exercitus zaporoviensis, die zwar niemals Rechtsgültigkeit erlangten, aber als Freiheitsvorstellung in den Köpfen der Menschen blieben. Zweitens entstand um 1700 eine kosakische Geschichtsschreibung, die überliefert wurde. Schließlich blieben die Kosaken als Vorbilder in mündlichen Erzählungen (ukrain. Dumen), in der ukrainischen Literatur sowie in der Folklore und in der Musik präsent und konnten so im 19. Jahrhundert von der romantischen Literatur eines Taras Ševčenko und anderer Dichter wiederbelebt werden.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg, Professor für Ostmitteleuropäische Geschichte an der Justus-Liebig-Universität Gießen / / Stellvertretender Geschäftsführender Direktor am Gießener Zentrum Östliches Europa (GiZo)

Dr. Frank Sauer

Über Waffenlieferungen an die Ukraine wurde schon vor Russlands Angriff diskutiert. Der 24. Februar 2022 stellte die Frage dann mit neuer Dringlichkeit. Seither hat die Bundesregierung Hilfsgüter, Ausrüstung, Munition sowie Waffensysteme geliefert. Deutsche Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet sind Ausdruck der „Zeitenwende“ und tragen dem von Russland verursachten Zusammenbruch der Friedensordnung in Europa Rechnung, in der das politische Koordinatensystem Deutschlands gerade neu justiert werden muss. Umfragen zufolge unterstützt eine Mehrheit der Deutschen die Lieferungen – laut ARD Deutschlandtrend vom August 2022 waren 61% dafür. Trotzdem würde eine Minderheit am liebsten keine oder weniger Waffen liefern. Anderen ist die bisherige Lieferpolitik sogar noch zu zögerlich und nicht pro-aktiv genug. Das Für und Wider lässt sich auf drei Ebenen erörtern: Völkerrecht, Ethik und Sicherheitspolitik.

Aus völkerrechtlicher Sicht spricht nichts gegen die Lieferung von deutschen Waffen an die Ukraine. Der Aggressor – Russland – ist unzweifelhaft identifiziert. Es gibt keine Pflicht zur Unparteilichkeit. Deutschland wird durch Waffenlieferungen an die Ukraine aus völkerrechtlicher Sicht auch nicht selbst zur Kriegspartei. Dass die russische Führung Deutschland – nicht zuletzt aufgrund von Sanktionen – propagandistisch als Gegner bezeichnet und sich mit dem Westen im Krieg befindlich wähnt, ändert an diesem völkerrechtlichen Befund nichts. Die Diskussionen in Deutschland um „offensive oder defensive“ sowie „leichte oder schwere“ Waffen sind politisch und aus völkerrechtlicher Sicht nicht ausschlaggebend. Kurz: die konkrete Art der Waffen spielt rechtlich gesehen keine Rolle (sofern es sich nicht um völkerrechtlich verbotene handelt, wie etwa Anti-Personen-Minen, was nicht der Fall ist). 

Aus ethischer Perspektive ist zunächst zentral, dass mit den von Deutschland gelieferten Waffen russische Soldaten getötet werden. Damit lädt Deutschland Schuld auf sich. Darauf zielt die Argumentationslinie ab, gemäß der Waffenlieferungen „den Krieg verlängern“ und weitere Menschenleben kosten. Dem ist jedoch die genozidale russische Kriegsführung gegenüberzuhalten. Russlands Streitkräfte begehen systematisch Kriegsverbrechen. Die Gräueltaten in den besetzten Gebieten legen den Schluss nahe, dass ein kürzerer Krieg und ein russischer Sieg nicht weniger Leid bedeuten würde. Somit wiegt hier die aus der Lieferung von Waffen erwachsende Schuld weniger schwer als die der unterlassenen Hilfeleistung.

Aus sicherheitspolitischer Sicht steht die zukünftige europäische Friedensarchitektur im Fokus, in der Sicherheit – bis auf Weiteres, leider – nicht mehr mit, sondern gegen Russland organisiert werden muss. Im deutschen Interesse ist, dass Russland mit diesem erneuten Angriff auf die Ukraine, anders als im Falle der Annexion der Krim 2014, keinen Erfolg hat. Russland darf das offiziell deklarierte Kriegsziel – das Ende des souveränen Staats Ukraine – nicht erreichen und sollte möglichst militärisch und ökonomisch geschwächt aus dem Konflikt hervorgehen. Sicherheitspolitische und völkerrechtliche Analyse deuten hier in die gleiche Richtung: das Unterstützen des Opfers stellt eine Verteidigung der globalen Völkerrechtsordnung dar, deren Fortbestand im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt. Es soll auch in Europa zukünftig wieder die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gelten. Die bisherigen Waffenlieferungen waren dahingehend effektiv. Sie haben mitgeholfen, die Fortexistenz der Ukraine zu sichern.

Dr. Frank Sauer, Senior Research Fellow an der Universität der Bundeswehr München

Prof. Dr. Alexander Libman 

Auf den Krieg in der Ukraine haben westliche Staaten mit massiven Sanktionen gegenüber der russischen Wirtschaft reagiert, die seit Februar 2022 kontinuierlich verschärft werden. Um deren Wirksamkeit einzuschätzen, sollte man zwischen wirtschaftlichen und politischen Effekten unterscheiden. Bei den wirtschaftlichen Effekten geht es um den Schaden für Märkte, Unternehmen und Haushalte. Politische Effekte beziehen sich darauf, ob Sanktionen zu einem Wechsel der Politik beitragen können – etwa Putin dazu zwingen können, den Krieg in der Ukraine zu stoppen. 

Für Russland sind die wirtschaftlichen Kosten der Sanktionen insbesondere mit den unterbrochenen Lieferketten verbunden. Die Fabriken und Werke in Russland bekommen aktuell keine Teile und Komponenten aus dem Westen, weswegen sie ihre Produktion einstellen oder nach Alternativen suchen müssen – etwa Lieferungen aus Ländern wie China, Indien oder die Türkei. Ob diese Alternativen überhaupt vorhanden sind, ist fraglich; insbesondere für westliche Software-Lösungen sollte es zum Teil keinen Ersatz geben. Auf jeden Fall führen die Sanktionen zunächst zu einer massiven Verteuerung der Produktion, komplizierter Logistik und Reduktion der Qualität. Wie schnell die Effekte beobachtbar sein werden, hängt ab von dem Grad der Abhängigkeit der einzelnen Sektoren von ausländischen Firmen und von den Lagerbeständen, die vor dem Krieg akkumuliert wurden. Die Automobilbranche oder die Luftfahrt sind dabei besonders stark betroffen. In der längeren Frist (Jahre bis Jahrzehnte) führen Sanktionen in einem wahrscheinlichen Szena
rio zu einem technologischen Rückstand, Verlust der Innovationskraft und der Unfähigkeit, kompliziertere moderne Produktionsketten aufzubauen.

Allerdings werden die Sanktionen nicht zu einem Kollaps der russischen Wirtschaft führen. Erstens ist Russland eine Marktwirtschaft und daher anpassungsfähig und flexibel – das unterscheidet das Land deutlich von der Sowjetunion. Zweitens ist die Wirtschaftsleistung Russlands primär vom Export natürlicher Ressourcen abhängig. Zwar hat die EU Sanktionen auch in diesem Bereich beschlossen, viele Länder in Asien, Afrika, Lateinamerika und Europa beziehen allerdings nach wie vor russische Rohstoffe (zum Teil sogar mehr als vor dem Krieg) und es ist kaum vorstellbar, dass sich die Lage ändert. Auch wenn Russland weniger Rohstoffe exportiert, wird es durch höhere Preise auf internationalen Märkten kompensiert. Drittens wurden die unmittelbaren Effekte der Sanktionen durch eine professionelle Reaktion der russischen Zentralbank kompensiert. 

Sanktionen führen zweifelsohne zur Verarmung von Russinnen und Russen. Besonders stark sind Menschen in Großstädten betroffen, in denen der westliche Lifestyle sich durchgesetzt hat. Andererseits bemüht sich das Regime Putins sehr stark darum, gerade in diesen Städten, insbesondere Moskau, eine Illusion der Normalität zu schaffen. Es ist unklar, wie sich Sanktionen auf die Arbeitslosigkeit auswirken werden – zwar werden viele Betriebe schließen, aber Russland ist ein Land, in dem Arbeitskräfte in der Vergangenheit eher defizitär waren. Die realen Löhne und Gehälter werden jedoch vermutlich stark abnehmen.

Wirtschaftliche Effekte der Sanktionen sind aber auch für die Europäische Union von hoher Bedeutung. Bereits jetzt führt der Tatbestand, dass russische Rohstoffe nicht geliefert werden, zu Produktionsausfällen in der EU und trägt zum Anstieg der Inflation bei – auch wenn die Ursachen der Inflation in der Eurozone nicht allein mit dem Krieg und den Sanktionen verbunden sind. Falls Russland als Reaktion auf westliche Sanktionen die Gaslieferungen in die EU weitgehend einstellt, werden die Effekte sehr wahrscheinlich sehr schmerzhaft sein: es geht nicht nur um die vorübergehende Schließung von Betrieben, sondern um eine dauerhafte Abwanderung etwa energieintensiver und chemischer Produktion – und damit eine langfristige Deindustrialisierung. Für viele private Haushalte wird die ausreichende Beheizung ihrer Wohnungen kaum machbar sein. Ausreichende und kostengünstige Alternativen zu russischen Gaslieferungen sind insbesondere für Deutschland kaum vorhanden.  

Unabhängig von den wirtschaftlichen Wirkungen sind die politischen Wirkungen der Sanktionen auf Russland eher als gering einzuschätzen. Sanktionen werden vom russischen Regime vielmehr erfolgreich in seiner Propaganda verwendet. Viele Russinnen und Russen bekommen das Gefühl, dass sie vom Westen unabhängig von ihren persönlichen Handlungen und Einstellungen pauschal angegriffen werden. Diese Wahrnehmung wird umso stärker mit zunehmenden Forderungen nach neuen Sanktionen, die zum Teil noch vor kurzem Undenkbares beinhalten – etwa generelle Einreiseverbote für russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in die EU, die von einigen Politikern gefordert werden. Das trägt dazu bei, dass sich viele Menschen in Russland hinter Putin stellen. Die Unterbrechungen wirtschaftlicher Beziehungen zum Westen machen die Menschen zudem abhängiger vom russischen Staat und lassen daher weniger Proteste erwarten.

Prof. Dr. Alexander Libman, Professor für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Osteuropa und Russland an der Freien Universität Berlin

Dr. Vitalij Fastovskij

Nach dem Überfall auf die Ukraine erreichte die kriegerische Rhetorik in Russland einen neuen traurigen Höhepunkt. Die Vernichtungsdrohungen russländischer Regierungsvertreter richteten sich seit dem Kriegsbeginn nicht nur gegen NATO-Staaten, sondern auch gegen Moldau, Georgien und den Verbündeten Kasachstan. Alle drei Länder waren einmal periphere Republiken der Sowjetunion. Allerdings sollten diese verbalen Eskapaden nicht als Ausdruck eines imperialen Meisterplans missinterpretiert werden. In der Regel ist damit das inländische Publikum adressiert, manchmal sollen aber auch ausländische Politiker eingeschüchtert und von der Unberechenbarkeit Russlands überzeugt werden. Fast immer geht die verbale Eskalation von ranghohen Beamten oder Propagandisten, nicht aber vom Staatsoberhaupt aus. Damit soll Putin als moderater Akteur und einzig möglicher Gesprächspartner des „Westens“ präsentiert werden. 

Aggressive Rhetorik im Bereich der Außenpolitik begann seit den 2010er-Jahre eine zunehmend wichtigere Rolle für die Selbstlegitimierung des Putin-Regimes zu spielen. Sie hilft, die massiven innenpolitischen Probleme – Russland befindet sich seit 2009 in einer Phase wirtschaftlicher Stagnation – zu verschleiern. „Größe“ und „historische Gerechtigkeit“ waren und bleiben zwei Schlüsselbegriffe dieser aggressiven Form von Identitätspolitik. Eine elaborierte Ideologie hat der Kreml nicht entwickelt, es lässt sich aber so etwas wie eine geschichtsfixierte und mit Ressentiments beladene Meistererzählung herauslesen: Russland bewähre sich in seiner tausendjährigen Geschichte gegen äußere und innere Feinde und strebe nach der Wiedervereinigung mit einst „verlorenen“ Territorien. Wie die soziologischen Erhebungen gezeigt haben, stieß diese Rhetorik in der russischen Bevölkerung auf Zuspruch. So löste die Krim-Annexion im März 2014 eine Welle der Begeisterung aus, die Putins Umfragewerte in die Höhe schießen ließ. Diese bleiben bis zur Verkündung der unpopulären Rentenreform im Juni 2018 stabil. 

Auch der Überfall auf die Ukraine war offenbar als ein „kleiner“ Krieg geplant, der die ukrainische Staatlichkeit binnen kürzester Zeit beseitigen und Putins Machtanspruch für viele Jahre sichern sollte. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre nach dem Sturz Kiews eine Vereinigung mit Belarus zu einem von Moskau gelenktem Staatenbund erfolgt. Wäre es dem Militär- und Sicherheitsapparat dann gelungen, den Widerstand in der besetzten Ukraine zu brechen, hätte dies Putin in die Lage versetzt, weitere außenpolitische Projekte in Angriff zu nehmen: Mit Georgien besteht ein Streit um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien, mit Moldau ein Streit um Transnistrien, einem separatistischen, größtenteils russischsprachigen Gebiet, in dem russische Truppen seit 1992 stationiert sind. Denkbar wären aber auch hybride Militäroperationen gegen die baltischen Staaten gewesen. Diese sind Moskau gegenüber vor allem aus historischen Gründen kritisch eingestellt, zudem lebt im Baltikum eine große russischsprachige Minderheit. Ein möglicher Angriffspunkt wäre die sogenannte Suwalki-Lücke gewesen – das Gebiet um die Grenze zwischen Litauen und Polen, das die russische Exklave Kaliningrad von Belarus trennt und eine Achillesferse der NATO darstellt, weil seine Besetzung die baltischen Staaten vom Nachschub über den Landweg abschneiden würde. 

Dennoch hat der ukrainische Widerstand zumindest die Risiken für die NATO-Staaten erheblich gesenkt. Russlands Militär hat sich als ineffizient erwiesen. Die Ostflanke der NATO wird gestärkt: Der Doppelbeitritt von Schweden und Finnland scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. 2023 soll ferner die Truppenstärke der NATO Response Force von 40,000 auf 300,000 erhöht werden. Russlands Einfluss auf die öffentliche Meinung und das mediale Umfeld im Ausland (Soft- und Sharp-Power) wurden hingegen empfindlich geschwächt, denn die genozidale Dimension des Ukrainekriegs hat eine abschreckende Wirkung entfaltet. So bleibt vor allem eine aggressive Rhetorik, die im „Westen“ die Befürchtungen nährt, die russische Regierung könnte trotzt besseren Wissens auf eine irrationale und selbstzerstörerische Weise handeln.

Dr. Vitalij Fastovskij, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Osteuropäische Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, aktuell Fellow am Institute for European Studies in Berkeley.

Dr. Alexander Chertenko

Unter Donbas (oder russ. Donbass, Abkürzung für „Donezkyj bassejn“, übersetzt ins Deutsche – Donezbecken) wird ein großes Steinkohle- und Industriegebiet im Osten der Ukraine verstanden. Zum Donbas gehören der Oblast (Verwaltungsgebiet) Donezk und der Oblast Luhansk sowie der äußerste Osten des Oblast Dnipropetrowsk.

Eine Sonderstellung des Donbas in russisch-ukrainischen Verhältnissen geht auf eine historisch-kulturelle Spezifik dieses Industriegebiets an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine zurück. Unter Stalin hatte der Donbas in der Sowjetunion einen geradezu mythischen Status als Vorbild der raschen und erfolgreichen Industrialisierung erreicht. In den nächsten Jahrzehnten, insbesondere aber nach dem Zerfall der Sowjetunion, büßte er sein Ansehen und seine wirtschaftliche Bedeutung erheblich ein. Dies förderte dort einerseits eine ausgeprägte sowjetische Nostalgie, die einen deutlichen Bezug auf die glänzende Vergangenheit der Region hatte. Andererseits führte dies zum Entstehen regionaler Eliten, die ihren Ursprung in der organisierten Kriminalität der 1990er Jahre hatten und die sowjetische Nostalgie der verarmten Bergleute und Fabrikarbeiter auszubeuten wussten.

Eine überdurchschnittliche Verbreitung der russischen Sprache, die als lingua franca in zahlreichen multinationalen Industriestädten des Donbas fungierte, trug zur Popularität russlandfreundlicher Einstellungen in der Region vor 2014 ebenso bei. Bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2004 und 2010 bekam der prorussische Kandidat, Wiktor Janukowytsch, hier die Mehrheit der Stimmen.

Zur bewaffneten Auseinandersetzung kam es jedoch erst in Folge der Euromaidan-Revolution von 2014 und nur nach der Einmischung der aus Russland einsickernden „freiwilligen Bataillons“ unter dem Kommando von Igor’ Girkin (Strelkov). Auch dann stieß der Aufruf zum offenen Separatismus auf eine nicht ausreichende Unterstützung unter der lokalen Bevölkerung. Nur mit der Hilfe der russischen regulären Militäreinheiten gelang es den separatistischen Kommandeuren im August 2014 den Vormarsch der ukrainischen Armee aufzuhalten und Teile der Gebiete Donezk und Luhansk, die zu den sogenannten Volkrepubliken Donezk (DNR) und Luhansk (LNR) erklärt wurden, unter eigene Kontrolle zu bringen. Obwohl die besonders aktiven Kämpfe nach der Unterzeichnung des Minsker Abkommens im Frühjahr 2015 eingestellt wurden, hörte der sporadische Beschuss von beiden Seiten nie vollständig auf. Anhänger der ukrainischen Integrität sahen sich infolge der repressiven antiukrainischen Politik in den „Volksrepubliken“ nach 2014 gezwungen, ihre Position konsequent zu verheimlichen oder ihre „kleine Heimat“ zu verlassen. Somit wurde eine explizit prorussische Einstellung zumindest in besetzten Gebieten des Donbas zu einem unbestreitbaren Dogma.

Für den russischen Invasionskrieg seit dem 24. Februar 2022 und die Kriegsrhetorik des russischen Präsidenten Vladimir Putin wurde der Donbas zu einem wichtigen Bezugspunkt. Die Großinvasion in die Ukraine wurde von der russischen Führung als „Prävention“ einer vermeintlichen ukrainischen Bedrohung für den Donbas und eine Art „Antwort“ auf den angeblichen achtjährigen „ukrainischen Terror“ gegen die Region legitimiert. Zum priorisierten Ziel des Krieges wurde von der russischen Seite die endgültige „Befreiung“ der DNR und LNR erklärt, d.h. die Erweiterung des von den Separatisten kontrollierten Gebiets bis an die Grenzen der jeweiligen ukrainischen Oblasts. Ende September 2022 wurden die Volksrepubliken des Donbas nach den eilig durchgeführten Scheinreferenden durch Russland annektiert.

Zugleich war das „Leiden des Donbas“ für den russischen Präsidenten und seine Handlanger nie etwas anderes als ein fadenscheiniger Vorwand, die Ukraine zu unterwerfen. Dies zeigte sich bald auf dem Gefechtsfeld, als Russland, angeblich um „das Volk des Donbas zu schützen“ und die DNR und LNR, bereits am ersten Angriffstag mit flächendeckenden Bombardements des ganzen ukrainischen Territoriums sowie mit Truppeneinmarsch aus drei Himmelsrichtungen anfing. Dass das Kriegsgeschehen seit dem Sommer 2022 überwiegend im Südosten des Landes, dort vor allem im Donbas lokalisiert ist, hat dementsprechend weniger mit der propagierten Wertschätzung der Region, sondern vielmehr mit den militärischen Niederlagen der russischen Truppen im Norden und Nordosten der Ukraine zu tun.

Dr. Alexander Chertenko, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Slavistik, Justus-Liebig-Universität Gießen

Zusätzlich zu den Fragen / Antworten zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine bieten wir Ihnen zwei weitere Texte an. Der erste Text ist von vier ukrainischen Autorinnen verfasst und spiegelt die Stimmungen in der Ukraine selbst und derjenigen, die derzeit im Exil leben. Der zweite Text versucht eine Bestandsaufnahme des Kriegsgeschehens seit 2022. Die Texte geben jeweils die Auffassungen der Autoren wider.

Dr. Nadiya Kiss / Dr. Dariia Orobschuk / Dr. Liudmyla Pidkuimukha / Dr. Lesya Skintey

2022 hat die Geschichte Europas und der Welt unwiderruflich verändert. In der Tat begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits 2014 mit der Annexion der Krim sowie den militärischen Handlungen Russlands in den Gebieten Donezk und Luhansk.

Das Jahr 2022 war für die Ukraine ein Jahr schwerster materieller und humaner Verluste – zahlreiche Menschenleben, Kindertransporte, Millionen Binnenvertriebene und Geflüchtete, zerstörte Infrastruktur und wirtschaftlicher Abschwung. Doch so paradox es klingen mag, 2022 war auch ein Jahr der Errungenschaften – der erste Friedensnobelpreis für die Ukraine, die Befreiung einiger besetzter Gebiete, ein Aufschwung des Geistes und der nationalen Identität der Ukrainer, auch der Gewinn beim Eurovision Song Contest sowie ein positives Bild und Mitspracherecht des Landes auf der internationalen Bühne. Es war ein  Jahr der unglaublichen Solidarität und Resilienz, welche die Ukrainer jeden Tag leben, etwas, was  man sich vor 2022 nicht vorstellen konnte. Das Neudenken des eigenen Wertesystems und die eigene Teilhabe an den gesellschaftlichen Prozessen beschäftigt jeden einzelnen Bürger im In- und Ausland. Der hybride Krieg Russlands hat Widerstand und starke Reaktionen in verschiedenen Bereichen der ukrainischen Gesellschaft hervorgerufen: Wie sah und sieht es in der Politik, der Kultur und im geistigen Leben aus? Das wollen wir uns in diesem Artikel genauer ansehen.

Die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Auswirkungen auf die politischen Ansichten der Ukrainer

Der Krieg hat zu großen Veränderungen in der politischen Sphäre, die unmittelbar von der Gesellschaft selbst ausgehen, geführt: Die Ukrainer haben ein größeres Interesse an der Politik entwickelt und ihre Einstellung zu staatlichen Institutionen überdacht. Laut einer soziologischen Umfrage des Instituts für Soziologie an der ukrainischen nationalen Akademie der Wissenschaften (Dezember 2022) interessieren sich 60,5 % der Menschen für Politik, während 29,9 % sehr interessiert sind. Das war früher anders – immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Phasen des Desinteresses gegenüber der Politik.

Seit mehr als einem Jahr bleibt das Land durch den Kampfeswillen der ukrainischen Streitkräfte sowie dank der humanitären Unterstützung und Militärhilfe der Partnerstaaten intakt und souverän. In diesem Zusammenhang ist das Vertrauen in die Streitkräfte der Ukraine gestiegen, von 72% im Dezember 2021 auf 96 % im Dezember 2022. Zudem hat sich die Wahrnehmung der Regierung und des Parlaments – der Werchowna Rada – ebenfalls verbessert. „Das wachsende Vertrauen in die politische Führung und in die Sicherheitskräfte in Kriegszeiten ist ein weiteres Indiz für den Zusammenhalt der Bürger in kritischen Situationen. Der soziale Zusammenhalt ist einer der Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Widerstand gegen den Feind[1]", wie Anton Hrushetskyj, stellvertretender Direktor des Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie, sagte. In die Reihen der Streitkräfte traten einige Abgeordneten zusammen mit Abgeordneten früherer Einberufungen ein. Es wurde zudem ein Bataillon mit Sanitätern zusammengestellt, genannt „Hospitaller", um verwundete Soldaten von Schlachtfeld zu evakuieren. Hunderte von Gemeinderatsmitgliedern – Veteranen der Anti-Terror-Operation /Joint Forces Operation – sind seit dem 24. Februar 2022 wieder im aktiven Dienst. Ebenso trägt die aktive Beteiligung von Beamten und Persönlichkeiten aus der Politik an den Militäroperationen zum Anstieg des Vertrauens in die staatlichen Institutionen bei.

Die russische Invasion hat die ukrainische Zivilgesellschaft sehr gestärkt. Dadurch sind viele neue Verbindungen unter den Menschen im ganzen Land, inklusive der Auslands-Ukrainer, entstanden. Zahlreiche neu gegründete ehrenamtliche Organisationen, an denen sich aktuell jeder beteiligen kann und die aus dem Bedarf und Initiativen der Bürger heraus entstanden sind, arbeiten eng mit staatlichen Institutionen zusammen und decken einen großen Teil der medizinischen, technischen und logistischen Versorgung sowie der Versorgung der Binnenvertriebenen und des Militärs mit Nahrungsmitteln ab.

Der Angriffskrieg hat den Wunsch und die Bestrebungen der Ukrainer bestätigt, der Europäischen Union und der NATO beizutreten. Derzeit würden 87 % der Befragten im Falle eines Referendums den Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union unterstützen, Die Unterstützung für einen NATO-Beitritt hat den höchsten Stand in der Geschichte der Ukraine erreicht: 86 % würden dies in einem Referendum befürworten. Der von Russland entfesselte Krieg hat die Ukrainer gezwungen, ihre politischen Ansichten und Präferenzen zu überdenken und die westeuropäische und euro-atlantische Ausrichtung der Ukraine bestätigt. Gleichzeitig ist es vielen Ukrainern bewusst, dass dies ein langer Transformationsprozess ist, der viel Zeit in Anspruch nehmen kann und wird. Nichtsdestotrotz ist das positive Signal der EU an die Ukraine im Kampf um Demokratie, Freiheit und Gleichheit ein sehr motivierender Faktor.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit dem Spruch „Ohne euch“[2] eine Meinung geäußert, die von vielen Ukrainern unterstützt wird. Dieser Slogan, der  zu einem Symbol der Solidarität und des Widerstands gegen die russische Besatzung geworden ist, bringt  zum Ausdruck, dass die Ukrainer bereit sind, die wegen der Zerstörung der Infrastruktur entstehende Schwierigkeiten in der Energieversorgung in Kauf zu nehmen, denn „Kälte, Hunger, Dunkelheit und Durst sind nicht so schrecklich und tödlich wie russische ‚Freundschaft und Brüderlichkeit!‘“[3].

Gleichzeitig hat auf internationaler Ebene das Interesse an der ukrainischen Kultur und Geschichte zugenommen. Schlüsselereignisse werden neu interpretiert. Der Deutsche Bundestag hat in einer Resolution den Holodomor der Jahre 1932-1933 in der sowjetischen Ukraine als Völkermord anerkannt. Insgesamt wird die Ukraine stärker als zuvor als unabhängiger europäischer Staat erkannt und als politisches Subjekt wahrgenommen.

Kulturelle und sprachliche Fronten                   

Kultureller Widerstand in Zeiten des russischen Angriffskrieges hat in erster Linie mit der Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, Geschichte und Kultur zu tun.

In dieser Transformation findet ein breiter öffentlicher und medialer Diskurs statt. Der russische Angriff hat im Bewusstsein der Ukrainer einen großen Wandel verursacht, der in der Distanzierung von allen Verbindungen zu Russland seinen Ausdruck findet. Um die Rolle Russlands in der Geschichte der Ukraine zu reflektieren, orientieren sich die Menschen an den eigenen Kriegserlebnissen und traumatischen Erfahrungen und weniger an den Darstellungen in Geschichtsbüchern und Medien. Sowohl 2014 als auch 2022 begründete Russland seine Invasionen mit der Verteidigung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine. Infolgedessen wechseln viele Ukrainer, die bislang Russisch sprachen, allmählich zum Ukrainischen.

In Interviews, die 2023 an der Universität Gießen im Rahmen des Projekts „Sprachliche Biografien von Kriegsmigranten aus der Ukraine“ geführt wurden, bezeugen ukrainische Flüchtlinge aus Mariupol, Saporischschja, Tschernihiw, Kyiw und Cherson, dass sie begonnen haben, im Alltag zunehmend Ukrainisch zu sprechen. Die Ereignisse des Jahres 2014 waren für viele der Auslöser zum Sprachenwechsel, aber die russische Invasion im Februar 2022 hatte eine noch größere Wirkung. Ähnliche Ergebnisse zeigt auch die aktuelle Studie zur sprachlichen Situation ukrainischer geflüchteter Familien mit Kindern in Deutschland, die an der Universität Koblenz und der Stiftung Universität Hildesheim durchgeführt wurde.

Die Befragten bezeichnen die russische Sprache häufig als Sprache der Aggression, als Sprache des Feindes, als Sprache der Vereinheitlichung, während das Ukrainische als die Sprache der Freiheit und der Solidarität gesehen wird.

Diese Tendenz wird auch in den Daten der ukrainischen soziologischen Befragungen nachgewiesen: Im Jahr 2022 hat der Gebrauch der ukrainischen Sprache deutlich zugenommen: 62 % sprechen zu Hause in der Familie nur oder überwiegend Ukrainisch, 68 % am Arbeitsplatz sowie in der Schule und 52 % nutzen es im Internet. Selbst mitten im Krieg hilft beispielsweise die ehrenamtliche Initiative Jedynі („Vereinigte“) den russischsprachigen Ukrainern durch Unterricht und Konversationsclubs, um das Ukrainische immer mehr in ihrem Alltag verwenden zu können. Bislang nahmen mehr als 67.000 Bürger an diesem Online-Unterricht teil.

Eine weitere Entwicklung im kulturellen Bereich stellt die zunehmende Auseinandersetzung der Ukrainer mit ihrem „kulturellen“ Erbe aus den Zeiten der Sowjetunion dar. Besonders heftig wird die Frage diskutiert, ob die in der sowjetischen Zeit zu Ehren russischer Kulturschaffender und auch Generälen vergebenen Straßennamen und errichteten Denkmäler vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse zum visuellen Bild der Städte gehören sollte. So stellen die Ukrainer fest, dass beispielsweise Alexander Puschkin – der bekannteste russische Dichter des 19. Jahrhunderts – sowie viele andere Personen, die mit Denkmälern gewürdigt worden sind, als Akteure des russischen Imperialismus und der Sowjetunion gesehen werden und häufig gar keinen Bezug zur Ukraine und oft sogar eine sehr herabwürdigende Auffassung von der Ukraine hatten. Sehr viele dieser Persönlichkeiten, so etwa Puschkin, haben sich nie an den Orten aufgehalten, in denen ihre Denkmäler platziert waren. Heute werden solche Denkmäler als Zeichen der russischen Unterdrückung und des sowjetischen Imperialismus gesehen. Zu betonen ist, dass solche Aktionen auf der Ebene der Gemeinden diskutiert und verabschiedet werden. So fand beispielsweise in Odesa unter den Einwohnern eine Abstimmung über das Denkmal von Katharina der Großen (die bei der Zerstörung des ukrainischen Kosakentums mitwirkte) statt, bei der die Mehrheit sich für eine Verlagerung des Denkmals in Odesas Kunstmuseum entschieden hat.

Die Zivilgesellschaft unterstützt mit zahlreichen Spendenaktionen die ukrainischen Streitkräfte. Eine der Aktionen bezieht sich auf die Sammlung von russischer Literatur, die zu Hause nicht mehr gebraucht wird und die mit dem russischen Imperialismus, der sowjetischen Russifizierungspolitik und der aktuellen russischen Propaganda verbunden ist, für die Altpapiersammlung. Der Erlös kommt den Streitkräften und der Zivilbevölkerung zugute.

Anschauliche Beispiele für den Kampf an der Informationsfront finden sich auch in der Mode und in der Populärkultur: Ukrainer, insbesondere die jüngere Generation, erstellen und betrachten täglich zahlreiche Memes, die die russische Propaganda ins Lächerliche ziehen und als Mittel der Verarbeitung vom bedrückenden Alltag dienen. Auch die ukrainische Stand-Up Comedy erlebt  ihren Aufschwung: Der Humor in der Ukraine hilft dabei, dem alltäglichen Horror zu entkommen. Der Sieg des ukrainischen Liedes „Stefania” von Kalush Orchestra beim Eurovision Song Contest 2022 unterstreicht auch den Aufschwung der Musikindustrie in der Ukraine, die sich der „russischen Welt“ widersetzt und die Solidarität und Einheit der Ukrainer stärkt.

Trotz der erheblichen materiellen Schäden, welche die russischen Angriffe an der kulturellen Infrastruktur der Ukraine – Universitäten, Archive, Schulen, Kindergärten, Bibliotheken – angerichtet haben, ist das kulturelle Leben nicht zum Erliegen gekommen. Die Schulen und Universitäten setzen ihre Bildungsarbeit in verschiedenen Formaten, oft sogar in Luftschutzbunkern fort.  Im Jahr 2022 wurden zahlreiche Anthologien veröffentlicht, in denen ukrainische Schriftsteller und Kulturschaffende darüber nachdenken, wie der Krieg das Alltagsleben der Ukrainer verändert hat, unter anderem die Anthologie „Війна 2022: щоденники, есеї, поезія“ („Krieg 2022: Tagebücher, Essays und Poesie“). Diese enthält Reflexionen und Überlegungen von Persönlichkeiten der zeitgenössischen ukrainischen Kultur wie z. B. Serhiy Zhadan, Mariana Savka, Yuriy Andrukhovych, der 2022 den Heine-Preis erhalten hat, und vielen anderen. Der Herausgeber der Anthologie, Volodymyr Rafeyenko, ein Prosaautor, der aus dem Donbass geflüchtet ist, beschloss aufgrund der russischen Aggression zum Ukrainischen zu wechseln und seine Bücher ausschließlich in ukrainischer Sprache zu schreiben. Anthologien mit Texten ukrainischer Schriftsteller auch in Zusammenarbeit mit Autoren aus anderen Ländern, wurden in englischer und deutscher Sprache veröffentlicht und transportieren so ukrainische Stimmen in die internationale Gemeinschaft: „Voices of Freedom“, „Nachdenken über die Ukraine“, „Alles ist teurer als Ukrainisches Leben“, „Wörter im Krieg“ werden hier als Beispiele genannt.

Der ukrainische Schriftsteller, Dichter und Musiker Serhij Zhadan, dessen übersetzte Werke sowie literarische und musikalische Performances dem deutschen Publikum gut bekannt sind, ist zu einer führenden Persönlichkeit der Freiwilligenbewegung in Charkiw geworden. Seine Beiträge in den sozialen Medien sind für Tausende seiner Leser und Follower in den sozialen Medien zu einer täglichen Dosis Optimismus geworden. Insbesondere der traditionelle Schluss seiner Posts hat sich zu einer Art Slogan für den ukrainischen Kampf entwickelt: „Morgen werden wir aufwachen und unserem Sieg einen Tag näher sein.“ Dank der Initiative deutscher Partner wurden Zhadans zunächst in den sozialen Netzwerken publizierten Texte in seinem BuchHimmel über Charkiw“ veröffentlicht. Die Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse wurde durch die Ausstellung von Plakaten junger ukrainischer Illustratoren zur Kriegsthematik eingerahmt, von denen viele in der KunstanthologieBilder gegen Krieg“ versammelt werden. „Himmel über Charkiw“ wurde außerdem mit demFriedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022 ausgezeichnet.

Viele ukrainische Kulturschaffende kämpfen nicht nur an der künstlerischen und ideologischen Front, sondern stehen auch wörtlich an der Seite der ukrainischen Streitkräfte. Gleichzeitig nehmen viele Ukrainer das kulturelle postsowjetische Erbe immer kritischer in den Blick. So wurde die Ausstrahlung des bekannten ukrainischen Liedes „Tschervona ruta“ durch eine ukrainischstämmige Sängerin auf dem Fernseh-Silvesterkonzert in Moskau, während gleichzeitig russische Raketen auf die Ukraine fielen, scharf kritisiert. Der Autor des Liedes, Wolodymyr Iwasjyuk, der sich weigerte, in russischer Sprache zu schreiben und  der sowjetischen Propaganda anzuschließen, wurde 1979 unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Die Bestattung des Komponisten wurde damals zu einer Demonstration gegen die ukrainefeindliche Politik des sowjetischen Regimes. Die Performanz, die hier stellvertretend für viele ähnliche Aktionen steht, soll die Offenheit gegenüber der ukrainischen Sprache und Kultur signalisieren. Aus der Perspektive des Postkolonialismus betrachtet, handelt es sich dabei um eine kulturelle Aneignung. Solche Praktiken sind durch das Herausreißen eines Elements aus seinem historischen und kulturellen Kontext, die Verzerrung seiner symbolischen Bedeutung und eine mechanische Übertragung in einen neuen Kontext gekennzeichnet und typisch für Kolonialmächte.

Die geistige Front: Wie die Ukrainer der russischen Kirche den Rücken kehren

Wie in vielen anderen demokratischen Ländern Europas und der Welt besagt die Verfassung der Ukraine, dass Religion und Staat voneinander unabhängig sind. Anders als z.B. in Deutschland wird die Kirche nicht über eine Kirchensteuer, die über den Staat erhoben wird, sondern durch Spenden und Kollekten finanziert. Neben dem römischen und griechischen Katholizismus, dem Protestantismus, dem Islam (der beispielsweise von der Mehrheit der Krimtataren praktiziert wird) und anderen Religionen spielt der orthodoxe Glauben eine wichtige Rolle, der auf die Übernahme des orthodoxen Christentums durchdie Kyjiwer Rus‘ von Byzanz 988 zurückgeht. Die Frage nach der unabhängigen ukrainischen orthodoxen Kirche und das Streben nach Autokephalie (Unabhängigkeit) begleitete die Ukrainer im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte. Seit 2019 gibt es eine unabhängige orthodoxe ukrainische Kirche: die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kyjiwer Patriarchats.

Gleichzeitig gibt es in der Ukraine weiterhin die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, die strukturell und finanziell der russischen orthodoxen Kirche untergeordnet ist. Bereits im russländischen Imperium im 18. bis 19. Jahrhundert diente eine enge Kooperation mit der orthodoxen Kirche der Legitimierung und Stabilität des Staates insgesamt.

Putin und seine Regierung intensivierten die Beziehung zwischen Staat und Kirche. Die orthodoxe Religion ist in Russland eine der Säulen der „russischen Welt“, wie aus offiziellen Dokumenten der Russischen Föderation hervorgeht, insbesondere aus der Nationalen Sicherheitsstrategie der Russischen Föderation (vom 2. Juli 2021) und dem Konzept der humanitären Politik der Russischen Föderation im Ausland (vom 5. September 2022). So unterstützten die Priester dieser Kirche die Annexion der Krim und die Besetzung der östlichen Gebiete der Ukraine. Auch im Jahr 2023 leugnen sie weiterhin das Recht der Ukraine auf eine souveräne Staatlichkeit und rechtfertigen die russische Aggression. Es gibt entsprechende Filmaufnahmen, die auch medial bereits verbreitet wurden.

Währenddessen erklärt die Kremlführung ihre Absicht, die Ukraine zu „de-satanisieren“ Dies ist der Versuch, um ihr brutales Vorgehen auch religiös zu legitimieren. Entsprechende Aussagen mancher Priester haben sowohl die Gemeindemitglieder als auch die Strafverfolgungsbehörden dazu gebracht, diese genauer unter die Lupe zu nehmen.Bei der Spionageabwehr in den Kirchen des Moskauer Patriarchats, die nach wie vor eines der Sprachrohre des Kremls ist, fand der ukrainische Sicherheitsdienst zahlreiche verfassungswidrige und anti-ukrainische Propagandamaterialien über das „dreieinige Volk“, die „Wiedergeburt von Mütterchen Russland“, fremdenfeindliche Bücher „für diejenigen, die Russland lieben“, Chevrons illegaler bewaffneter Gruppen, Auszeichnungen und Abzeichen der Russischen Föderation, Pässe föderaler Berater der Russischen Föderation, Fahnen von „Noworossia“, usw. Im Bewusstsein des schädlichen Einflusses einer solchen Kirche und ihrer Politik äußern Gemeindemitglieder selbst den Wunsch, zur Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Kyjiwer Patriarchats überzutreten. In manchen Orten haben  ganze Gemeinden der Unterordnung unter das Moskauer Patriarchat verweigert.

In den bereits erwähnten Interviews beschreiben die Flüchtlinge aus der Ukraine auch die Rolle der Kirchen des Moskauer Patriarchats im Krieg. So weisen Flüchtlinge aus Mariupol, die mehrere Monate unter russischer Besatzung verbracht haben und nun in einem Ort bei Gießen leben, darauf hin, dass die Kirchen des Moskauer Patriarchats geschlossen waren und der ukrainischen Zivilbevölkerung keinen Schutz boten, sondern ihre Türen für die russischen Militärbesatzer öffneten.

Schon seit einigen Jahren gibt es in der Ukraine Diskussionen, Weihnachten nicht mehr nach dem Julianischen Kalender am 7. Januar, sondern nach dem Gregorianischen Kalender am 25. Dezember zu feiern. So stieg im Jahr 2022die Zahl derjenigen, die diese Idee unterstützen, von 26 % auf 44 % an. Unter Berücksichtigung zahlreicher Anfragen von Gläubigen kündigte die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche an, dass sie ab dem 1. September 2023 einen neuen Kalender einführen werde, demzufolge Weihnachten am 25. Dezember gefeiert werden soll. Auf diese Weise distanzieren sich die Ukrainer von der orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, die einen umfassenden Krieg gegen die Ukraine rechtfertigt, die russische Soldaten für den Angriffskrieg gegen die Ukraine segnet, was in den Medien gezeigt wird.

Die Inspektionen der Kirchen des Moskauer Patriarchats stellen kein Verbot von Religion oder deren Ausübung dar, denn die Priester sind gleichzeitig Bürger der Ukraine und genießen keine Sonderrechte in der Ukraine. Diese Untersuchungen haben jedoch enge Verbindungen zwischen der Kirche und dem benachbarten Aggressorstaat und dementsprechende Versuche der politischen Einflussnahme auf die Gläubigen aufgedeckt.

Fazit: Nach einem Jahr des umfassenden Krieges hat die Ukraine nicht nur dem Aggressor standgehalten, sondern sich zum Symbol des Mutes und der Entschlossenheit im Kampf für die Freiheit und Demokratie im eigenen Land, in Europa und in der Welt entwickelt.

 

Literatur:

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Bilder gegen Krieg (2022). Schaltzeit Verlag.

Forche, C., Kaminsky, I. (Hrsg.) (2023). In the Hour of War: Poetry from Ukraine. Arrowsmith Press.

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Konarzewska, A., Schahadat, Sch., Weller, N. (Hrsg.) (2022). „Alles ist teurer als Ukrainisches Leben“ – Texte über Westsplaining und den Krieg. Edition.foto.TAPETA Berlin

Zhadan, S. (2022). Himmel über Kharkiv. Nachrichten vom Überleben im Krieg. Suhrkamp.

Slyvynsky, O. (2023). Wörter im Krieg. Edition.foto.TAPETA Berlin

 

Dr. Nadiya Kiss ist Soziolinguistin und Slawistin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf Sprachpolitik und nationalen Minderheiten in der heutigen Ukraine.

Dr. Dariia Orobschuk ist Sprachwissenschaftlerin und Didaktikerin mit dem Schwerpunkt Deutsch als Fremdsprache an der Stiftung Universität Hildesheim.

Dr. Liudmyla Pidkuimukha ist Soziolinguistin und Postdoktorandin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Sprachpolitik und Sprachideologien in der Ukraine und Russland.

Dr. Lesya Skintey ist Sprachwissenschaftlerin/Germanistin und als Postdoktorandin am Institut für Germanistik der Universität Koblenz-Landau tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Mehrsprachigkeit, Sprachbildung und Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.


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daycom.com.ua/pid-chas-vijny-rejtynh-zelenskoho-znachno-zris-ale-bilshist-ukraintsiv-doviriaiut-svoim-zsu/

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edition.cnn.com/2022/09/12/europe/zelensky-message-kharkiv-russia-ukraine-intl/index.html

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tsn.ua/ato/chim-putin-vidpovist-na-ganebnu-porazku-na-fronti-golovni-scenariyi-rozvitku-viyni-2155855.html

Dr. Nikolay Mitrokhin (Übersetzung: Tobias Haberkorn)

Wie aus jüngsten Interviews von den Teilnehmern und Organisatoren des „Minsker Abkommens“ auf den Seiten Deutschlands und Russlands im Jahr 2022 hervorgeht, begriffen seinerzeit alle Beteiligten, dass der nächste Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht zu vermeiden sei. Aber die Aufgabe Deutschlands bestand nach Auffassung von Angela Merkel darin, der Ukraine die Möglichkeit zu geben, sich auf neue Kämpfe vorzubereiten.

Alle Beteiligten der Verhandlungen, einschließlich der ukrainischen Regierung, gingen davon aus, dass der nächste Krieg um den Donbass geführt werden wird. Über die Aufgabe der Rettung der „russischen Bevölkerung“ im Donbass sprach Vladimir Putin in all seinen Reden mit Bezug auf die Ukraine und rechtgertigte damit einen neuen Krieg. Doch stellte sich dies als eine weitere seiner Lügen heraus. Mit Beginn des Krieges bestanden die Hauptaufgaben der russischen Verbände in der vollständigen Besetzung der Ukraine, der Beseitigung ihrer Staatlichkeit, ihrer Aufteilung in Regionen und deren weiterer Einverleibung in den Bestand der Russischen Föderation. Zur Erklärung sei angefügt, dass die Verbände sich nicht nur aus der regulären Armee zusammensetzen, sondern auch aus der Rosgwardija (Nationalgarde), militärischen Einheiten der DNR und der LNR (Donezker und Luhansker Volksrepubliken), privater Militärunternehmen (Söldner) und aus verschiedene Truppen von Kriegsfreiwilligen.

Ausgehend von der Logik des künftigen Kampfes um den Donbass würde sich mindestens die Hälfte der ukrainischen Armee an der langen ausgestreckten Grenze in Kontakt mit den russisch besetzten Gebieten im Donbass wiederfinden, wo schon vor langer Zeit  militärische Anlagen errichtet worden sind. Wichtig für die gesamte militärische Strategie der Ukraine war die Option „A“, das Halten der Konfliktlinie trotz der massiven Attacken der russischen Armee und der Einheiten der DNR und LNR. Doch existierte bei den ukrainischen Streitkräften auch die Vorstellung einer Option „B“ für den Fall, dass russische Truppen über die schwach verteidigten Grenzen von Russland und Belarus aus einfallen würden. Mobile Infanterieeinheiten, die mit schweren Panzerabwehrwaffen bewaffnet waren und die vor allem aus amerikanischer, ukrainischer und sowjetischer Produktion stammten, sollten sie in Wäldern und auf den Feldern zurückhalten und von den Flanken her attackieren. Schlussendlich hätten sie in den Außenbezirken der Großstädte gestoppt werden sollen. Dort hätte sich im Stadtgefüge die Infanterie auf die Unterstützung der Artillerie und gepanzerter Fahrzeuge verlassen müssen.

Es existierte auch ein Plan C, der auf dem Einsatz der im Herbst 2021 aus Veteranen des russisch-ukrainischen Krieges und patriotischen Aktivisten gebildeten „Territorialen Verteidigung“ beruhte. Sie sollten die Bereiche der Frontlinie decken, in welchen sich keine Einheiten der Armee befanden, feindliche Kolonnen von den aus Flanken attackieren und den Kampf im Untergrund der besetzten Gebiete organisieren.

In der Praxis trugen diese Strategien sowohl zu Erfolgen als auch Misserfolgen bei. Den ukrainischen Streitkräften gelang es nicht, einen Durchbruch der russischen Armee nördlich von Kyiw durch die Zone von Tschernobyl und den Durchstoß der Verteidigung an der Landenge der Krim vorherzusehen. Infolgedessen befanden sich innerhalb von zwei Tagen russische Truppen in den nördlichen und nordwestlichen Vororten Kyiws. Gleichzeitig besetzten sie große Territorien im Südosten des Landes  und überquerten den Fluss Dnjepr am rechten Ufer. Dort nahmen sie sofort das regionale Gebietszentrum Cherson ein, schlossen dabei fast das gesamte nächste Gebietszentrum Mikolajew hinter sich ein und brachten weiter noch die Verteidigungsanlagen im Süden der Donezker Front zum Zusammenbruch. Darüber hinaus gelang es den russischen Truppen, die Verteidigungsstellungen der ukrainischen Streitkräfte im Norden des Luhansker Gebietes zu zerstören und dieses in den folgenden vier Monaten, trotz des verzweifelten Wiederstandes der ukrainischen Truppen, vollständig einzunehmen. Damit ist aber die Liste der „Erfolgen“ erschöpft.

Die Liste der Misserfolge in der ersten Phase des Krieges ist viel länger. Die russische Armee scheiterte mit ihrem abenteuerlichen Plan, die Einnahme von zwei großen Flugplätzen westlich von Kyiw zu erreichen, um sie für den Zugang von Luftlandeverbindungen zu nutzen und als nächstes Kyiw zu attackieren. Die dafür vorgesehene Hubschrauberlandeeinheit war faktisch vollständig aufgerieben worden. Alle dafür prädestinierten Gruppen waren eingekesselt worden und konnten sich nur auf zwei schmalen Straßen durch dichtbewachsene Wälder und Sümpfe bewegen. Im Ergebnis wurden sie im Norden und Nordwesten Kyiws in den Ballungsräumen der Städte um Irpen (einschließlich Butscha) blockiert, wo sie große Verluste erlitten.

In analoger Weise belagerten große russische Verbände zentrale Städte der Regionen wie Tschernihiw (im Norden), Charkiw (im Nordosten) und Mikolajew (im Süden), konnten diese aber nicht einnehmen. Die russischen Panzerkolonnen erlitten auf dem Marsch und bei ungeschickten Angriffsversuchen große Verluste. Im Ergebnis war schon im Verlauf eines Monats nach dem Beginn der Kampfhandlungen deutlich geworden, dass das russische Militär die Versorgung seiner Truppen im gesamten Norden des Landes nicht gewährleisten konnte. Unter den Bedingungen der einsetzenden Schlammperiode des Frühlings und des ständigen Beschusses von den Flanken her, war es ihnen einfach nicht möglich, genügend Treibstoff, Munition und Lebensmittel an die vorderste Front zu bringen. Infolgedessen war Russland Ende März 2022 gezwungen, seine Truppen aus vier nördlichen Regionen - Schytomy, Kyiw, Tschernihiw und Sumy - abzuziehen. Den ukrainischen Streitkräften gelang es, das russische Militär von solch wichtigen Städten wie Krywyj Rih, Mikolajew und Charkiw zurückzudrängen, die russische Offensive am rechten Ufer des Dnejpr zu vereiteln und den Feind aus den Vororten der zweitgrößten Stadt des Landes zu vertreiben.

Hauptgründe für die Niederlage der Russischen Föderation in der ersten Phase und im gesamten Krieg waren die Unterschätzung des Kampfgeistes der ukrainischen Armee, ihrer Staatsmänner und der Gesellschaft, das Niveau der Bewaffnung und der Grad der Mobilisierung der ukrainischen Streitkräfte. Weitere Gründe sind in einer abenteuerlichen Angriffstaktik unter den Bedingungen eines klaren Mangels an Truppen und in dem Versäumnis ihre Versorgung und Logistik bei sich verändernden Gegebenheiten sicherzustellen, zu sehen. Einfacher ausgedrückt: Es war das Kalkül, den Feind in einem großen „Vorstoß“ zu demoralisieren, doch als das nicht gelang und die Ukraine aktiven Widerstand leistete, hatte die russische Armee keinen Plan B. 

Die zweite Phase des Feldzugs begann mit der Verlegung der russischen Truppen in den Nordosten der Ukraine. Nachdem der Plan einer schnellen Besatzung der gesamten Ukraine aufgegeben wurde, befahl die Führung der Russischen Föderation eine  stärkere Konzentration auf den  Donbass. Die Idee bestand darin, dass man von Osten des Oblast Charkiw her im Süden den Raum der Städte Kramartorsk und Slawjansk im Westen des Oblast Donezk unter Kontrolle bringen und die gesamten Truppen der ukrainischen Streitkräfte im Donbass zum Landesinneren hin abtrennen wollte. Im Verlauf von April und Mai 2022 wurden die russischen Truppen von ehemaligen „Kolonnen“ zu einer vollwertigen Kampffront. Durch die zahlenmäßige Überlegenheit und den aktiven Einsatz zahlreicher Artilleriegeschütze und schwerer Mörser, gelang es den russischen Streitkräften nach schweren Gefechten, das strategisch wichtige Dreieck zwischen den Oblasten Charkiw Luhansk und Donezk mit den wichtigen Städten Isjum und Liman zu besetzen. Dadurch war es ihnen möglich, die letzte Verteidigungslinie der ukrainischen Armee im Westen des Oblast Luhansk den Ballungsraum um Sewerodonezk und Lisitschansk einzunehmen. Nach drei Monaten ununterbrochener Kämpfe ergab sich die Garnison von Mariupol in Gefangenschaft. Dies war eine wichtige Hochburg der ukrainischen Streitkräfte an der Küste des Asowschen Meeres, in dem seit Beginn des Überfalls eine große russische Streitmacht zusammengezogen worden war. Das ermöglichte dem russischen Militär, starke Verteidigungslinien südlich des regionalen Zentrums von Saporischschja am linken Ufer des Dnjepr anzulegen.

Insgesamt jedoch war der Plan gescheitert. Den russischen Streitkräften gelang es nicht, das hügelige Gelände zwischen Isjum und Slawjansk zu überwinden sowie den Fluss Sewerskij Donez, der die Nordflanke Donezk-Gruppierung der ukrainischen Armee darstellte, zu überqueren. Von Juli 2022 an setzten die ukrainischen Streitkräfte aktiv einen neuen Waffentyp ein, die HIMARS-Raketenwerfer. Sie ermöglichten ihnen die Zerstörung von mindestens 20 großen Munitionslagern und Kommandostandorten der Russen im Donbass und im Süden der Ukraine. Die russische Armee erlitt in der zweiten Phase kolossale Verluste an Menschen und Material und geriet zeitgleich in einem Personal- und Munitionsmangel.

Die dritte Phase des Krieges begann Ende August 2022, als die ukrainischen Streitkräfte drei Überraschungsoffensiven in den Regionen Charkiw (in Richtung Isjum), Donezk (Liman) und Cherson durchführten. Infolge plötzlicher Durchbrüche von Gruppen mobiler Infanterie in Form von Jeeps und Schützenpanzern durch Stellungen der russischen Armee, nicht an den Hauptfrontlinien, gelang es den ukrainischen Streitkräften, hinter die motorisierten russischen Einheiten zu kommen und eine Bedrohung ihrer vollständigen Einkesselung zu erreichen. Im Ergebnis mussten die Russen dringend den Rückzug antreten und ca. 500 Gerätschaften schwerer Militärtechnik, beschädigt oder ohne Treibstoff, zurücklassen.

Der Feldzug endete mit der Entscheidung der russischen Führung, die Truppen vom rechten Ufer des Dnjepr abzuziehen und  die regionale Hauptstadt Cherson sowie  die westliche Hälfte des Oblasts Cherson zu verlassen, das die Russische Föderation sich auf der Grundlage eines Pseudo-Referendums in ihren Staat sich einverleibt hatte. Der Grund für den Rückzug war die Unmöglichkeit, die Truppen und die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten wirksam zu versorgen. Die Dnjepr-Übergänge wurden oft von den HIMARS-Systemen der ukrainischen Streitkräfte beschossen, die nach der September-Offensive der ukrainischen Armee begannen, im Norden den rechten Teil des Chersoner Ufers zu beschießen.

Die Gründe für die militärischen Erfolge der Ukrainer lagen in erster Line in den Fehlern der russischen politischen Führung. Anfangs wurden russische Militäreinheiten an das rechte Ufer des Dnjepr geschickt, jedoch nicht in ausreichender Zahl, um die Einnahme von Großstädten wie Mikolajew, Krywyj Rih und vor allem von Odessa, das eigentliche Ziel der Offensive im Süden, erreichen zu können. Als später die russische Armee entlang der gesamten Front große Verluste erlitt und die Soldaten in einen Hinterhalt fielen, weigerten diese sich, an die Front zurückzukehren. Dies verlangsamte die Mobilisierung erheblich.

Anstelle einer unpopulären Mobilisierung in der Bevölkerung versuchte das Putin-Regime, das Problem des Mangels an Kräften durch die Schaffung verschiedener Ersatzvereinigungen zu lösen. Die Maßnahmen reichten dabei über Freiwilligenbataillone, die von regionalen Behörden gebildet wurden, bis hin zu Gefangenen in Straflagern, die seit Juni von Jewgeni Prigoschin, dem Leiter des privaten Militärunternehmens „Wagner“, rekrutiert wurden. Jedoch reichte dies eindeutig nicht aus. Die ukrainischen Streitkräfte konnten die sich ihnen bietende Chance nutzen und die russischen Truppen überrennen. Dadurch konnte der gesamte östliche Teil der Region Charkiw, die westliche Hälfte der Region Cherson und der nördliche Teil der Region Donezk befreit werden.

Während der vierten Phase des Krieges - von November bis zum Februar - kam die Front jedoch erneut zum Stillstand. Das Resultat der Mobilisierung war, dass die russische Armee an der Frontlinie die „Löcher stopfen“ konnte. Es stellte sich heraus, dass die ukrainische Armee nicht darauf vorbereitet war, die befestigten russischen Infanteriestellungen zu durchbrechen, die von der Artillerie unterstützt wurde. Für diese Aktionen standen nicht genug gepanzerte Fahrzeuge und Artilleriegeschosse zur Verfügung. Darüberhinaus ist es den russischen Streitkräften, insbesondere den „Wagner“ Truppen gelungen, die Initiative an der Front zu ergreifen und die Offensive im zentralen Abschnitt – in den Gebieten um Bachmut-Soledar - anzuführen. Soledar ist Anfang Januar 2023 besetzt worden, Bachmut wurde von den ukrainischen Streitkräften zum Ende Mai 2023 größtenteils verlassen.

Insgesamt kann auf Sicht eines Jahres erwartet werden, dass sich die Ressourcen auf beiden Seiten endgültig erschöpfen und eine vollständige Stabilisierung der Front eintritt. In der geplanten Offensive der ukrainischen Streitkräfte könnten sie für sich die südöstlichen Teile des Landes (die Hälfte der Oblaste Donezk, Saporischschja und Cherson) zurückerobern oder den Ballungsraum um Lisitschansk und Sewerodonezk befreien. Die russischen Streitkräfte könnten im Gegenzug einige Gebiete im Donbass besetzen oder versuchen, sich der Stadt Saporischschja zu nähern und diese zu stürmen. Aber im Prinzip wird dies die Situation nicht ändern. Die Ukraine verfügt nicht über ausreichende Mittel und Kräfte für eine vollständige Befreiung des Landes, einschließlich des Donbass und der Krim. Die westliche Hilfe gleicht zwar ihre Verluste aus, ändert aber nichts an der Gesamtsituation. Russland besitzt erst recht nicht die Kraft, die Ukraine in die Knie zu zwingen. Höchstwahrscheinlich wird es in einem Waffenstillstand, im Hintergrund der Frontlinie, die durch den Donbass und den Südosten des Landes verläuft, enden.

 

Dr. Nikolay Mitrokhin: Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen

Übersetzung: Tobias Haberkorn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaften der Justus-Liebig-Universität Gießen

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Zusammenstellung und Bearbeitung: Tobias Haberkorn, Doktorand am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Justus-Liebig-Universität Gießen / Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaft

1.    Medienbeiträge (Gespräche, Interviews, Diskussionen usw.) zum Thema „Russlands Krieg gegen die Ukraine“ aus der Sammlung der Zeitschrift „Osteuropa“
https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/themenschwerpunkt/russlands-krieg-gegen-die-ukraine-medienbeitraege-10/

2.    Dossier „Krieg in der Ukraine – Hintergründe“ auf dem journalistischen Portal Dekoder
https://www.dekoder.org/de/dossier/krieg-russland-ukraine-hintergruende

3.    Beiträge zum Ukraine-Krieg aus russischen, ukrainischen, belarussischen, deutschen und englischen Medien auf dem journalistischen Portal Dekoder
https://www.dekoder.org/de/article/krieg-ukraine-aktuelle-leseempfehlungen 

4.    Plattform: Visual History. Themendossier “Bilder des Krieges in der Ukraine“ 
https://visual-history.de/2022/04/06/themendossier-bilder-des-krieges-in-der-ukraine/ 

5.    Journalistische Plattform Krautreporter: Russische Propaganda, verständlich erklärt
https://krautreporter.de/4463-russische-propaganda-verstandlich-erklart?utm_campaign=pocket-visitor 

6.    Onlinezeitschrift über die Ukraine „Katapult Ukraine“ mit anschaulichen Statistiken 
https://katapult-ukraine.com/ 

7.    „Arte Tracks east“ – YouTube Kanal mit Videos und Erklärungen zum Ukraine-Krieg, russischer Propaganda, Nationalismen im postsowjetischen Raum u.a  
https://www.youtube.com/playlist?list=PLFGSMmY3wd5LUB3hL8Xz1-VzYpA5VuNaP 

8.    Videos zur Analyse des Schlachtenverlaufs und der Frontbewegungen im Ukrainekrieg von der österreichischen Militärakademie 
https://youtube.com/playlist?list=PL6Udnt8OH5-tuFBuYigic6mYE6_TfCqV7

9.    Videos und Dokumentation von ARTE zum Thema "Krieg in der Ukraine""
https://www.arte.tv/de/videos/RC-016979/krieg-in-der-ukraine/ 

10.    Neustes militärisches Geschehen im Ukraine-Krieg präsentiert auf zeitlich und räumlich interaktiven Karten der NZZ
https://www.nzz.ch/international/krieg-in-der-ukraine-die-neusten-entwicklungen-ld.1613540 

11.    ostBLOG-Spezial – Blog des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung mit Hintergründen zu Russlands Angriff auf die Ukraine
https://ukraine2022.ios-regensburg.de/

12.    „Koro de Eŭropo Ukraina“ – Blog von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Gießener Zentrums östliches Europa (GiZo) an der Justus-Liebig-Universität Gießen über weniger bekannte Aspekte der ukrainischen Geschichte
https://koroeuropaua.hypotheses.org/

13.    Veranstaltungshinweise zu Seminaren, Konferenzen, Vorlesungen u.a. in Bezug auf den Ukraine-Krieg und Osteuropa am Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin
https://www.zois-berlin.de/mediathek/veranstaltungsmitschnitte 

14.    Wissenschaftspodcast des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin 
https://www.zois-berlin.de/podcast-roundtable-osteuropa 

15.    LÄNDER-ANALYSEN: der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen zu der Ukraine, Russland, Polen u.a.
https://www.laender-analysen.de/ 

16.    Internetplattform zum Ukrainekrieg und seinen Auswirkungen auf die internationale Politik der Bundeszentrale für Politische Bildung
https://www.bpb.de/themen/europa/krieg-in-der-ukraine/508719/das-gesamte-bild/ 

17.    Politikjournalistische Internetplattform zum Ukraine-Krieg des Zentrums Liberale Moderne 
https://ukraineverstehen.de/ 

Zusammenstellung und Bearbeitung: Tobias Haberkorn, Doktorand am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Justus-Liebig-Universität Gießen / Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Erziehungswissenschaft