24. Februar 1948: 75. Jahrestag der ersten Vollversammlung des Zweiten Wirtschaftsrates der Bizone in Frankfurt am Main
Einen Tag nach dem Beginn der Londoner Sechsmächtekonferenz, auf der im Rahmen von Beratungen zwischen den drei Westalliierten und den Benelux-Staaten als westlichen Nachbarländer Deutschlands entscheidende Weichenstellungen für den Weststaat vorgenommen wurden, tagte am 24. Februar 1948 die erste Vollversammlung des Zweiten Wirtschaftsrates der Bizone in Frankfurt am Main. Die Arbeit dieses Gremiums, das in Form des Ersten Wirtschaftsrates bereits ab dem 25. Juni 1947 bestand, war grundlegend für den späteren wirtschaftlichen Aufschwung in der Bundesrepublik, der sich als der Mythos vom „Wirtschaftswunder“ gesellschaftlich verfing und auch zur politischen Legitimation des neuen Staates beitrug.
Vorläufer des Zweiten Wirtschaftsrates
Durch die zunehmende Entfremdung der Westalliierten von der Sowjetunion im internationalen Kontext des Ost-West-Konfliktes wurden die britische und amerikanische Zone bereits ab Mitte des Jahres 1946 institutionell enger zusammengeschlossen. Mit dem Abkommen zwischen dem amerikanischen Außenminister James F. Byrnes und seinem britischen Amtskollegen Ernest Bevin vom 2. Dezember 1946 wurde die Fusion der anglo-amerikanischen Besatzungszonen zur Bizone zum Stichtag des 1. Januar 1947 vertraglich festgehalten. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Wiesbaden Mitte Juni 1947 wurde die hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Christian Stock beauftragt, Vorbereitungen für den Wirtschaftsrat in Frankfurt zu treffen.
Der Erste (kleine) Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes als Legislative bestand außerdem noch aus einem Exekutivrat und den Direktoren der Verwaltung, die der Bezeichnung entsprechend die exekutive Gewalt innehatten. Gebildet wurde der Wirtschaftrat selbst aus 52 von den Länderparlamenten der Bizone gewählten Mitgliedern, die überwiegend über legislative Kompetenzen verfügten, aber auch die Direktoren der Verwaltung wählte. Die Direktorpositionen im Ersten Wirtschaftsrat wurden ausschließlich von der CDU/CSU besetzt, nachdem die SPD aufgrund von Unstimmigkeiten bei der Besetzung der Direktorien freiwillig in die Opposition ging.
Zweiter Wirtschaftsrat
Verschiedene Unzulänglichkeiten in der bizonalen Verwaltung, die nicht zuletzt mit der geringen Mitgliederzahl des Wirtschaftsrates zusammenhingen, drängten auf eine Reorganisation. So entstand der Zweite (große) Wirtschaftrat, dessen Vollversammlung erstmals am 24. Februar 1948 in Frankfurt tagte. Er bestand weiterhin aus drei Organen, dem Wirtschaftrat selbst, dem Länderrat, der den früheren Exekutivrat ersetzte und aus zwei Vertretern jedes Landes besetzt wurde, und dem Verwaltungsrat. Die Exekutive war in die sechs Ressorts Ernährung und Landwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft, Finanzen, Post- und Fernmeldewesen und Arbeit unterteilt, denen jeweils ein Direktor vorstand. Als wohl prominentestes Gesicht des Wirtschaftsrates ist mit dem Direktor für Wirtschaft der spätere Wirtschaftsminister (1949-1963) und Bundeskanzler (1963-1966), Ludwig Erhard (CDU), zu nennen. Der Zweite Wirtschaftsrat verfügte im Vergleich zum Ersten über erweiterte Gesetzgebungskompetenzen. Erich Köhler (CDU) und Ralf Dahrendorf (FDP) wurden im Rahmen der ersten Vollversammlung als Präsident und Vizepräsident bestätigt.
Arbeit und politisches Erbe des Wirtschaftsrates
In den zwei Jahren seines Bestehens verabschiedete der Wirtschaftsrat 171 Gesetzesvorlagen, von denen 131 in Kraft traten. Im Zentrum seiner Arbeit standen die Sicherung der Lebensmittelversorgung, die Kohleförderung und das Transportsystem. Das Preisgesetz vom 10. April 1948 und das Enthortungsgesetz, das am 21. April 1948 verabschiedet wurde, bildeten den Auftakt einer neuen Wirtschaftspolitik. Deren Höhepunkt wurde mit der Einführung der D-Mark im Rahmen der Währungsreform erreicht, die wiederum durch eine Wirtschaftsreform des Wirtschaftsrates vom 18. Juni 1948 begleitet wurde. Diese Reform, aufs Engste verknüpft mit der Person Ludwig Erhard, ebnete den Weg zur Sozialen Marktwirtschaft. Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 wurde gesichert, dass die Gesetzgebung des Wirtschaftsrates auch nach der Gründung der Bundesrepublik ihre Geltung behielt.