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21. September 1949: 75. Jahrestag des Antrittsbesuchs der ersten Bundesregierung bei der alliierten Hohen Kommission

Die Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und die Besetzung politischer Schlüsselämter – wie dem des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers – im Sommer 1949 gelten zu Recht als entscheidende Stationen der Gründung des westdeutschen Nachkriegsstaats. Die Bundesrepublik blieb jedoch bis 1955 lediglich ein teilsouveräner Staat, die Besatzungsmächte behielten sich Hoheitsrechte auf wichtigen Politikfeldern vor. Die von den Alliierten im Besatzungsstatut festgelegte Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der westdeutschen Regierung und den Vertretern der Westalliierten – den Hohen Kommissaren – wurde im Rahmen des Antrittsbesuchs der ersten Bundesregierung um Konrad Adenauer (CDU) bei der Hohen Kommission öffentlich demonstriert. Das Besatzungsstatut bildete in den Folgejahren den völkerrechtlichen Rahmen der Entwicklung und erfolgreichen Konsolidierung der Bundesrepublik. Gleichzeitig steht das selbstbewusste Auftreten Adenauers gegenüber den westalliierten Vertretern rückblickend auch für das neugewonnene Selbstbewusstsein der jungen Bundesrepublik gegenüber den vormaligen Besatzungsmächten.

Ankündigung und Inhalte des Besatzungsstatuts

Bereits in der „Geburtsurkunde“ der BRD, den „Frankfurter Dokumenten“, die die westdeutschen Ministerpräsidenten am 1. Juli 1948 im Frankfurter I.G.-Farben-Haus von den westalliierten Militärgouverneuren entgegennahmen, wurde ein Besatzungsstatut angekündigt. Auf dessen zentrale Inhalte verständigten sich die Westalliierten jedoch erst Monate später, auf der Washingtoner Außenministerkonferenz vom April 1949. Vor diesem Hintergrund waren die Verfassungsberatungen im Bonner Parlamentarischen Rat spürbar von der Unsicherheit der Abgeordneten über Inhalte und Beschränkungen durch das angekündigte, aber erst wenige Wochen vor Verabschiedung des Grundgesetzes vorliegende Statut geprägt. Am 5. April erreichte den Parlamentarischen Rat schließlich ein Kommuniqué aus Washington, das die Einsetzung alliierter Hoher Kommissare und deren Betrauung mit Vorbehaltsrechten ankündigte. Mit dem am 10. April verabschiedeten Besatzungsstatut wurde vor allem französischen Sicherheitsinteressen und Vorbehalten gegenüber dem Wiedererstehen einer deutschen Staatlichkeit Rechnung getragen. Die oberste Staatsgewalt, die alle vier Alliierten am 5. Juni 1945 mit der Berliner Deklaration übernommen hatten, verblieb vorerst bei den Westalliierten, ging jedoch von den Militärregierungen, die aufgelöst wurden, auf die Hohe Kommission über, in der jeweils ein Hoher Kommissar Frankreich, Großbritannien und die USA vertrat. Nichtsdestotrotz räumte das Besatzungsstatut der Westalliierten der in ihrer Gründungsphase befindlichen Bundesrepublik umfassende Selbstverwaltungsrechte ein, indem Bund und Länder die legislative, exekutive und judikative Gewalt erhielten. Erst mit der formellen Verkündung des Besatzungsstatuts am 12. Mai, dem Tag, an dem die Westalliierten das Grundgesetz ratifizierten, wurden die Politikfelder öffentlich, auf denen die Hoheitsrechte bei den Alliierten verblieben: Außenpolitik, Außenhandel, Entmilitarisierung, Aufnahme von Flüchtlingen und Ruhrkontrolle. Darüber hinaus bedurften Änderungen der Verfassung und die Verabschiedung von Gesetzen alliierter Zustimmung; Besatzungsrecht behielt also den Vorzug gegenüber innerdeutschem Recht. Das Originaldokument des Statuts, dass optisch dem Grundgesetz nachempfunden ist, um ihm eine ähnliche Autorität zuzuweisen, ist heute im Bonner „Haus der Geschichte“ ausgestellt, nachdem es bis zur Jahrhundertwende als verschollen galt: Adenauer hatte es nicht persönlich entgegengenommen, sondern von einem Beamten an seinen persönlichen Referenten Herbert Blankenhorn übergeben lassen.

Antrittsbesuch der ersten Bundesregierung bei der Hohen Kommission

Die Hohe Kommission saß bis 1952 auf dem Petersberg bei Bonn und wachte symbolisch aufgeladen über das politische Geschehen im Bonner Stadtteil Bad Godesberg, der am gegenüberliegenden Rheinufer gelegen war. Die ersten Hohen Kommissaren waren der ehemaligen französische Botschafter in Deutschland (1931-1938) André Francois-Poncet (Frankreich), der vormalige britische Militärgouverneur Brian Robertson (Großbritannien) und der vormalige Weltbankpräsident John McCloy (USA). Sie empfingen die erste bundesdeutsche Regierung, die sich tags zuvor konstituiert hatte, zum Antrittsbesuch am 21. September 1949. Dort übergaben die Hohen Kommissare der Bundesregierung das Besatzungsstatut formell – ein Akt, der diplomatisch und symbolisch demonstrieren sollte, dass die Bundesrepublik weiterhin unter der strengen Beobachtung der Westalliierten stehen würde. Bundeskanzler Adenauer trat in den Augen der Westalliierten überraschend selbstbewusst auf – so betrat er etwa den Teppich, auf dem die Hohe Kommissare sich versammelt hatten, obwohl gerade dieser den Rangunterschied zwischen alliierten und westdeutschen Repräsentanten verdeutlichen sollte. Damit fand Adenauer sich in der Tradition der westlichen Ministerpräsidenten wieder, die etwa die „Frankfurter Dokumente“ nach Beratungen auf dem Koblenzer Rittersturz und der Rüdesheimer Niederwaldkonferenz erst akzeptierten, nachdem US-Militärgouverneur Lucius Clay ihnen deren Verbindlichkeit angesichts der andauernden Besatzung in einer vertraulichen Unterhaltung überdeutlich gemacht hatte. Adenauer goss seine Hoffnung auf die baldige Wiedererlangung vollständiger Souveränitätsrechte, die rückblickend angesichts der gerade mal vier Jahre zurückliegenden deutschen Verbrechen in Weltkrieg und Shoa durchaus überraschen mag, an diesem 21. September in folgende Worte: „Noch sind wir allerdings nicht völlig frei, denn das Besatzungsstatut enthält wesentliche Beschränkungen. […] Wir hoffen, dass die alliierten Mächte durch eine entsprechende Handhabung der im Statut gegebenen Revisionsklausel die weitere staatliche Entwicklung unseres Landes beschleunigen helfen.“

Ende des Besatzungsregimes durch die Pariser Verträge 1955

Dass die junge Bundesrepublik ihre volle Souveränität tatsächlich nach nur sechs Jahren Bestehenszeit und nur rund zehn Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation mit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge am 5. Mai 1955 wiedererlangte, ist auch im Kontext der Blockbildung zu Beginn des Kalten Krieges zu sehen. So hob das Vertragswerk von Paris nicht nur das Besatzungsstatut auf und beendete damit das Besatzungsregime, sondern setzte als Bedingungen die Fortführung alliierter Vorbehaltsrechte in puncto Entmilitarisierung und Ruhrkontrolle sowie der Stationierung alliierter Truppen in der Bundesrepublik fest. Diese Rechte blieben bis zum Inkrafttreten des im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung geschlossenen Zwei-plus-Vier-Vertrags am 15. März 1991 bestehen. Darüber hinaus waren die Pariser Verträge untrennbar mit der Westintegration der Bundesrepublik und der Vertiefung der europäischen Integration verknüpft: Die BRD wurde in das westliche Verteidigungsbündnis NATO und in den Brüsseler Pakt (dem westeuropäischen Beistandspakt) aufgenommen. Rückblickend kann die Verbindung zwischen der Wiedererlangung deutscher Souveränitätsrechte bei gleichzeitiger Abgabe von Souveränität durch Integration in internationale Organisationen als Indikator für das ambivalente Verhältnis der westlichen Staatengemeinschaft gegenüber dem westdeutschen Nachkriegsstaat gelten, das zwischen Wiederaufbau und Stärkung auf der einen und Einbindung und Kontrolle auf der anderen Seite oszillierte.

Vertiefende Informationen zu den Ereignissen des Jahres 1949, dem Jahr der doppelten Staatsgründung auf deutschem Boden, erhalten Sie hier.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: