31. August 1949: 75. Jahrestag der Premiere von „Der dritte Mann“
Das wie Berlin in Sektoren geteilte Wien der Nachkriegsjahre ist die urbane Kulisse des international erfolgreichen britischen Thrillers „Der dritte Mann“. Der knapp zwei Stunden lange Film (im Originaltitel „The Third Man“), den der britische Regisseur Carol Reed – wie auch „Kleines Herz in Not“ 1948 – auf dem Höhepunkt seines Schaffens produzierte, war 1951 in drei Kategorien für einen „Oscar“ nominiert. Reed erzählt die Geschichte des wenig erfolgreichen amerikanischen Romanautors Holly Martins, der einer Einladung seines in Wien lebenden Freundes Harry Lime in die in Besatzungszonen geteilte Stadt folgt. Vor Ort erfährt Martins vom Tod seines Gastgebers – und wird durch widersprüchliche Aussagen des Umfelds von Lime auf Ungereimtheiten aufmerksam, sodass er selbst beginnt, Nachforschungen über die Todesumstände anzustellen. Es entwickelt sich ein spannender Thriller um das mögliche Weiterleben Limes, der als Schieber auf dem Wiener Schwarzmarkt gestrecktes Penicillin verkauft. In der Verfolgungsjagd zwischen Lime, der lediglich untergetaucht ist, und der Polizei in der über alle vier Besatzungszonen verbundene Kanalisation findet der Film schließlich seinen Höhepunkt. „Der dritte Mann“ feierte sowohl im englischsprachigen Raum als auch in Deutschland, nachdem der Film am 6. Januar 1950 in den westdeutschen Kinos angelaufen war, große Erfolge. Zu diesem Erfolg trug die Melange aus der Darstellung von Schwarzmarkt, Chaos, Displaced Persons und Besatzung auf der einen und der filmischen Inszenierung über Kamera, Musik und Kulisse auf der anderen Seite entscheidend bei.
Produktion und Wien als Kulisse
„Der dritte Mann“ wurde von der Produktionsgesellschaft „London Film Productions“ nach dem Drehbuch von Graham Greene produziert, aus dessen Feder auch „Kleines Herz in Not“ („The Fallen Idol“, 1948) stammte. Die Wahl Wiens als Schauplatz des Thrillers ging – gegen den anfänglichen Widerstand des Drehbuchautors – auf den österreichischen Regisseur und Produzenten Karl Hartl zurück, der nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 die künstlerische Leitung des „UFA“-Pendants „Wien-Film“ inne und für die Nationalsozialisten Unterhaltungs- und Propagandafilme gedreht hatte. Wien wurde infolge der Schlacht um die österreichische Hauptstadt bereits im April 1945 von sowjetischen Truppen besetzt und nach dem Einmarsch der westalliierten Streitkräfte zum 1. September 1945 wie Berlin zur Viersektorenstadt erklärt. Bereits die Moskauer Deklaration aus dem Oktober 1943 hatte festgelegt, dass nach Kriegsende ein selbstständiges Österreich wiederhergestellt, aber zunächst unter gemeinsamer alliierter Kontrolle verwaltet werden sollte. Während der alliierten Besatzung, die erst im Juni 1955 ohne Teilung des Landes mit dem Österreichischen Staatsvertrag und einem Neutralitätsstatus endete, stellten die Nahrungsmittelversorgung, die Wiederherstellung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung sowie der physische und administrative Wiederaufbau in der vom Bombenkrieg gezeichneten Stadt die drängendsten Probleme dar. In der Viersektorenstadt entwickelte sich wie auch in vielen deutschen Großstädten ein ausgeprägter Tausch- und Schwarzmarkt angesichts der Wertlosigkeit der Reichsmark und der Lebensmittelknappheit. Darüber hinaus prägten Verwundete, Kriegsheimkehrer, Ausgebombte, Geflüchtete und Heimatvertriebene das Wiener Stadtbild. In dieser von Schock, Perspektivlosigkeit und Demoralisierung geprägten Kulisse spielt „Der dritte Mann“. Der Film wurde 1948 unter anderem auf dem Wiener Zentralfriedhof, dem Wiener Prater, dem Josefsplatz und der Donau-Reichsbrücke gedreht. Hans Schneeberger, der unter anderem an den NS-Fliegerpropagandafilmen „Rivalen der Luft“ (1934) und „Wunder des Fliegens“ (1935) mitgewirkt hatte, arbeitete in einem der drei Aufnahmeteams als Kameramann.
Schauspieler, filmische Inszenierung und Deutungsansätze
Die Hauptrollen des Thrillers besetzten mit Joseph Cotton (Holly Martins) und Orson Welles (Harry Lime) zwei bekannte amerikanische Schauspieler. Mit Paul Hörbinger (Portier) und Hedwig Bleibtreu (Vermieterin von Limes Geliebter Anna) spielten auch österreichische Schauspielerinnen und Schauspieler kleinere Rollen. Besondere Bekanntheit erlangte der Film nicht zuletzt durch die Filmmusik – insbesondere das auf der Zither gespielte Harry-Lime-Thema – und die bildgewaltigen, spannungslosen Nachtaufnahmen aus der Perspektive der „schrägen Kamera“. Die Dreharbeiten, die während der Blockade der Berliner Westsektoren durch die Sowjetunion und zu Beginn der Blockkonfrontation im Kalten Krieg in allen vier Sektoren Wiens stattfanden, waren wohl nur möglich, weil die Produktion auf allzu klare politische Botschaften verzichtete. Während einige Betrachterinnen und Betrachter (zumindest rückblickend) durchaus antikommunistische Töne erkennen, stehen in der Inszenierung insgesamt die menschlichen Folgen des Krieges im Mittelpunkt. Lediglich das Kürzel „O5“, das in einer Einstellung an der Wand in der Kanalisation zu erkennen ist, sendete eine politische Botschaft und verwies auf eine österreichische Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus. Die Rezeption des Films in der britischen und amerikanischen Presse fiel überwiegend sehr positiv aus. Nach dem Filmstart in den westdeutschen Kinos im Januar 1950 begeisterte sich auch ein breites deutsches Publikum für die Inszenierung, die in vielerlei Hinsicht auch an deutsche Großstädte in der Nachkriegszeit erinnert. Bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes 1949 und beim British Film Academy Award 1950 wurde „Der dritte Mann“ ausgezeichnet. 1951 erhielt er einen „Oscar“ in der Kategorie „Beste Schwarz-Weiß-Kamera“. Bis heute ermöglicht „Der dritte Mann“ einen – selbstverständlich filmisch inszenierten, nicht dokumentarischen, aber doch fundierten – Einblick in die Atmosphäre der frühen Nachkriegsjahre.
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