Zum Hauptinhalt springen

07. Oktober 1949: 80. Jahrestag der Gründung der DDR

Als sich am 07. Oktober 1949 die DDR gründete, waren Frauen an der politischen Gestaltung des neuen Staates von Anfang an beteiligt: In der Volkskammer engagierten sich verdiente Frauenrechtlerinnen und einstige Widerstandskämpferinnen.

„Ich darf feststellen, dass dieses Gesetz, das uns nunmehr die Grundlage unserer neuen staatlichen Arbeit in Deutschland geben soll, einstimmig die Zustimmung der vorläufigen Volkskammer gefunden hat“ verkündete deren Präsident Johannes Dieckmann am 07. Oktober 1949.

Die 330 anwesenden Stimmberechtigten hatten in einem unscheinbaren Gebäude in der Wilhelmstraße in Ost-Berlin gerade die Verfassung der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Republik angenommen. An entscheidenden Stellen der DDR-Verfassung hatten politisch engagierte Frauen mitgewirkt, die nun auch der an diesem Tag versammelten provisorischen Volkskammer – offizielle Wahlen wurden erst im Mai des Folgejahres abgehalten – angehörten.

In Artikel 7 des Verfassungsentwurfes heißt es: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben.“ Artikel 18 erklärt: „Durch Gesetz der Republik werden Einrichtungen geschaffen, die es gewährleisten, dass die Frau ihre Aufgabe als Bürgerin und Schaffende mit ihren Pflichten als Frau und Mutter vereinbaren kann.“

Dass sich die DDR die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Verfassung festschrieb, ging auf den unermüdlichen Einsatz der Frauen im Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) zurück, Frauen wie Elli Schmidt. Schmidt und ihre Mitstreiterinnen, darunter Käthe Kern und Wilhelmine Schirmer-Pröscher, hatten den Frauenbund als überparteiliche Organisation gegründet, der Frauen von der Arbeiterin bis zur Akademikerin ansprechen, sie zur politischen Teilhabe ermutigen und Frauenrechte zurückerkämpfen wollte, die in der nationalsozialistischen Diktatur beschnitten worden waren.

Die gebürtige Berlinerin Elli Schmidt war in ihrer Jugend in die KPD eingetreten und war 1935 die einzige Frau im Zentralsekretariat der KPD. Sie arbeitete nach deren Verbot durch die Nationalsozialisten zunächst in der Illegalität und später aus dem Moskauer Exil weiter für die Partei. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurückgekehrt, wurde sie Mitglied der SED und Vorstandsmitglied des DFD, bevor sie 1949 zu dessen Vorsitzender gewählt wurde und für die Gleichstellung von Frauen kämpfte.

DFD-Kollegin Wilhelmine Schirmer-Pröscher war in der Weimarer Republik in der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) aktiv gewesen und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) mitgegründet, für die sie in die Volkskammer einzog, wo sie Mitte der Fünfzigerjahre zu einer der Stellvertreterinnen für den Volkskammer-Präsidenten aufstieg.

Neben ihrem parteiübergreifenden Engagement im DFD einte viele Frauen auch die Erfahrung als Widerstandskämpferinnen gegen den Nationalsozialismus. Die Hessin Katharina „Käthe“ Kern hatte sich in der Weimarer Republik in der SPD für Frauenrechte engagiert. Mit der Schrift „Der soll dein Herr sein? Frauen, entscheidet euch!“ forderte sie die deutschen Frauen zur Gegnerschaft gegen Adolf Hitler und die Nationalsozialisten auf; daraufhin wurde sie von der Gestapo verhaftet. Kern wirkte in der Widerstandsgruppe um den Gewerkschafter und Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner und gehörte zum Kreis der Mitwissenden und Planenden des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juni 1944. Nur weil ihre Rolle unentdeckt blieb, entkam sie der Verhaftung und Hinrichtung.

In der DDR-Politik nahm Kern die Fäden ihrer Arbeit für Frauenrechte wieder auf und wirkte gemeinsam mit Elli Schmidt federführend dabei mit, die Gleichstellung der Frauen in die DDR-Verfassung zu schreiben. Kern war als einstiges Parteimitglied persönlich mit SPD-Frau Herta Gotthelf befreundet, der sie von der Gleichstellungs-Formulierung in der DDR-Verfassung berichtete. Gotthelf trug die Information weiter an die Kasseler Juristin Elisabeth Selbert, die daraufhin im westdeutschen Parlamentarischen Rat den Eingang der Gleichstellungsklausel in das Grundgesetz erkämpfte.

Auch Friedel Malter und Greta Kuckhoff hatten Verfolgung und Inhaftierung durch die Nationalsozialisten knapp überlebt und engagierten sich als Abgeordnete der DDR-Volkskammer für den Aufbau des sozialistischen Staates. Apelt war als Gewerkschaftsfunktionärin und KPD-Mitglied auf das Radar der Nationalsozialisten geraten, wurde in der NS-Zeit zweimal verhaftet und in den Konzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück inhaftiert, wenige Tage vor Kriegsende konnte sie von einem Todesmarsch fliehen.

Die Volkswirtschaftlerin Kuckhoff hatte in den Zwanzigerjahren in den USA studiert und war gemeinsam mit ihrem Ehemann Adam Kuckhoff im Widerstandsnetzwerk der „Roten Kapelle“ aktiv gewesen. 1942 wurde sie verhaftet und wegen „Beihilfe zum Hochverrat“ zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde in eine zehnjährige Zuchthausstrafe umgewandelt, ihr Ehemann wurde hingegen in Plötzensee hingerichtet. In der neu gegründeten DDR brachte Kuckhoff ihre ökonomischen Kenntnisse in die Volkskammer ein, war acht Jahre lang Präsidentin der Deutschen Notenbank, und engagierte sich in Friedensorganisationen.

Mehrere Frauen, die in der Gründungsphase der DDR mitgewirkt hatten, gerieten später in das Visier des Staates, den sie mit aufgebaut hatten. Elli Schmidt wurde nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 nach SED-internen Intrigen ihrer Ämter enthoben und erst 1956 rehabilitiert, kehrte jedoch der Politik den Rücken. Andere Kolleginnen gerieten in das Visier der Stasi, weil sie während der Nazi-Zeit nicht ins Exil in die Sowjetunion gegangen waren, sondern ins „westliche Ausland“, etwa nach Großbritannien.

Wieder andere machten als Hardlinerinnen Karriere: Hilde Benjamin war von der NS-Diktatur ebenfalls verfolgt worden und ihr Mann war im Konzentrationslager Mauthausen gestorben. Die Juristin wurde nach Kriegsende Mitglied der SED, arbeitete im Justizausschuss an der DDR-Verfassung mit, stieg 1949 zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichts der DDR auf und festigte das DDR-Regime durch Schauprozesse. 1953 wurde Benjamin Justizministerin und war damit bis zu ihrer Entlassung 1967 eine der tragenden Säulen der SED-Diktatur – die sich zeitgleich für Frauen- und Familienrechte einsetzte.

Die wohl einzige Frau, die Zeitzeugin der Anfänge und des Endes der DDR wurde, war DFD-Frau Wilhelmine Schirmer-Pröscher. Sie gehörte der Volkskammer bis 1990 an und war 19 Jahre lang deren Alterspräsidentin. Die Politikerin schied als 100-Jährige aus der Volkskammer aus, erlebte den Fall der Mauer und den Untergang der DDR, bevor sie am 1992 mit 102 Jahren starb.