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24. Juli 1920: 100. Todestag von Ludwig Ganghofer

Der Dienstleister der Heimat-Sehnsucht und seine Bezüge in die Zeit der Globalisierung

„Ganghofer ist definitiv keine Person des politischen Geschehens oder der politischen Bildung. Gleichwohl bediente er seinerzeit mit seinen Romanen eine gesellschaftliche Sehnsucht, einen Drang nach Geborgenheit und ‚Schollenzugehörigkeit‘, den wir heute zu Zeiten von Globalisierung und Corona-Krise wieder verstärkt spüren oder zu spüren glauben. Es ist der Drang nach einer heilen, ehrlichen und friedlichen Welt. Heute sind die vermeintlichen Verfechter dieser Weltsicht die scheinbar enthüllenden Verschwörungstheoretiker in den Weiten des Internets. Heimat ist so wieder eine Kategorie der Politik geworden, indem z.B. Heimatbilder als Mittel zur politischen Einflussnahme benutzt werden. Darum lohnt der kritische Blick auf Ganghofer und sein Leben, das wiederum längst nicht so unpolitisch war wie vielfach angenommen,“ so Dr. Alexander Jehn, Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung.

Ludwig Albert Ganghofer, am 7. Juli 1855 als Sohn des Försters und späteren Leiters der Königlich Bayerischen Forstverwaltung August Ganghofer und dessen Frau Charlotte, geborene Louis, in Kaufbeuren zur Welt gekommen, verbrachte seine Kindheit an verschiedenen Orten in Bayern. 1875 begann er ein Maschinenbaustudium in München, wechselte dann aber die Fächer und studierte Literaturgeschichte und Philosophie in München, Berlin und Leipzig, wo er 1879 seine Promotion abschloss. 1880 schrieb Ganghofer sein erstes Schauspiel, „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“, das in München und in Berlin mehrfach aufgeführt wurde.

1881 verlagerte Ganghofer seinen Lebensmittelpunkt nach Wien, wo er ein Jahr später Kathinka Engel heiratete, mit der er vier Kinder hatte. In Wien arbeitete er zunächst als Dramaturg am Wiener Ringtheater. Danach war er vor allem journalistisch tätig u.a. als Feuilletonist für das Wiener Tagblatt und als Theaterrezensent. Mit der Veröffentlichung des Romans „Der Jäger von Fall“ 1883 kam der erste schriftstellerische Erfolg. In seiner Wiener Zeit traf er sich regelmäßig mit Literaten, Künstlern und Musikern, wie z.B. Isidor Mautner, Hugo von Hofmannsthal, Johann Strauss und Vinzenz Chiavacci, mit dem er Zeit seines Lebens freundschaftlich verbunden war.

Nach dem erfolgreichen Romandebüt folgten zahlreiche Romane, Erzählungen und Novellen, die in weithin bekannt machten, u.a. „Der Unfried“ (1888), „Der Klosterjäger“ (1892), „Die Martinsklause“ (1894), „Schloss Hubertus“ (1895), „Das Schweigen im Walde“ (1899) oder „Der Hohe Schein“ (1904). Auf romantische, idealisierende Weise beschreibt Ganghofer in seinen Werken die Natur vor dem Hintergrund einer monarchisch geprägten Gesellschaft, deren Konflikte und Probleme er aber ebenso herausarbeitet. Seine Charaktere entstammen zumeist seiner Familienchronik oder seinen Jugenderlebnissen.

1895 zog die Familie Ganghofer nach München. Dort fand Ganghofer, auch dank seiner gewinnenden und humorvollen Art, schnell Zugang zur Kulturszene und gründete 1898 die Münchner Literarische Gesellschaft. Gerne lud er Gäste in sein Haus nach München oder auch nach Leutasch (Tirol) in sein Jagdhaus „Hubertus“ ein. Zu seinen vielen Gästen zählten u.a. Ludwig Thoma, Friedrich August von Kaulbach, Franz von Stuck, Franz von Defregger, Rainer Maria Rilke, Paul Heyse, Eva Hauptmann, Hugo von Hofmannsthal, Franz von Jauner, Leo Slezak oder Richard Strauss. Mit Nachdruck setzte er sich für Autoren ein, wie z.B. Rilke oder Frank Wedekind, die wenig Anerkennung fanden oder zensiert wurden. 1909 unterzeichnete er mit Frank Wedekind und Heinrich Mann den Demokratisierungsaufruf „Für die preußische Wahlreform“. Zudem förderte er aber auch junge Talente wie Adele Sandrock und Karl Valentin.

Zwischen 1915 und 1917 berichtete Ganghofer als Kriegsberichterstatter von Kriegsschauplätzen an der West- und Ostfront. Seine Berichterstattung war durch eine patriotische Gesinnung geprägt, die nicht selten in Lobeshymnen auf das Heldentum der Soldaten, Hindenburg und den Kaiser mündeten und dabei die Schattenseiten des Krieges kaum berücksichtigte.

Ganghofer verstarb 1920 am Tegernsee. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof der Kirche St. Laurentius in Rottach-Egern neben dem von Ludwig Thoma.
Ganghofer ist einer der meistverfilmten deutschen Schriftsteller. Bereits ab 1912 wurden seine Romane in Stummfilmen verarbeitet. In den 1950er Jahren folgten zahlreiche Heimatfilme. Die bisher letzten großen Ganghofer-Filme entstanden in den 1970er-Jahren.