31. Juli 1898: 125. Todestag von Otto von Bismarck, der als „Eiserner Kanzler“ das Deutsche Reich begründete
Unter der Führung des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck führte Preußen mehrere Kriege, die die Grundlage für die Gründung des (klein-)deutschen Nationalstaats 1871 schufen. Als erster Kanzler des Deutschen Reichs führte er die fortschrittlichsten Sozialgesetze der damaligen Zeit ein und ging gleichzeitig hart gegen die katholische Kirche und die erstarkende Sozialdemokratie vor. Eigentlich vom konservativen Gesellschaftsideal einer vergangenen Epoche überzeugt, verhalf er unbeabsichtigt der Moderne in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zum Durchbruch.
Kindheit, Studium, Leben als Gutsverwalter und Heirat
Der am 1. April 1815 auf Schloss Schönhausen nahe der Elbe bei Stendal in Sachsen als zweiter Sohn geborene Otto Eduard Leopold von Bismarck entstammte väterlicherseits dem alten Adelsgeschlecht Bismarck. Seine nichtadelige Mutter aus der Familie Mencken, aus der Gelehrte und hohe Beamte hervorgegangen waren, achtete darauf, dass Bismarck eine bildungsbürgerliche Bildung erhielt. 1821 kam er in Berlin in ein Knabeninternat. Von 1827 an besuchte er zwei Berliner Gymnasien und machte 1832 als 17-Jähriger das Abitur.
1832 begann Bismarck in Göttingen Jura zu studieren. 1833 setzte er sein Studium an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (seit 1949 Humboldt-Universität) fort und beendete es 1835 mit dem Ersten Staatsexamen. Als Referendar in der mondänen Kurstadt Aachen machte er hohe Spielschulden, verliebte sich erst in eine ältere Französin, dann in eine Engländerin. Als er ihr monatelang hinterherreiste, verlor er seine Stelle. 1838 begann er den Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger.
Anschließend bewirtschaftete er den Familienbesitz südlich von Stettin, ab 1845, nach dem Tod seines Vaters, als Gutsherr von Schönhausen bei Stendal. Er genoss das teils ausschweifende Leben als Landjunker, unternahm 1842 Studienreisen nach Frankreich, England und in die Schweiz. 1846 wurde er zum Deichhauptmann in Jerichow (heute Sachsen-Anhalt) ernannt. 1847 heiratete er die stark pietistisch geprägte Johanna von Puttkamer, mit der er drei Kinder hatte.
Eintritt in die Politik
1845 wurde er Mitglied des Provinziallandtags der Provinz Pommern, zwei Jahre später vertrat er die Ritterschaft der Provinz Sachsen als Mitglied im Vereinigten Landtag. Er fiel als entschiedener Gegner der Märzrevolution, Befürworter einer Regierungsbeteiligung des Adels und als Verteidiger der Privilegien des Landadels auf. 1848 gehörte er zu den Mitbegründern der einflussreichen „Kreuzzeitung“.
1849 wurde er in die zweite Kammer des Preußischen Landtags gewählt, wo er sich als rhetorisch gewandter Redner zeigte. Ein Jahr später wurde er Abgeordneter im Volkshaus des Erfurter Unionsparlaments, obwohl er vom Parlamentarismus und dem Kompromiss König Friedrich Wilhelms IV. mit den gemäßigt Liberalen, eine Verfassung für einen preußisch-kleindeutschen Nationalstaat („Erfurter Union“) zu schaffen, nichts hielt. Als es im Laufe des Jahres 1850 zur politisch-militärischen „Herbstkrise“ mit Österreich und seinen Verbündeten kam, die den Deutschen Bund wiederherstellen wollten, verzichtete Preußen auf die Einigung Deutschlands ohne Österreich und auf seinen Führungsanspruch („Olmützer Punktation“).
Gesandter im Frankfurter Bundestag und Diplomat in Russland und Frankreich
1851 ernannte Friedrich Wilhelm IV. Bismarck zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt. In der Hoffnung, Österreich zu schwächen, setzte er sich nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg für eine Annäherung an das Zarenreich und an Frankreich ein. Mit Beginn der liberal-konservativen Regierungspolitik unter König Wilhelm I. ab 1858 („Neue Ära“) sah Bismarck in dem Kampf für die deutsche Einheit einen Weg, Preußen zu stärken. Allerdings wurde er 1859 zu seinem Missfallen als preußischer Gesandter nach Sankt Petersburg versetzt und 1862 nach Paris.
Otto von Bismarck wird Ministerpräsident
Als sich der preußische Verfassungskonflikt zuspitzte, bei dem Wilhelm I. die Krone und den das Offizierskorps stellenden Adel stärken wollte, das Abgeordnetenhaus hingegen mit seiner Haushaltsblockade die Reorganisation der preußischen Armee und der Landwehr verweigerte, wurde Bismarck auf Empfehlung von Kriegsminister Albrecht von Roon im September 1862 zum Ministerpräsidenten und Außenminister berufen. Nachdem die anfänglichen Kompromissversuche mit der Fortschrittspartei gescheitert waren, regierte er fortan ohne Zustimmung des Abgeordnetenhauses.
Deutsche Einigungskriege und Reichsgründung
Bismarcks Überzeugung, dass die großen Fragen der Zeit durch „Eisen und Blut“ entschieden würden, prägte seine Kriegspolitik, die Preußen die Vormachtstellung bringen sollte. Durch den Sieg im Deutsch-Dänischen Krieg 1864, in dem Preußen und Österreich noch gemeinsam gegen das Königreich Dänemark vorgingen, erweiterte Preußen sein Gebiet um die Herzogtümer Schleswig und Lauenburg; nach dem Sieg im Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 kam Holstein hinzu. Um Österreich nicht an die Seite Frankreichs zu treiben, wurden ihm keine Gebietsabtretungen an Preußen auferlegt, es musste aber der Auflösung des Deutschen Bunds und der Bildung des Norddeutschen Bunds 1866 unter preußischer Führung zustimmen. Die norddeutschen Länder traten ihm 1867 bei, Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt Frankfurt wurden annektiert. Das Großherzogtum Hessen musste mit seiner nördlich gelegenen Provinz Oberhessen sowie den rechtsrheinischen Gemeinden Kastel und Kostheim dem Bund beitreten. Die süddeutschen Länder blieben zwar unabhängig, schlossen aber Verteidigungsbündnisse mit Preußen.
Bayern trat die Bezirke Gersfeld und Orb an Preußen ab. Auch die Stadt Tann in der Rhön ging Bayern verlustig. Preußen gliederte die gewonnenen Gebiete wenig später in seine neue Provinz Hessen-Nassau ein.
Mit der sogenannten Indemnitätsvorlage erbat Bismarck 1866 um die nachträgliche Genehmigung der Ausgaben für die Kriegführung und Heeresreform. Dieser unerwartete Politikwechsel führte zur Abspaltung der Nationalliberalen Partei von der Fortschrittspartei in der Erwartung, dass Bismarck die nationale Frage weiter vorantreibe. Im konservativen Lager trennte sich die Freikonservative Partei von den Altkonservativen, die sich schon länger nicht mehr durch Bismarcks Politik vertreten sahen. Auf beide Abspaltungen konnte er in den nächsten Jahren seine Politik stützen. Mit Reformen der Rechtsordnung, der Wirtschafts- und Sozialverfassung bis hin zur Verwaltungsstruktur kam er zwar vielen liberalen Forderungen entgegen, hatte aber als Bundeskanzler des Norddeutschen Bunds eine starke Machtstellung.
Die nächste Gelegenheit für die hegemonialen Bestrebungen ergab sich aus der spanischen Thronfolgefrage. Bismarck drängte Prinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen zur Kandidatur, was in Frankreich die Sorge vor einer Einkreisung durch hohenzollersche Staaten auslösen musste. Trotz Verzichts des Prinzen verlangte Frankreich von Wilhelm I. eine Verzichtserklärung für alle Zukunft, die Bismarck – als besonderes schroffe Forderung redigiert – als Pressemitteilung herausgab. Der öffentlich brüskierte Kaiser Napoleon III. erklärte daraufhin am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg. Damit war für Baden, Bayern, Württemberg und Hessen der Bündnisfall gegeben; außerdem traten sie noch während des Krieges dem Norddeutschen Bund bei, der zum 1. Januar 1871 zum „Deutschen Bund“ erweitert und in der neuen Reichsverfassung von 1871 als „Deutsches Reich“ bezeichnet wurde.
Für die Kaiserproklamation König Wilhelms I. am 18. Januar 1871 wurde nach dem Sieg über Frankreich der Spiegelsaal von Versailles gewählt, dessen Deckengemälde u.a. Eroberungen deutscher Länder durch Frankreich verherrlichten. Bismarck wurde am 21. März 1871 zum Reichskanzler des neu geschaffenen Nationalstaats ernannt und in den Fürstenstand erhoben. Wilhelm schenkte ihm außerdem den Sachsenwald in der Nähe Hamburgs, wo er sich später in dem Herrenhaus in Friedrichsruh niederließ.
Für Bismarck war das Deutsche Reich nun außenpolitisch „saturiert”. Ein kompliziertes Bündnissystem sollte v.a. Frankreich isolieren und Deutschland zu einer dominanten Rolle in Europa verhelfen. Als selbst ernannter „ehrlicher Makler" vermittelte er 1878 auf dem Berliner Kongress und 1884 auf der Kongokonferenz. In den 1880er-Jahren geriet die Gleichgewichtspolitik allerdings ins Wanken. Territoriale Erwerbungen in Afrika und Asien waren Ausdruck einer nur kurzen imperialen Phase.
„Kulturkampf“, Sozialistengesetz und Sozialgesetzgebung
Innenpolitisch wendete sich Bismarck zunächst gegen die als starke Konkurrenz betrachtete junge Zentrumspartei. Ab 1872 ging er hart gegen den Einfluss der katholischen Kirche vor und führte 1875 die Zivilehe ein. Aufgrund des Bruchs mit den Nationalliberalen 1878 suchte er jedoch eine Verständigung mit der Kirche und arbeitete auf ein Ende des „Kulturkampfs“ hin.
Ab 1878 ging er gegen die aufstrebende Sozialdemokratie vor, deren Aktivitäten er mit dem Sozialistengesetz beschnitt. Infolge der durch die Hochindustrialisierung hervorgerufenen katastrophalen Arbeits- und Wohnverhältnisse der Lohnarbeiter suchte er die Arbeiter mit einer staatlichen Sozialgesetzgebung zugunsten der Monarchie von der Arbeiterbewegung fernzuhalten, scheiterte darin aber. 1883 wurde eine Krankenversicherung, 1884 eine Unfallversicherung, 1889 eine Alters- und Invaliditätsversicherung (ab 1891 als Rentenversicherung) eingeführt.
„Der Lotse geht von Bord“ (Zitat aus dem britischen Magazin „Punch“)
Als im Dreikaiserjahr 1888 zuletzt Wilhelm II. Kaiser wurde, wurde Bismarck am 20. März 1890 aufgrund innen- und außenpolitischer Meinungsverschiedenheiten als Kanzler entlassen. Er zog sich verbittert nach Friedrichsruh zurück und begann mit seinen Memoiren. 1894 starb Bismarcks Frau. Ab 1896 verschlimmerten sich seine vielen Erkrankungen und führten am 30. Juli 1898 zu seinem Tod. Er wurde in Friedrichsruh beigesetzt. Die bereits nach seiner Entlassung einsetzende Verehrung seiner Person nahm nach seinem Tod noch einmal gewaltig zu. Es wurden Bismarck-Gesellschaften gegründet, Bismarcktürme und -brunnen errichtet und zahllose Straßen, Schiffe, Orte und die berühmten Heringe nach ihm benannt.