22. Dezember 1923: 100. Jahrestag der Ernennung von Hjalmar Schacht zum Reichsbankpräsidenten
Kaum ein Bankier prägte die deutsche (Wirtschafts-) Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so eindrücklich wie Hjalmar Schacht: Während des Ersten Weltkrieges als Beamter für die Geldpolitik im besetzten Belgien zuständig, wurde er 1923, im Jahr der Hyperinflation, zum Reichsbankpräsidenten ernannt und wirkte in dieser Position maßgeblich an der Einführung der Rentenmark mit. Nach dem Ersten Weltkrieg zählte Schacht zu den Mitbegründern der liberalen „Deutschen Demokratischen Partei“. Nach seinem Rücktritt vom Amt des Reichsbankpräsidenten begann er Anfang der 1930er-Jahre mit den Nationalsozialisten zu sympathisieren. 1933 hob ihn Hitler schließlich erneut ins Amt des Reichsbankpräsidenten, das er bis 1939 ausübte. Im Laufe der 1940er-Jahre näherte Schacht sich schließlich konservativen Gegnern des Nationalsozialismus an.
Herkunft und Wirken vor und während des Ersten Weltkrieges
Horace Greeley Hjalmar Schacht kam am 22. Januar 1877 in Tingleff im heutigen Dänemark als Sohn des deutschen Kaufmanns Wilhelm Schacht und dessen dänischer Ehefrau, Baronin Constanze von Eggers, zur Welt. 1895 absolvierte er an der Hamburger Gelehrtenschule Johanneum das Abitur und begann anschließend ein Medizinstudium in Kiel. Nach einem Wechsel an die Ludwig-Maximilians-Universität München entdeckte er seine Begeisterung für Volkswirtschaftslehre, der er auch im Rahmen von Studienaufenthalten an den Universitäten in Leipzig, Berlin und Paris nachging. Sein Studium schloss Schacht schließlich im Jahr 1900 mit einer Promotion beim Staatswissenschaftler Wilhelm Hasbach in Kiel ab. Nach verschiedenen Stationen in der Privatwirtschaft stieg er 1908 zum stellvertretenden Direktor der Dresdner Bank auf. Darüber hinaus gehörte der Volkswirt zwischen 1915 und 1922 dem Vorstand der „Nationalbank für Deutschland“ an. Ab 1914 unterstand ihm als Beamter der Zivilverwaltung die Geldpolitik im besetzten Belgien, wobei er sich besonders für die Zwangserhebung von Geldbeträgen der lokalen Zivilbevölkerung an die Besatzungstruppen einsetzte.
Hyperinflation 1923, Ernennung zum Reichsbankpräsidenten und Reparationsfrage
Nach dem Ersten Weltkrieg zählte Schacht, dessen liberale Weltanschauung sich bereits vor Kriegsbeginn nicht zuletzt durch eine Mitgliedschaft bei den „Freimauern“ ausgedrückt hatte, 1918 zu den Mitbegründern der liberalen „Deutschen Demokratischen Partei“, aus der er allerdings schon 1926 wieder austrat. Als die aus den Instrumenten zur Finanzierung des Ersten Weltkrieges resultierende schleichende Inflation der Nachkriegsmonate im Laufe des Jahres 1923 jeglicher staatlichen Kontrolle entglitt, hatte Schacht vom 12. November bis zum 22. Dezember 1923 das Amt des Reichswährungskommissars inne und war damit unmittelbar für die von der Reichsregierung Stresemann (DVP) geplante Währungsstabilisierung verantwortlich. Auch durch seine Mitwirkung gelang infolge der Einführung der wertstabilen Rentenmark am 15. November 1923 die Währungsreform, die Beseitigung der Hyperinflation und somit auch eine politische Stabilisierung der ersten Demokratie auf deutschem Boden. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre nahm Schacht an den internationalen Beratungen zur Lösung der Reparationsfrage teil. So leitete er 1929 die deutsche Delegation, die an den vom US-amerikanischen Finanzexperten Owen D. Young geführten Verhandlungen über die deutsche Reparationsschuld partizipierte. Dort setzte Schacht sich gegen internationalen Widerstand dafür ein, dass Deutschland aufgrund der wirtschaftlichen Situation nur knapp zwei Drittel der jährlich geforderten zwei Milliarden Reichsmark zahlen solle – unter der Voraussetzung des Rückerhalts der infolge des Versailler Friedensvertrags verlorenen Kolonien. Die Reichsregierung unter Hermann Müller (SPD) wies Schacht angesichts der verfahrenen Verhandlungslage an, von seinen Forderungen abzurücken. Schacht hielt den in der Folge entwickelten „Young-Plan“ zeitlebens für unerfüllbar. Im Zusammenspiel mit der Enttäuschung über die Finanzpolitik der Weimarer Koalition führte dies 1930 zu seinem Rücktritt vom Amt des Reichsbankpräsidenten.
Schacht in der Zeit des Nationalsozialismus
1931 traf Schacht bei einem Abendessen erstmals auf die nationalsozialistischen Politiker Hermann Göring, Joseph Goebbels und Adolf Hitler. Im selben Jahr trat er im Rahmen der Vereinigung antidemokratischer Nationalisten und Nationalsozialisten gegen die Weimarer Demokratie bei einer Tagung am 11. Oktober 1931 in Bad Harzburg („Harzburger Front“) als Redner in Erscheinung. Darüber hinaus setzte sich Schacht gemeinsam mit anderen Industriellen und Bankiers bei Reichspräsident Paul von Hindenburg für die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ein. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 30. Januar 1933 wurde Schacht erneut Reichsbankpräsident, wobei Hitler ihm umfangreiche Vollmachten über die gesamte Bankenpolitik einräumte. Zusätzlich zu diesem Amt fungierte Schacht zwischen 1934 und 1937 als Reichswirtschaftsminister. In dieser Doppelfunktion war er maßgeblich an der Entwicklung verschiedener Finanzierungsinstrumente der kriegsvorbereitenden Rüstung beteiligt. So entwarf Schacht etwa das System der „Mefo-Wechsel“, eine Art alternatives Zahlungsmittel für Rüstungskonzerne. Auf diese Weise wurden Mittel in Milliardenhöhe für die Aufrüstung bereitgestellt, ohne dass der nationalsozialistische Staat sich dafür verschulden musste.
Im Rahmen des Reichsparteitags in Nürnberg wurde Schacht 1937 das „Goldene Parteiabzeichen der NSDAP“ verliehen. Wegen Kompetenzüberschneidungen mit Hermann Göring als „Bevollmächtigtem für den Vierjahresplan“ und seiner Skepsis gegenüber der wirtschaftlichen Autarkiepolitik trat er 1937 vom Amt des Reichswirtschaftsministers zurück, blieb jedoch bis 1943 auf Wunsch Hitlers Reichsminister ohne Geschäftsbereich. 1939 entließ Hitler Schacht mit Verweis auf seine Kritik an der nationalsozialistischen Finanzpolitik auch aus dem Amt des Reichsbankpräsidenten.
Annäherung an den Widerstand und Leben nach 1945
In den 1940er-Jahren näherte sich Schacht konservativen Kritikern des Nationalsozialismus um Ulrich von Hassel an, der wiederum Kontakte zum Widerstandszirkel um Claus Schenk Graf von Stauffenberg unterhielt. Vor diesem Hintergrund wurde Schacht nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 zunächst in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Flossenbürg interniert und noch am 8. April 1945 ins Konzentrationslager Dachau verlegt.
Angeklagt im Rahmen des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses berief sich Schacht darauf, bereits vor Kriegsbeginn alle Machtbefugnisse verloren zu haben. 1946 wurde er freigesprochen, wenige Tage später jedoch auf Weisung der Landesregierung Württemberg-Baden als eine „Führungspersönlichkeit des Dritten Reiches“ festgenommen. Die „Entnazifizierungs-Spruchkammer“ in Stuttgart verurteilte ihn als „Hauptschuldigen“ zu acht Jahren Arbeitslager. Nach Berufung wurde Schacht schließlich 1948 als „Entlasteter“ freigesprochen.
1953 gründete er die „Deutsche Außenhandelsbank Schacht und Co.“ In den 1960er-Jahren trat der Bankier der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Gesellschaft für freie Publizistik“ bei. Am 3. Juni 1970 verstarb Hjalmar Schacht im Alter von 93 Jahren in München.