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23. Oktober 1923: 100. Jahrestag des Beginns des „Hamburger Aufstands“ der KPD unter der Führung von Ernst Thälmann

Der Sturm von rund 300 kommunistischen Aufständischen auf mehrere Hamburger Polizeireviere am Morgen des 23. Oktober 1923 markierte den Beginn des nur etwa 48 Stunden andauernden Ausnahmezustands, der als „Hamburger Aufstand“ in die Geschichte einging. Ziel der von Teilen der Hamburger KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) unterstützten Revolte war der gewaltsame Umsturz der politischen Ordnung in der Weimarer Republik nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution von 1917. Der „Hamburger Aufstand“ kostete insgesamt 88 Zivilistinnen und Zivilisten sowie sechs kommunistische Aktivisten das Leben. Obwohl die erste deutsche Demokratie im Jahr 1923 unter dem Druck von Hyperinflation, politischem Extremismus und gesellschaftlicher Polarisierung ächzte, erwies sie sich im Umgang mit dem kommunistischen Umsturzversuch in Hamburg als wehrhaft. Ernst Thälmann (KPD), einer der Schlüsselfiguren der Revolte, wurde die zweifache Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten 1925 sowie 1932 dennoch nicht verwehrt.

Vorgeschichte und Planung der Revolte

Nachdem in der Hansestadt bereits im November 1918 ein Arbeiter- und Soldatenrat nach russischem Vorbild die Räterepublik ausgerufen hatte, blieb Hamburg in den frühen Jahren der Weimarer Republik ein Zentrum der politischen Linken. Auf die Initialzündung eines zwar vereitelten, aber dennoch politisch wirksamen Bombenanschlags von Berliner KPD-Mitgliedern auf die Siegessäule als Insignie des verhassten preußischen Obrigkeitsstaats reagierend rief die Hamburger KPD am 19. März 1921 zum Generalstreik auf. Am Millerntor, am Holstenplatz und vor dem Rathaus fielen anschließend Schüsse in der Konfrontation mit der Polizei. Durch die (später wieder zurückgenommene) Entlassung aller Werft-Arbeiter wurde der Putschversuch schließlich niedergeschlagen. Die antirepublikanische Gesinnung in den Kreisen der Hamburger Kommunisten blieb davon jedoch unangetastet.

Die wirtschaftliche Krise der Weimarer Republik im Zusammenhang mit der grassierenden Hyperinflation im Jahr 1923 bescherte der KPD – wie auch der politisch extremen Rechten in Gestalt der besonders in Bayern erfolgreichen NSDAP – weiteren Zulauf. Die Reichsregierung um Reichskanzler Stresemann (DVP) verhängte im Angesicht der Häufung an sich wechselseitig verstärkenden wirtschaftlichen und politische Krisen den Ausnahmezustand und verabschiedete am 13. Oktober ein „Ermächtigungsgesetz“, um die politische Lage auch vor dem Hintergrund der Regierungsbeteiligung der KPD in Sachsen und Thüringen durch weitreichende Vollmachten kontrollieren zu können. Die Bedingungen für einen Umsturzversuch schienen Hugo Urbahns und Hans Kippenberger, den Köpfen hinter den Geschehnissen des 23. und 24. Oktober, günstig.

Ablauf des „Hamburger Aufstands“

Am 23. Oktober stürmten 300 Hamburger KPD-Mitglieder 17 Polizeireviere in Hamburg und sieben weitere in Schleswig-Holstein, um Waffen für die Revolte zu erbeuten. Weil die Aufständischen den Umsturzversuch lediglich im Hamburger Stadtteil Barmbek länger als ein paar Stunden aufrechterhalten konnten, wird der „Hamburger Aufstand“ auch gelegentlich als „Barmbeker Aufstand“ bezeichnet. Dort, in einer kommunistischen Hochburg, erhielten sie Unterstützung von der lokalen Bevölkerung und errichteten zahlreiche Barrikaden. Am 24. Oktober gelang es der Hamburger Polizei schließlich, dem Aufstand gewaltsam ein Ende zu bereiten.

Unmittelbare und langfristige Folgen des „Hamburger Aufstands“

In der Folge des kommunistischen Umsturzversuchs wurden 1.400 Personen festgenommen, darunter Fritz Esser, Walter Fließ und Alfred Levy. Der kommunistische Wortführer Ernst Thälmann tauchte zunächst unter. Ab Februar 1925 verhandelte das Landgericht Altona gegen 191 Aufständische – die junge Weimarer Republik erwies sich zumindest mittelfristig als wehrhaft. Darüber hinaus führte der „Hamburger Aufstand“ aber auch zu einer weiteren Entfremdung der politischen Linken, sprich zwischen der KPD und der staatstragenden SPD und damit gesamtgesellschaftlich zu einer weiteren politischen Polarisierung. Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Oktober 1924 konnte sich die KPD im Vergleich zum Wahlergebnis aus dem Jahr 1921 um rund vier Prozentpunkte verbessern.

Ernst Thälmann – kommunistischer Revolutionär und Kandidat bei der Wahl zum Reichspräsidenten

Ernst Thälmann, geboren 1886 in Hamburg, wurde 1903 Mitglied der SPD. Ab 1915 kämpfte er als Kanonier an der Westfront und wurde zwei Mal verwundet. Im November 1918 beteiligte Thälmann sich an der Aufstellung des ersten Hamburger Arbeiter- und Soldatenrats nach dem Vorbild der russischen Oktoberrevolution und trat der USPD (Unabhängige SPD) bei, die sich während des Ersten Weltkriegs von der Mehrheitssozialdemokratie abgespalten hatte. Nach dem mehrheitlichen Anschluss der USPD an die „Kommunistische Internationale“ und der Vereinigung mit der KPD im Jahr 1920 war Thälmann von 1924 bis 1933 Reichstagsabgeordneter der KPD und ab 1925 auch deren Vorsitzender. Bei der Reichspräsidentenwahl 1925 erhielt Thälmann 7 Prozent der Stimmen.  Als Thälmann bei der Reichspräsidentenwahl 1932 gegen Paul von Hindenburg (parteilos) und Adolf Hitler (NSDAP) antrat, unterstützten SPD, Linksliberale und die Zentrumspartei die Kandidatur des Amtsinhabers Hindenburg, um Hitler als Reichspräsidenten zu verhindern. Thälmann erreichte hier 13,2 Prozent der Wählerstimmen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der KPD-Politiker am 3. März 1933 verhaftet. Thälmanns Festnahme und Inhaftierung wurde besonders nach der Annäherung des NS-Regimes an die Sowjetunion in Form des Hitler-Stalin-Paktes von 1939 zu einem internationalen Politikum. Am 18. August 1944 wurde der ehemalige KPD-Vorsitzende im Konzentrationslager Buchenwald ohne Gerichtsverhandlung erschossen. Trotz oder gerade wegen des Scheiterns des „Hamburger Aufstands“ avancierte Thälmann in der Folge zur Gallionsfigur der deutschen Kommunisten, dessen Name als „Führer der deutschen Arbeiterklasse“ von der SED-Diktatur in Ost-Berlin vereinnahmt wurde. So wurden 1948 beispielsweise die Pionierorganisation Ernst Thälmann als Vorstufe zur Mitgliedschaft in der FDJ gegründet. Kurios war die symbolische Schenkung einer Ernst-Thälmann-Insel vor Kuba 1972 durch den kubanischen Diktator Fidel Castro an die SED-Führung.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: