03. Februar 1949: 75. Jahrestag des Beschlusses des Parlamentarischen Rats, West-Berlin als zwölftes Bundesland ins Grundgesetz aufzunehmen
„Das Grundgesetz gilt grundsätzlich auch in Berlin; Berlin ist trotz des Vorbehalts der Besatzungsmächte ein Land der Bundesrepublik Deutschland.“ Warum dieser Satz aus Artikel 23 GG 1949 von besonderer politischer Brisanz war, mag sich heute nicht mehr jedem auf den ersten Blick erschließen. Die heutige Bundeshauptstadt Berlin wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von den vier Hauptalliierten analog zum gesamten deutschen Territorium in vier Sektoren geteilt. Gleiches geschah übrigens mit dem nun wieder von Deutschland getrennten Österreich nebst seiner Landeshauptstadt Wien. Berlins politischer Status war in den 50 Jahren des Bestehens der deutschen Teilung Gegenstand zahlreicher politischer Kontroversen im internationalen Kontext des „Kalten Krieges“. Obwohl der „Parlamentarische Rat“ am 03. Februar 1949 beschloss, West-Berlin als zwölftes Bundesland in den Geltungsbereich der im Entstehen begriffenen Bundesrepublik aufzunehmen, blieb der alliierte Sonderstatus über Berlin bis zur deutschen Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 erhalten. Welche Bedeutung hatte die Entscheidung des Parlamentarischen Rates vom 03. Februar? Welchen Einfluss hatte sie auf das Leben Berliner Bürgerinnen und Bürger? Und wie lässt sich die neuere Geschichte Berlins in das machtpolitische und ideologische Ringen zwischen USA und Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg einordnen?
Politische Ausgangsbedingungen
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die vier Hauptalliierten USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion mit der „Berliner Deklaration“ vom 05. Juni 1945 gemeinsam die Macht in Deutschland und teilten das deutsche Territorium entsprechend der „Londoner Zonenprotokolle“ in vier Besatzungszonen. Einen besonderen politischen Status erhielt im Zuge dessen die ehemalige Reichshauptstadt Berlin, territorial als Enklave in der sowjetischen Besatzungszone gelegen, die zur Viersektorenstadt wurde. Während der „Alliierte Kontrollrat“ mit Sitz in Berlin als oberstes Organ der gemeinsamen alliierten Besatzungsherrschaft fungierte, fiel die Verwaltungshoheit innerhalb der einzelnen Zonen an die jeweilige Besatzungsmacht, wobei Berlins Administration von allen vier Alliierten gemeinsam in der „Berliner Kommandantur“ organisiert wurde.
Ringen um die politische Zukunft (West-)Berlins: Währungsreform und Berlin-Blockade
Im Zusammenhang mit der zunehmenden ideologischen Entfremdung der weltpolitischen Führungsmächte USA und Sowjetunion 1947/1948 scheiterte mit ihrer gemeinsamen Deutschlandpolitik auch die gemeinsame Verwaltung Berlins. Sowohl die USA als auch die Sowjetunion versuchten, die Einbeziehung West-Berlins bzw. Gesamtberlins in ihren Einflussbereich zu erreichen. Der sowjetische Vertreter Sokolowskij verließ am 20. März 1948 den Alliierten Kontrollrat, nachdem die USA und Großbritannien die westlichen Nachbarländer Deutschlands auf der „Londoner Sechsmächtekonferenz“ im Frühjahr 1948 von der Gründung eines geeinten Weststaates zu überzeugen versuchten. Während die Administration der Westberliner Besatzungszonen in der Folge zunehmend zusammengeschlossen wurde – 1946 etwa eine westberliner Stadtverordnetenversammlung demokratisch gewählt wurde –, versuchte die sowjetische Militäradministration (SMAD), ab dem 1. April 1948 durch eine Blockade von Zufahrts- und Versorgungswegen nach West-Berlin Druck auf die Westalliierten auszuüben. Mit der sogenannten „kleinen Luftbrücke“ versorgten Briten und Amerikaner die westberliner Bevölkerung einige Tage lang durch Versorgungsflüge aus ihren Zonen heraus.
Die westzonale Währungsreform vom 20. Juni 1948 als zentrale Station der wirtschaftlichen Weichenstellung für einen künftigen westdeutschen Nachkriegsstaat kann als Ausgangspunkt der ersten Berlin-Krise gesehen werden. Kurz vor ihrer Ankündigung am 18. Juni hatte die Sowjetunion bereits die Arbeit in der „Berliner Kommandantur“ niedergelegt. Aus Angst vor einem massiven Notenfluss der wertlos gewordenen Reichsmark aus den Westzonen in die sowjetische Zone ließ die SMAD am 23. Juni 1948 den gesamten Personen- und Güterverkehr nach West-Berlin sowie aus West-Berlin in die SBZ blockieren (Berlin-Blockade), um die Westalliierten zur Aufgabe der Stadt zu bewegen. Drei Tage nach der westzonalen Währungsreform wurde in der SBZ und Ost-Berlin die „Ostmark“ eingeführt, ab dem 24. Juni galt auch in West-Berlin die neue „Deutsche Mark“. Da jedoch der Gutteil der in West-Berlin angebotenen Güter aus den Westzonen stammte, drohte die dortige Versorgungslage zusammenzubrechen.
Politische Spaltung Berlins
Den Westalliierten gelang jedoch in Gestalt der Luftbrücke nach Berlin die logistische Meisterleistung, die rund 2,2 Millionen Westberlinerinnen und Westberliner bis zum 30. September 1949 aus der Luft mit Lebensmitteln, Treibstoff, Medikamenten und anderen Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die hessischen Flugplätze Frankfurt-Rhein-Main und Wiesbaden-Erbenheim spielten hierbei eine herausragende Rolle. Unterdessen trat der von der SMAD nicht anerkannte Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD) am 09. September 1948 vor rund 300.000 für die Lebensfähigkeit West-Berlins Demonstrierende ans Rednerpult vor dem Reichstagsgebäude. Reuter, der sich bereits im Rahmen der „Niederwaldkonferenz“ im Juli 1948 für die Einbeziehung West-Berlins in den westdeutschen Nachkriegsstaat eingesetzt hatte, formulierte seinen wohl berühmtesten Satz: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben könnte!“ Gut zwei Monate später wurde die politische Spaltung Berlins durch die Einsetzung des SED-Politikers Friedrich Ebert jr., des Sohns des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, als Oberbürgermeister von Ost-Berlin endgültig besiegelt. Spätestens 1961, als die Spaltung Berlins ihre physische Entsprechung in Form der Berliner Mauer fand, bedeutete sie auch die Trennung von Familien.
Aufnahme West-Berlins ins Grundgesetz
Der „Parlamentarische Rat“, der ab dem 01. September 1948 eine Verfassung für den künftigen westdeutschen Nachkriegsstaat ausarbeitete, entschied sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Berlin-Blockade, die während der Verhandlungen noch andauerte, West-Berlin als zwölftes Bundesland mit den den Geltungsbereich des sogenannten „Grundgesetzes“ mit aufzunehmen. West-Berlin war zum Symbol der bundesrepublikanischen Westbindung und der Stärke der westdeutschen Allianz mit dem amerikanisch geführten Westen im Angesicht der gefühlten Bedrohung durch den Sowjetkommunismus geworden. Der West-Berliner Vertreter Paul Löbe (SPD) nahm am „Parlamentarischen Rat“ nur in beratender Funktion teil. Dies ist mit dem bis zur Wiedervereinigung 1990 fortdauernden Sonderstatus West-Berlins zur erklären, das bis zuletzt kein konstitutiver Bestandteil der BRD war. Die „Erklärung der Alliierten Kommandantur über Berlin“ vom 05. Mai 1955 erlaubte die Übernahme bundesrepublikanischer Gesetzgebung in West-Berlin – allerdings weiterhin unter dem Vorbehalt des Verbleibs gewisser Verantwortlichkeiten bei den westalliierten Botschaftern. Darauf, dass das Berliner Abgeordnetenhaus bundesrepublikanische Gesetzgebung bis 1990 stets per Akklamation übernehmen musste, ist auch zurückzuführen, dass West-Berlin im Gegensatz zur Bundesrepublik von der Wehrpflicht befreit war und über eine eigene Postverwaltung verfügte. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde das geeinte Berlin schließlich wieder zur deutschen Bundeshauptstadt.