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6. Januar 1822: 200. Geburtstag von Heinrich Schliemann

Die Helden von Troja waren Phantasie, Idealtypen der Antike, museale Gestalten für Altphilologen und andere Intellektuelle. Erst mit Heinrich Schliemann wurden die Gestalten real und die Archäologie bekam durch den Buddelprinzen Schliemann einen Alltagshelden dazu. Trojas tapfere Recken wurden so greifbar und damit wurde auch die Alte Geschichte vom Staub befreit.

Schliemann als Pionier der modernen Archäologie

Heinrich Schliemann zählt durch seine Ausgrabungen in Troja und Mykene zu den bekanntesten Archäologen weltweit und gilt als Pionier der modernen Archäologie. Schliemann war aber auch ein außerordentlich erfolgreicher Geschäftsmann, der sich erst dadurch die aufwendigen und teuren Reisen und Ausgrabungen in Kleinasien und Griechenland leisten konnte.

Johann Ludwig Heinrich Julius Schliemann wurde am 6. Januar 1822 als Sohn des protestantischen Pfarrers Ernst Schliemann und seiner Frau Luise im mecklenburgischen Neubukow geboren. Mit seinen acht Geschwistern wuchs er in Ankershagen auf. Nach dem Tod seiner Mutter (1831) lebte er bei seinem Onkel Friedrich Schliemann. Da sich die Familie das Gymnasium nicht leisten konnte, ging Schliemann auf die Neustrelitzer Realschule. Von 1836 bis 1841 war er Lehrling und Handlungsgehilfe in einem Krämerladen in Fürstenberg, in Rostock erlernte er Englisch und Buchführung.
In Hamburg suchte er 1841 vergeblich nach Arbeit. Das Unterfangen, nach Venezuela auszuwandern, scheiterte, weil das Schiff vor der holländischen Küste strandete. Schliemann ging nicht zurück nach Deutschland, sondern fand eine Anstellung als Kontorbote bei der Firma F. C. Quien in Amsterdam, und begann, als Autodidakt Fremdsprachen zu lernen. Auf Englisch, Französisch, Niederländisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch folgen später Russisch und weitere neun gesprochene Fremdsprachen. Daneben eignete er sich Altgriechisch, Lateinisch, Hebräisch und Sanskrit an.

Schliemann als Händler und Geschäftsmann

Als Handelsagent des Amsterdamer Handelshauses B. H. Schröder & Co. gründete Schliemann 1846 eine Niederlassung in Sankt Petersburg. Ein Jahr später errichtete er in der Stadt an der Newa ein eigenes Handelshaus, nahm die russische Staatsbürgerschaft an und kam bereits mit dem Handel von Indigo zu Wohlstand. Als Lieferant von Munitionsrohstoffen an die zaristische Armee im Krimkrieg (1853–1856) kam er zu einem enormen Vermögen. Die 1853 mit der Kaufmannstochter Jekaterina Petrowna Lyshina geschlossene Ehe sicherte Schliemann einen Stand in der gehobenen russischen Gesellschaft.

Auch vor seiner Heirat war Schliemann als Geschäftsmann erfolgreich: In Sacramento/Kalifornien, wo sein Bruder Goldgräber war, gründete er 1850/51 eine Bank für Goldhandel und investierte erfolgreich in amerikanische Eisenbahnprojekte.

1864 löste Schliemann seine letzten Firmen auf und siedelte nach Paris über. An der Sorbonne studierte er Sprachen, Literatur und Altertumskunde. 1858/59 hatte er bereits Forschungsreisen nach Griechenland, Ägypten, Palästina, Syrien, Smyrna, Athen und Konstantinopel unternommen, 1864 bis 1866 schlossen sich Reisen nach Tunis, Ägypten, Indien, China, Japan sowie Nord- und Mittelamerika an. Für die Studie „Ithaka, der Peloponnes und Troja“ promovierte ihn die Universität Rostock.  

Da seine Ehefrau Jekaterina seine Lust am Reisen nicht teilte, ließ sich Schliemann im Juni 1868 in den USA in Abwesenheit scheiden. In Russland war die Auflösung einer russisch-orthodoxen Ehe ausgeschlossen. Auf der Suche nach einer „echten“ Griechin heiratete Schliemann im September 1869 die 17-jährige Sophia Engastroménos und ließ sich in Athen nieder. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, die er Andromache und Agamemnon nannte.

Von Homer infiziert

In den 1870er Jahren begab sich Schliemann auf die Suche nach der Stadt Troja, um die in der aus dem 8. Jh. v. Chr. stammenden „Ilias“ von Homer zehn Jahre lang gekämpft wurde. Aufgrund der alleinigen Bezugnahme auf die griechische Heldensage schlugen Schliemann Ablehnung und Spott der zeitgenössischen Altphilologen und Archäologen entgegen. Schliemann zeigte sich davon gänzlich unbeeindruckt.

Auf einer seiner Reisen hatte er den britischen Konsul Frank Calvert kennengelernt. Wie dieser vermutete Schliemann Troja auf dem Hügel Hisarlık in der Provinz Çanakkale im Nordwesten der Türkei. Auf eine erste Probegrabung (1870) ohne Erlaubnis der türkischen Regierung folgte die erste offizielle Ausgrabung mit einer Grabungsgenehmigung. Schliemann grub den großen Nord-Süd-Graben, durch den er auf sieben Siedlungsschichten stieß. Spätere Archäologen kritisierten, dass er dabei ohne jede Rücksicht auf jüngere Schichten vorgegangen sei.

1872 folgte die zweite, 1873 die dritte Grabung in Troja. Am 31. Mai entdeckte Schliemann einen Goldschatz, den er „Schatz des Priamos“ nannte und illegal nach London brachte, wo er ausgestellt wurde. Mit ihm erbrachte Schliemann den Beweis für die Existenz des legendären Troja auf dem Hügel Hisarlık. Allerdings war Schliemanns Grabungsbereich, Troja II, weitaus älter und die „Burg des Priamos“ aus der mykenischen Zeit wurde bei späteren Grabungen unter der Leitung des Architekten und Archäologen Wilhelm Dörpfeld in dem jüngeren Troja VI verortet. Einen Nachweis für den Trojanischen Krieg gab es mit dem Schatz jedoch nicht.

Grabungserfolg in Mykene

1874 setzte der umtriebige Schliemann seine Suche nach Gräbern homerischer Helden in Mykene fort. Er entdeckte 1876 fünf mit wertvollen Grabbeigaben versehene Schachtgräber aus der Zeit um 1600 v. Chr. Darunter befand sich die Goldmaske des Agamemnon, eine Totenmaske, in der Schliemann den sagenhaften König Agamemnon sehen wollte. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch um eine bis dahin unbekannte ägäische Kultur der frühen Bronzezeit.

Vom Erfolg in Mykene getragen, unternahm Schliemann u.a. erneute Grabungen in Troja (1882) und Tiryns (1884). Für die sechste Grabungskampagne in Troja ließ er sich von Wilhelm Dörpfeld unterstützen.

Für die breite deutsche Öffentlichkeit waren Schliemanns Entdeckungen eine Sensation, die akademischen Fachgelehrten lehnten sie jedoch als Grabungen eines Hobby-Archäologen ab. Schliemanns Förderung durch den renommierten Berliner Mediziner Rudolf Virchow verhalf ihm schließlich zu Akzeptanz als Wissenschaftler. Auf Virchows Einfluss geht auch zurück, dass Schliemann gegen eine Zahlung an die türkische Regierung Besitzer der außer Landes gebrachten Artefakte blieb.

1881 wurde Schliemann Ehrenmitglied der „Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte“ und Ehrenbürger der Stadt Berlin. 1883 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford und 1885 verlieh ihm Königin Victoria die „Große Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft“. Auf der ersten Troja-Konferenz (1889) bestätigten hochrangige Gutachter die Bedeutung von Schliemanns Funden. An seiner Bekanntheit und seinem Ruhm wirkte Schliemann allerdings auch selbst tatkräftig mit. Schliemanns weltweit einmalige Ausgrabungsschätze werden heute als Beute des Zweiten Weltkriegs betrachtet und lagern in Russland.

Auf seiner letzten Reise 1890 zu den Quellen des in der Ilias genannten Flusses Skamander erkrankte er. Er starb am 26. Dezember 1890 an den Folgen einer Ohrenoperation und wurde am 4. Januar 1891 im Beisein des griechischen Königs in Athen beigesetzt.