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21. Oktober 1922: 100. Geburtstag von Liliane Bettencourt

Kosmetik verbessert nicht nur das eigene Schönheitsempfinden, sondern kann auch unsagbar reich machen: Liliane Bettencourt wurde 2016 im Alter von 93 Jahren mit einem geschätzten Vermögen von 36 Milliarden US-Dollar auf Platz 11 der Forbes-Liste der vermögendsten Menschen der Welt geführt. Die Erbin und Hauptanteilseignerin des Kosmetikkonzerns L´Oreal war bekannt für strategisch kluge Geschäftsentscheidungen, die den Grundstein für den Aufstieg des vom Vater gegründeten Familienunternehmens zum Weltkonzern legten, aber auch für politische Verstrickungen wie den Vorwurf der illegalen Parteispenden zur Wahlkampffinanzierung des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. 

Kindheit und Jugend als Tochter des L´Oreal-Gründers

Liliane Henriette Charlotte Schueller wurde am 21. Oktober 1922 als Tochter des Chemikers und Unternehmers Eugene Schueller und seiner damaligen Frau Amelie geboren. Schueller entwickelte 1907 ein synthetisches Haarfärbemittel namens „Aureole“, das 1909 bei der Gründung seines Kosmetikkonzerns das Hauptprodukt darstellte. 1936 wurde die vormals unter dem Namen „französische Gesellschaft für nichtaggressive Haarfärbung“ bekannte Firma in „L´Oreal“ umbenannt. Schueller stellte in der Zwischenkriegszeit finanzielle Mittel zur Gründung einer von 1935 bis 1937 aktiven rechtsextremen, antisemitischen Gruppe, die unter dem Namen „Cagoule“ („die Kapuze“) bekannt wurde, zur Verfügung. Während der Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs unterstützte der mit der Auszeichnung „Croix de guerre“ im Ersten Weltkrieg ausgezeichnete und der Ehrenlegion angehörende Schueller von 1940 bis 1944 das Vichy-Regime, das mit dem nationalsozialistischen Deutschland kollaborierte. Nach Kriegsende wurde Schueller wegen seiner Rolle im besetzten Frankreich vor Gericht gestellt, wobei ihn Zeugenaussagen von Francois Mitterrand, einem alten Bekannten aus der gemeinsamen Zeit bei „Cagoule“, und Andre Bettencourt, dem späteren Ehemann seiner Tochter Liliane, entlasteten, wofür beide mit hohen Posten bei der L´Oreal-Gruppe belohnt wurden. Wohl auch wegen der Verstrickungen des Vaters in die rechtsnationale Szene vor und während des Zweiten Weltkrieges scheute die Bettencourt-Familie Zeit des Lebens der Matriarchin Liliane Bettencourt das Licht der Öffentlichkeit. Bereits als Jugendliche absolvierte Liliane Bettencourt Praktika in verschiedenen Filialen des Familienkonzerns und repräsentierte das Unternehmen auf geschäftlichen Veranstaltungen.

Entwicklung von L´Oreal unter Liliane Bettencourt

1950 heiratete Liliane auf Initiative ihres Vaters den französischen Politiker Andre Bettencourt. Sie brachte 1953 ihre einzige Tochter Francoise zur Welt. Als ihr Vater 1957 starb, erbte Bettencourt die Mehrheitsanteile an L´Oreal. Unter ihrer Führung kreierte das Unternehmen 1964 die Luxusmarke Lancome, erwarb 1973 den französischen Pharmakonzern Synthelabo und fusionierte diesen 1999 mit Sanofi. Durch diese aggressive Akquisitionsstrategie wuchs das Portfolio des Konzerns auf über 20 Marken, zu denen unter anderem Garnier, Maybelline, Biotherm und Helena Rubinstein zählen. L´Oreal avancierte so zum Weltmarktführer in der Kosmetikbranche mit Vertrieb in über 150 Staaten. Bettencourt hielt mit 30,8% zeitlebens die meisten Anteile, während der Nestle-Konzern 29,6% am Unternehmen erwarb. Im Jahr 2007 verstarb ihr Mann Andre auf dem Familienanwesen.

Öffentliche Skandale ab 2008

In Reaktion darauf, dass Liliane Bettencourt zwischen 2001 und 2007 knapp eine Milliarde Euro an den Fototgrafen Francois-Marie Banier verschenkte, entbrannte ein öffentlicher juristischer Streit zwischen ihr und ihrer Tochter Francoise Bettencourt-Meyers. Im Zusammenhang mit einem 2011 erstellten Gutachten, das eine Demenzerkrankung Bettencourts samt Gedächtnis- und Bewusstseinsstörung bestätigte, stellte ein Pariser Gericht die damals 89-Jährige 2012 gegen ihren Willen unter die Vormundschaft ihres Enkels Jean-Victor Meyers. 2010 kam es weiterhin zu einem politischen Skandal, der als die „Bettencourt-Affäre“ bekannt wurde. Frankreichs damaligem Arbeitsminister Eric Woerth wurde vorgeworfen, während des Präsidentschaftswahlkampfes für Nicolas Sarkozy 2007 illegale Spenden an die konservative Partei UMP in Höhe von 150.000 Euro von Bettencourt angenommen zu haben. 2013 wurde das Verfahren gegen Sarkozy eingestellt, 2015 Woerth aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Am 21. September verstarb die strategisch kluge Unternehmerin mit der lebensbejahenden Art schließlich im Alter von 94 Jahren im Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts verwandelte Liliane Bettencourt als junge Mutter einen Familienkonzern in den Marktführer in der Kosmetik- und Schönheitsbranche. Ganz unabhängig von den familiären und politischen Skandalen, die im Rahmen des großen medialen Interesses an einer der vermögendsten Familien der Welt ausgeschlachtet wurden, steht Bettencourts Erbe für weibliche Selbstbestimmung und Unabhängigkeit in der patriarchalen Welt der Wirtschaft.