02. August 1923: 100. Geburtstag von Shimon Peres
An Shimon Peres´ Leben lässt sich die Geschichte des Staates Israel ablesen. Er hat diesen seit der Gründung in unterschiedlichen Rollen mitgestaltet und angeführt: Er war Vorsitzender der israelischen Arbeitspartei, bekleidete zahlreiche Ministerämter und amtierte als Ministerpräsident ohne jemals eine Wahl gewonnen zu haben. Zuletzt war der Nobelpreisträger Staatspräsident. Seinen Traum eines friedlichen Nahen Ostens, der geprägt ist von gemeinsamem Handel und Austausch, konnte er allerdings nicht verwirklichen.
Kinder- und Jugendjahre
Geboren wurde Shimon Peres am 2. August 1923 als Szymon Perski im ostpolnischen Wiszniew, dem heutigen Wischnewa in Weißrussland. Seine Familie war im Holz- und Getreidehandel tätig. Eine besonders enge Beziehung pflegte Peres zu seinem Großvater, der ihn die Tora lehrte und ihn mit in die Synagoge nahm. Im Jahr 1934 wanderte die Familie Perski in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina aus – eine Auswanderung, die sie vor dem sicheren Tod bewahrte. Als die Nationalsozialisten Wiszniew einnahmen, trieben sie alle jüdischen Einwohnerinnen und Einwohner in die hölzerne Synagoge, verschlossen die Türen und zündeten sie an. Niemand überlebte, auch der Großvater von Shimon Peres nicht.
Politische Anfänge im Mandatsgebiet
Mit der Ankunft im britischen Mandatsgebiet Palästina hebräisierte Szymon Perski seinen polnischen Namen zu Shimon Peres. „Peres“ bezeichnet auf Hebräisch den für die Landschaft typischen Wüstengeier. Es entsprach dem Zeitgeist der Zionistinnen und Zionisten, Namen aus der Flora und Fauna zu wählen, um damit der Verbindung der heimgekehrten Juden zum Land Ausdruck zu verleihen.
Peres erhielt eine landwirtschaftliche Ausbildung, zog in einen Kibbutz, eine ländliche Kollektivsiedlung, und trat in die Gewerkschaft Histradut und die sozialistische Mapai-Partei von David Ben Gurion ein, dem ersten Ministerpräsidenten Israels. David Ben Gurion wurde sein politischer Ziehvater. Von ihm erhielt er auch den Auftrag, Waffen für die gerade gegründeten israelischen Verteidigungsstreitkräfte im ersten israelisch-arabischen Krieg zu beschaffen. Shimon Peres gelang es, von Frankreich Kampfflugzeuge zu erhalten. Auch mit Deutschland, zu dem damals noch keine diplomatischen Beziehungen bestanden, nahm er 1957 Kontakt auf und schloss mit Verteidigungsminister Franz Josef Strauß ein geheimes Abkommen über deutsche Hilfe an den jungen jüdischen Staat. Während seiner gesamten politischen Laufbahn setzte sich Shimon Peres für die deutsch-israelischen Beziehungen ein. In seiner Rede vor dem Bundestag bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus 2010 beschrieb er seine Gefühle:
„Während mein Herz noch zerrissen ist in Erinnerung an die schreckliche Vergangenheit, so blicken meine Augen doch in die gemeinsame Zukunft einer jungen Welt. Eine Welt ohne jeden Hass. Und einer Welt, in der die Worte Krieg und Antisemitismus gestorben sein werden.“
Politische Karriere
Bei den Wahlen zur vierten Knesset, dem israelischen Parlament, im November 1959 erhielt Shimon Peres zum ersten Mal einen Sitz als Abgeordneter der Partei Ben Gurions. Er wird 48 Jahre lang für drei unterschiedliche Parteien als Mitglied der Knesset wirken und 16 Regierungen in verschiedenen Ministerämtern angehören. In seiner Amtszeit als Verteidigungsminister von 1974 bis 1979 schmiedete er strategisch wichtige Bündnisse, etwa mit Frankreich, das neben militärischer Unterstützung auch die Technik und das Know-How für Israels geheimes Atomprogramm lieferte, das Shimon Peres in der Stadt Dimona initiierte.
Obwohl er nie eine Wahl gewonnen hat, bekleidete Shimon Peres drei Mal das Amt des Ministerpräsidenten: Nach dem Rücktritt Jitzchak Rabins war er kurzzeitig im April 1977 im Amt, von September 1984 bis Oktober 1986 übernahm er, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, den Posten von Jitzchak Shamir. Nach der Ermordung von Jitzchak Rabin, der im Juli 1992 erneut zum Ministerpräsidenten gewählt worden war, war Peres bis zur Neuwahl 1996 geschäftsführend im Amt. In diesem Wahlgang unterlag er äußerst knapp Benjamin Netanyahu, der damals seine erste Amtszeit antrat.
Im Alter von 82 Jahren wurde Shimon Peres unter Ministerpräsident Ariel Sharon sein Stellvertreter und setzte mit ihm den einseitigen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gaza-Streifen gegen massive Proteste von Teilen der Bevölkerung durch. Als er bei einer parteiinternen Wahl seinen Posten als Vorsitzenden nicht verteidigen konnte, trat er 2006 nach 60 Jahren aus der Arbeiterpartei aus und schloss sich Sharons Partei „Kadima“ (Vorwärts) an. Von Kadima wurde er dann im 2007 als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten vorgeschlagen. Die Wahl konnte er im Juni für sich entscheiden, während er noch im Jahr 2000 bei seiner ersten Kandidatur unterlegen war. Bis 2014 diente Shimon Peres als 9. Staatspräsident, dessen Funktion als Staatsoberhaupt mit jener des Bundespräsidenten in Deutschland vergleichbar ist.
Engagement im Friedensprozess
Nachdem er sich zu Beginn seiner Karriere vor allem der Sicherheit Israels gewidmet hatte, setzte er sich etwa seit den 1980er Jahren verstärkt für eine friedliche Lösung des israelisch-arabischen Konflikts ein. In seiner Zeit als Ministerpräsident ordnete er 1985 den Rückzug israelischer Truppen aus dem Libanon an und begann, an einer Zwei-Staaten-Lösung zu arbeiten. Diese Bemühungen setzte er auch in seiner Rolle als Außenminister unter Ministerpräsident Jitzchak Rabin fort und führte geheime Gespräche mit Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), die 1993 in der Unterzeichnung des Gaza-Jericho-Abkommens durch Israel und die PLO in Washington mündeten. Mit diesem Abkommen wurden die Palästinensische Autonomiebehörde gegründet sowie deren Rechte und Befugnisse festgelegt. Da die Verhandlungen in der norwegischen Hauptstadt geführt worden waren, wurden sie als Oslo-Prozess bekannt. Für seine Anstrengungen zur Lösung des Nahostkonflikts erhielt Shimon Peres gemeinsam mit Jitzchak Rabin und Jassir Arafat 1994 den Friedensnobelpreis.
Um den Friedensprozess auf zivilgesellschaftlicher Ebene voranzubringen, gründete Shimon Peres 1997 das Peres Center for Peace. Mit Programmen in den Bereichen Umwelt, Wirtschaft, Kunst, Kultur, bürgerschaftliches Engagement, Medizin, Kommunikation und Sport soll Kooperation, Austausch und Toleranz in der Region gefördert werden.
Würdigung nach seinem Tod
Im September 2016 erlitt Shimon Peres einen Schlaganfall und verstarb kurze Zeit später.
Bei seinem Besuch in Jerusalem im Mai des darauffolgenden Jahres kündigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner an, einen Preis in seinem Andenken zu stiften. Seitdem vergibt das Auswärtige Amt in Kooperation mit der Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum jährlich den mit zwei Mal 10.000 Euro dotierten Shimon-Peres-Preis.
In Israel fällt die Beurteilung von Shimon Peres sowohl im rechten wie im linken politischen Lager ambivalent aus. Peres wusste um seine umstrittene Beurteilung:
„Nein, ich blicke voraus auf das, was morgen passiert. Die Vergangenheit ist tot. Es macht keinen Sinn, sich damit auseinanderzusetzen. Gut oder schlecht, das sollen andere beurteilen, meine ganze Energie setze ich heute für das ein, was morgen kommt.“