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Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Stadtallendorf

 

 

1994 gegründet, ist das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Stadtallendorf die erste und älteste Gedenkstätte in Deutschland über Zwangsarbeit. Als Einrichtung der politischen Bildung erinnert das DIZ an die Ausbeutung von ca. 17.500-20.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus etwa 20 Nationen in den 1938/39 errichteten Sprengstoff- und Munitionsfabriken Allendorf der DAG und WASAG. Die seinerzeit größten Sprengstoffwerke Europas wurden nach 1945 zu einer Industriestadt umgebaut. Das DIZ befindet sich im historischen, 1938/39 errichteten Verwaltungsgebäude der DAG. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert das DIZ seit 2022 als „Nationales Projekt des Städtebaus“.

Zur Geschichte

Allendorf

Allendorf war bis 1938 ein malerisches, beschauliches Dorf in Oberhessen, weitab von der Hektik der Großstädte. Fachwerkbauten in fränkischer Bauweise dominierten bis zum Ende der Weimarer Republik das Bild.

Die Barockkirche St. Katharina bildete nicht nur von ihrer Lage her das dörfliche Zentrum. Sie war der bestimmende Mittelpunkt für das Leben der mehrheitlich katholischen Einwohner und hatte großen Anteil an dem intakten Sozialmilieu. Haupterwerbsquelle war die Landwirtschaft. Zahlreiche Familien verfügten jedoch nur über geringe Ackerflächen. Deshalb waren viele Allendorfer auf zusätzliche Erwerbsquellen angewiesen. Da keine größeren Industriezweige im hiesigen Raum vorhanden waren, mußten einige Allendorfer zusätzlich als saisonale Arbeitskräfte in anderen Regionen, insbesondere in Westfalen, arbeiten.

Sprengstoffwerke

Im Rahmen der allgemeinen Aufrüstung errichteten die Dynamit Nobel AG (DAG) und die Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG (WASAG) 1938/1939 im Herrenwald bei Allendorf zwei Sprengstoffbetriebe. Ausschlaggebend für die Wahl des Standortes bei Allendorf waren die guten Tarnungsmöglichkeiten, ausreichende Wasservorkommen, genügend Arbeitskräfte, Verkehrsanbindung und ein Gelände zur Anlage von Bunkern.

Auf einer Gesamtfläche von ca. 1.000 ha entstanden 650 Betonbauten. Die Werke bestanden aus Produktions-, Säure-, und Verarbeitungsbetrieben, ebenso wie Versorgungsbetrieben. Die Allendorfer Werke produzierten und verfüllten bis 1945 unter anderem über 125.000 t TNT (Trinitrotoluol) und ca. 30.000 t weitere, unterschiedliche Sprengstoffe.

Zwangsarbeit

Tausende Arbeitskräfte wurden für den Bau und Betrieb der Sprengstoffwerke während des Krieges gebraucht. Dabei wurden 17.500 Menschen, Frauen wie Männer und sogar Kinder, aus über 20 Nationen zur Zwangsarbeit in die Allendorfer Werke verschleppt. Darunter waren 6.500 Kriegsgefangene, 600 Strafgefangene und 1000 KZ-Häftlinge.

Zivilarbeiter/innen aus Nord- und Westeuropa, Italien, Polen und der Sowjetunion Kriegsgefangene aus Frankreich und Serbien, Strafgefangene aus Polen, Belgien und Deutschland, sowie ungarische Jüdinnen lebten auf engstem Raum in Lagern in und um Allendorf.

Die Zwangsarbeiter/innen waren in 10 Lagern und 6 Siedlungen untergebracht. Vor allem die Holzbaracken der Lager waren eng belegt, boten kaum Schutz vor den Wetterverhältnissen und auch die hygienischen Verhältnisse waren dort meist katastrophal. Schwerstarbeit, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, Unterernährung und in einigen Fällen Misshandlungen bestimmten ihre tägliche Lebenssituation.

KZ-Außelager Münchmühle

Wegen des langen Kriegsverlaufs konnte der Arbeitskräftebedarf selbst durch den Einsatz von Zwangsarbeitern nicht mehr gedeckt werden. Anfang 1942 beschloss das NS-Regime, verstärkt auch Konzentrationslager-Häftlinge in der Rüstungsindustrie einzusetzen. Daher entstanden in der Nähe von Fabriken bald hunderte Außenkommandos der großen Konzentrationslager. Die Industrie zahlte für jeden Häftling eine Leihgebühr an das jeweilige Stamm- Konzentrationslager. Auch in den Allendorfer Werken wurden KZ-Häftlinge eingesetzt. Am 19. August 1944 trafen 1000 jüdische Ungarinnen aus Auschwitz im Lager Münchmühle bei Allendorf ein. Dieses Lager wurde von der SS verwaltet und überwacht. Als Außenlager war es dem Konzentrationslager Buchenwald angegliedert. Die Lagerführung wurde aus den SS-Wachmannschaften Buchenwalds rekrutiert. Die Frauen mussten in Allendorf täglich zwischen 8 und 12 Stunden, mit einer halbstündigen Pause, arbeiten. Für ihre Arbeit erhielten sie allerdings keinen Lohn. Sie wurden überwiegend in den Bombenfüllstellen eingesetzt, wo sie das giftige TNT verfüllen mussten. Oft mussten sie auch die bis zu 50 kg schweren Bomben selbst tragen.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg beschlagnahmten und demontierten die Alliierten die Werke, einige Gebäude wurden gesprengt. Die Lager dienten zunächst der Unterbringung von Displaced Persons (Personen, die infolge des Zweiten Weltkrieges aus ihrer Heimat durch direkte oder indirekte Folgen des Krieges vertrieben, verschleppt oder geflohen waren) und Kriegsgefangenen, später wurden sie von Vertriebenen und Flüchtlingen bewohnt.

Ab 1947 wurden Neuansiedlungen von Handwerks- und Industriebetrieben auf der Basis der vorhandenen Infrastruktur geplant. Das war der Beginn der Entwicklung Allendorfs zum bedeutendsten Industriestandort des Landkreises Marburg/Biedenkopf. Am 1.10.1960 erhielt Allendorf die Stadtrechte und wurde zur Stadt Stadtallendorf. Im Jahre 1988 wurde an der Stelle des ehemaligen Lagers Münchmühle eine Gedenkstätte eingerichtet. Die Anlage wurde 2020 saniert.

Angebote

Das DIZ verfügt über eine umfangreiche Dauerausstellung über Zwangsarbeit in den NS-Sprengstoffwerken Allendorf sowie über den Umbau dieses Werkes zu einer Industriestadt nach 1945 in der Bundesrepublik. Führungen durch das ehemalige Gelände des Sprengstoffwerkes im heutigen Stadtraum informieren über die Infrastruktur des damaligen Werkes und darüber, wie nach 1945 an dem Ort mit dem NS-Erbe umgegangen wurde. Ein eigenständiger Außenstandort des DIZ ist die Gedenkstätte KZ-Außenlager Münchmühle.

Detaillierte Informationen zu Führungsangeboten erhalten Sie auf der Homepage des DIZ Stadtallendorf.

Anschrift

DIZ Stadtallendorf

Aufbauplatz 4

35260 Stadtallendorf

Homepage und Social Media

www.diz-stadtallendorf.de

Öffnungszeiten

Dienstag bis Donnerstag:  9.30 bis 16.00 Uhr

Leitung

Dr. Jörg Probst

Träger

Stadt Stadtallendorf

Bahnhofstraße 2
35260 Stadtallendorf

Telefon: 06428 707-0
Fax: 06428 707-400
magistrat@stadtallendorf.de
https://www.stadtallendorf.de/

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