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22. April 1949: 75. Jahrestag des Inkrafttretens des Ruhrstatuts

Am 22. April 1949 verabschiedeten die westlichen Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, Großbritannien, Frankreich und die USA, gemeinsam mit den Benelux-Staaten das sogenannte „Abkommen über die Errichtung einer Internationalen Ruhrbehörde“ in London. Der völkerrechtliche Vertrag sah die Unterstellung der gesamten Kohle-, Koks- und Stahlproduktion im westdeutschen Ruhrgebiet, das während des Krieges als deutsche „Waffenschmiede“ galt, unter die internationale Kontrolle einer „Ruhrbehörde“ vor. Der Konsens der internationalen Ruhrkontrolle wurde darüber hinaus vor allem von französischer Seite zur Bedingung für die Gründung des westdeutschen Nachkriegsstaats gemacht und ist damit ein bedeutender Meilenstein in der bundesdeutschen Gründungsära.

Hintergrund und Formulierung des Ruhrstatuts

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die vier Hauptsiegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich gemeinsam die Regierungsgewalt im besiegten Deutschland und teilten sein Territorium, wie auch das Österreichs, in vier Besatzungszonen. Im Laufe der Jahre 1946/1947 entfremdeten sich die ehemaligen Alliierten, im Besonderen die USA und die Sowjetunion, jedoch sowohl auf weltpolitischer Ebene als auch in der deutschen Frage voneinander. Auf der Londoner Sechsmächtekonferenz, die in zwei Sitzungsperioden vom 23. Februar bis zum 2. Juni in der britischen Hauptstadt stattfand, erarbeiteten Vertreter der Westalliierten und der Benelux-Staaten den Gründungsauftrag für den westdeutschen Nachkriegsstaat. Für dessen Teilsouveränität setzte sich besonders die anglo-amerikanische Allianz ein, während die westlichen Nachbarländer Deutschlands vor dem Hintergrund der erst wenige Jahre zurückliegenden Kriegserfahrungen massive Sicherheitsbedenken äußerten. Frankreich etwa, das spätestens 1947 jegliche Kontrolle über Rohstoffförderung und Produktion der neu geschaffenen Bizone verlor, forderte sogar die vollständige Abtrennung des Ruhrgebiets vom deutschen Territorium. Um den Sicherheitsinteressen der westeuropäischen Staaten Rechnung zu tragen, konzipierten jene sechs Nationen im Dezember 1948 ein System der internationalen Ruhrkontrolle, das im „Deutschland-Kommuniqué“ festgeschrieben wurde.

Inhalt des Ruhrstatuts

Der Internationalen Ruhrbehörde, deren entscheidungsbildender Kopf aus einem Rat bestand, wurde die Dokumentation und Überwachung der gesamten Kohle-, Koks-, und Stahlproduktion von der niederländischen Grenze bis zum Münsterland übertragen. Belgien, die Niederlande und Luxemburg waren zur Entsendung je eines Mitglieds berechtigt, die USA, Großbritannien und Frankreich stellten je drei Stimmen im Rat der im Düsseldorfer Atlantikhaus angesiedelten Behörde. Im Sommer 1949 nahm sie ihre Arbeit auf. Gemäß des Petersberger Abkommens vom 22. November 1949 trat die junge Bundesrepublik, der fortan ebenfalls drei Stimmen im Rat zugebilligt wurden, dem Ruhrstatut unter Kanzler Konrad Adenauer (CDU) am 30. November 1949 bei. In der Folge entsandte die Bundesrepublik unter anderem Franz Blücher (FDP), den Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplans, in die Ruhrbehörde. Die Entscheidungsfindung, etwa über Verbrauchs- und Exportquoten, richtete sich im 15-köpfigen Rat nach dem Mehrheitsprinzip. Schon der Beitritt erfolgte gegen den Protest aus Teilen der von Kurt Schumacher geführten SPD, der den christdemokratischen Bundeskanzler in der entsprechenden Bundestagsdebatte vom 25. November als „Kanzler der Alliierten“ bezeichnete. Darüber hinaus kritisierte die DDR so wie die von der Ruhrkontrolle ausgeschlossene Sowjetunion das Ruhrstatut als vermeintliches Mittel zur „kapitalistischen Wirtschaftsballung“ im (rüstungspolitischen) Sinne der NATO.

Das Ruhrstatut als Vorläuferinstitution der Montanunion

Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Ruhrstatuts skizzierte der französische Außenminister Robert Schuman die Idee, die deutsch-französische Kohle- und Stahlproduktion einer gemeinsamen Kontrollbehörde zu unterstellen, in einem nach ihm benannten Plan. Die am 18. Juli 1951 geschaffene, auf Schumans Konzept basierende „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (Montanunion) löste das Ruhrstatut nach nur rund drei Jahren Geltungsdauer zum 23. Juli 1952 ab. Zu den Gründungsmitgliedern der supranational-europäischen Montanunion gehörten neben Frankreich und der Bundesrepublik außerdem Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Die Montanunion erwies sich nicht nur als aus Gründen der Rüstungskontrolle erfolgreiches Kalkül, sondern entwickelte sich darüber hinaus zur Keimzelle der europäischen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vertiefende Informationen zu den Ereignissen des Jahres 1949, dem Jahr der doppelten Staatsgründung auf deutschem Boden, erhalten Sie hier.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: