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18. Oktober 1923: 100. Jahrestag der Ausgabe von 1.000-Millionen-Markscheinen in Frankfurt im Rahmen der Hyperinflation 1923

Am 18. Oktober begann die Stadt Frankfurt am Main im Zuge der massiven Geldentwertung während der Hyperinflation des Krisenjahres 1923, 1.000.000.000-Reichsmarkscheine an ihre Bürgerinnen und Bürger auszugeben. Diese Praxis der Notgeldausgabe in Form von „Gutscheinen“ durch Städte, Gemeinden und Industrieunternehmen hatte sich vor dem Hintergrund der explodierenden Kriegs- und Kriegsfolgekosten bereits 1914 etabliert. Als die schleichende Inflation der Gründerjahre der Weimarer Republik Anfang 1923 – befeuert durch die Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen – jeglicher Kontrolle staatlicherseits entglitt, genehmigte die Reichsregierung erneut die Ausgabe solcher Notgeldscheine. Im Jahr 1923 vervielfachten sich angesichts des Ausmaßes der Inflation von über 50% innerhalb von vier Wochen sowohl die Zahl der Ausgabestellen als auch die Summe des ausgegebenen Notgeldes auf 400 bis 500 Trillionen Mark durch private und öffentliche Ausgabestellen sowie 110 Trillionen Mark durch die Reichsbank selbst. Wie war die Notgeldausgabe in Frankfurt organisiert? Welches Konzept verbarg sich hinter den Plänen der Reichsregierung Stresemann zur Währungsreform im November 1923? Und wie wirkte sich die Einführung der sogenannten Rentenmark konkret auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger aus?

Notgeldausgabe in Frankfurt am Main

Nachdem im Spätsommer des Jahres 1923 bereits andere hessische Städte und Gemeinden mit der eigenständigen Ausgabe von Notgeldscheinen begonnen hatten, darunter Rüsselsheim (09. August) und Kassel (10. September), schloss sich die Wirtschafts- und Finanzmetropole Frankfurt am Main der durch die Reichsbank legalisierten Praxis im Oktober 1923 an. Frankfurter Bürgerinnen und Bürger hatten zu diesem Zeitpunkt bereits große Teile ihrer Ersparnisse an die Inflation verloren, die Lohnzahlungen erschienen angesichts der utopischen, stündlich steigenden Preise beinahe wertlos. Für einen Schoppen Apfelwein wurden im Herbst 1923 beispielsweise zwischen 100 und 200 Milliarden Mark aufgerufen. Auf den ab dem 18. Oktober 1923 erhältlichen „Gutscheinen der Stadt Frankfurt am Main über Eintausend Millionen Mark“ (= einer Milliarde Mark) war traditionsbewusst ein Porträt Johann Wolfgang Goethes abgebildet. Die Einlösung der Notgeldscheine erfolgte bei der Stadthauptkasse der Mainmetropole. Bei der Bundesbank sind heute noch 60.000 verschiedene Notgeldscheine von etwa 6.000 Ausgabestellen aus dem Jahr 1923 erhalten. Dabei ist nicht mehr zu ermessen, auf welchen Betrag sich die ausgegebenen Notgeldscheine in Frankfurt summierten.

Einführung der Rentenmark durch die Regierung Stresemann

Gustav Stresemann (DVP) übernahm am 13. August 1923 das Amt des Reichskanzlers zu einem Zeitpunkt, als die Hyperinflation den Kilopreis für Butter auf 2,4 Millionen Mark getrieben hatte. Stresemann bildete eine bürgerliche Koalition aus SPD, Zentrum, DDP und DVP, in der er in Personalunion auch das Amt des Außenministers bekleidete. Obwohl die Beendigung des „passiven Widerstands“ im Kampf gegen die Ruhrbesetzung der Staatskasse einige Millionen Mark sparte, stieg die Inflation im Oktober sogar nochmal an: Für einen Laib Brot wurden Anfang Oktober beispielsweise 9,5 Millionen Mark aufgerufen, während er am Ende des Monats für 5,5 Milliarden Mark verkauft wurde. Ende Oktober betrug die Inflationsrate 16,6 Millionen Prozent (zum Vergleich: Expertinnen und Experten bezifferten die Inflationsrate in Deutschland im September 2023 auf 4,5%). Zeitgleich mit den nicht enden wollenden Preissteigerungen erarbeitete die Regierung Stresemann das Konzept einer Währungsreform: Da Sachwerte von der Inflation unberührt blieben, verpfändeten die Reichsbank und einige Industrie- und Landwirtschaftsunternehmen rund 4% ihres Besitzes als sogenannte Grundschuld für die neue Währung. Diese Grundschuld orientierte sich dabei an der Goldmark, also derjenigen goldgedeckten Währung, die im Deutschen Reich vor der Aufhebung der Golddeckung der Mark infolge des Kriegsbeginns 1914 gültig war. So wie die Scheine der Goldmark gegen Gold eingetauscht werden konnten, galt die neue Mark als Pfandbrief auf die als Grundschuld eingetragenen Vermögenswerte und war damit durch Sachwerte gedeckt. Die Bezeichnung dieser Pfandbriefe als „Rentenbriefe“ verlieh der neuen Übergangswährung ihren Namen: die „Rentenmark“ war geboren.

Am 15. November 1923 gab die neu gegründete Deutsche Rentenbank schließlich die ersten Rentenmarkscheine in Umlauf, am 18. November begann in Berlin der Umtausch einer Billionen Papiermark in eine Rentenmark. Nachdem die Preise für Lebensmittel in der folgenden Woche noch einmal stiegen, beendete die Rentenmark die Hyperinflation anschließend jedoch zügig. Dabei spielte das Vertrauen der Bevölkerung in die neue Währung, das daraus entsprang, dass jene durch Sachwerte gedeckt war, eine herausragende Rolle. Im August 1924 wurde die – nun wieder goldgedeckte – Reichsmark zusätzlich zur Rentenmark im Verhältnis 1:1 wieder eingeführt und löste die Rentenmark schrittweise wieder ab. Die Rentenmark behielt jedoch bis zur Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen bzw. der Währungsreform in der SBZ im Juni 1948 formal ihre Gültigkeit.

Weitere Informationen zum Wirken der Hyperinflation von 1923 in Hessen und deren Bekämpfung finden Sie in der Kalenderblatt-Reihe der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung zu diesem Thema.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: