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11. Januar 1923: 100. Jahrestag der Ruhrbesetzung

Die Ruhrbesetzung durch Einheiten der französischen und belgischen Armee Anfang 1923 war Folge des andauernden Konfliktes zwischen dem Deutschen Reich und den Siegermächten um die Erfüllung der Reparationsleistungen. Der darauffolgende passive Widerstand („Ruhrkampf“), innenpolitische Umsturzversuche und die Hyperinflation mit der anschließenden Währungsreform trugen u.a. dazu bei, dass es zu einer Neuregelung der Reparationszahlungen 1924 kam und die Besatzungstruppen im Juli 1925 wieder aus dem Ruhrgebiet abzogen.

Ausgangslage

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wurde die Weimarer Republik durch den Versailler Vertrag auf der Grundlage des Kriegsschuldartikels 231 verpflichtet, umfangreiche Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu leisten. Insbesondere Frankreich bestand unter seinem ab 1922 amtierenden Ministerpräsidenten Raymond Poincaré aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen darauf, dass die von einer Reparationskommission ohne deutsche Beteiligung festgesetzten Bestimmungen vollständig erfüllt wurden.

Die USA beteiligten sich nicht am Versailler Vertrag. Sie schlossen im August 1921 einen Separatfrieden, den Berliner Vertrag, mit Deutschland.

Im Berliner Vertrag wurden die  Reparationsleistungen von den Vereinigten Staaten nicht einseitig gegen Deutschland festgesetzt, wie es der Versailler Vertrag „diktiert“ hatte. Demgegenüber wurde hier die Feststellung von Reparationen und Schadensersatz einem bilateralen Schiedsgericht überantwortet, der German American Mixed Claims Commission (gemischte deutsch-amerikanische Schadenskommission.)

Auf der Londoner Konferenz im April/Mai 1921 war ein differenzierter Zahlungsplan für Reparationszahlungen in Höhe von 132 Milliarden Goldmark festgelegt worden. Er war mit der Drohung verbunden, im Falle einer Weigerung das Ruhrgebiet zu besetzen. Aufgrund des Versailler Vertrags hatten bereits am 8. März 1921 französische und belgische Truppen die Städte Duisburg und Düsseldorf in der entmilitarisierten Zone des Rheinlands besetzt und kontrollierten den gesamten Export von Kohle, Stahl und Fertigprodukten in den Duisburg-Ruhrorter Häfen.

Besetzung

Wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Deutschen Reichs verzichteten die Alliierten 1922 auf deutsche Geldzahlungen und forderten stattdessen Sachleistungen in Form von Stahl, Kohle und Holz. Nachdem die alliierte Reparationskommission am 26. Dezember 1922 einen Rückstand an Holz- und Kohlelieferungen festgestellt hatte und am 9. Januar 1923 erklärte, dass Lieferungen absichtlich zurückgehalten würden, besetzten französische und belgische Truppen am 11. Januar 1923 das Ruhrgebiet und forderten „produktive Pfänder“ („gage productif“) zum Ausgleich für die eigene, im Krieg zerstörte Kohleförderung. Bis Ende März erreichte die Besatzungsstärke 100.000 Soldaten.

Ruhrkampf

Der Einmarsch löste überall im Deutschen Reich helle Empörung aus. Bereits die Bedingungen des Versailler Vertrags mit seinen umfangreichen Gebietsabtretungen, der Besetzung weiterer Gebiete, wie etwa der linksrheinischen, und der Reduzierung der deutschen Streitkräfte auf 100.000 Mann wurden von einem großen Teil der deutschen Bevölkerung als unzumutbar empfunden.

Die Regierung des parteilosen Kanzlers Wilhelm Cuno rief die Bevölkerung zum passiven Widerstand auf. Die Ruhrbesetzung wurde so aus deutscher Perspektive zum „Ruhrkampf“. Die Zahlungen an Frankreich und Belgien wurden vollständig gestoppt: Die Staats- und Kommunalbeamten sowie die Arbeiter bei der Deutschen Reichsbahn und in den Zechen kamen den Anordnungen der Besatzungsmächte nicht nach und die Zechendirektoren verweigerten auf Anweisung des Reichskohlenkommissars die Kooperation mit der Gegenseite. Es kam zu Generalstreiks in Industrie, Verwaltung und Verkehr. Ehemalige Freikorpsmitglieder und Kommunisten verübten Sabotageakte und Anschläge. Die Situation verschärfte sich, als die Besatzungsmächte mit der Verhängung von Geld- und Haftstrafen, Todesurteilen und Erschießungen sowie mit der Ausweisung, besonders von Bahnbediensteten, aus den besetzten Gebieten reagierten.

In den ersten Wochen fügte der Widerstand der lothringischen Schwerindustrie erhebliche Schäden zu. Doch dann gelang es den Franzosen, den Abtransport von Kohle in eigener Regie zu organisieren, sodass die französische Stahlindustrie wieder im gewohnten Maß produzieren konnte. Im Deutschen Reich hingegen kam es zu Versorgungsengpässen und einer schlechten Ernährungslage. Aus der Inflation wurde eine Hyperinflation. Die deutsche Regierung ließ Geld u.a. für die Lohnersatzzahlungen von ca. zwei Millionen Arbeitern im Ruhrgebiet drucken.

Der Widerstandswille ließ aufgrund dessen nach und der neue Reichskanzler Gustav Stresemann sah sich gezwungen, am 26. September 1923 das Ende des passiven Widerstands zu verkünden. Mit dem Dawes-Plan, dem Poincaré im April 1924 zustimmte und der am 29. August 1924 von Deutschland angenommen wurde, wurde ein neues Reparationsabkommen getroffen. Frankreich hob danach zahlreiche Sanktionsanordnungen auf. Die letzten französischen Truppen verließen Ende Juli 1925 das Ruhrgebiet.

An die USA leistete die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches bis 1979 Reparationszahlungen.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung können u. a. folgende Publikationen zum Thema bestellt werden: