01. August 1949: 75. Jahrestag der Wiederbegründung der „Zuse KG“ im osthessischen Neukirchen (Haunetal)
Er ist der Kopf hinter einer technischen Revolution, die unseren Alltag im 21. Jahrhundert so sehr prägt, wie wohl kaum eine andere: Mit seiner Z3 entwickelte Konrad Zuse 1941 den ersten automatischen, programmgesteuerten, funktionsfähigen Computer der Welt. Zuses Geschichte erzählt einerseits von bahnbrechenden, bis heute nachwirkenden Pionierleistungen im Bereich von Informatik und Computertechnik, andererseits aber auch von der Förderung der Nationalsozialisten zu Beginn der Entwicklungsgeschichte, die in den Rechenmaschinen das Potential für die Flugzeug- und Bombenproduktion erkannten und zu nutzen wussten. Aufbauend auf dem 1941 geschaffenen „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau“ begründete der Ingenieur sein Unternehmen im Jahr 1949 unter dem Namen „Zuse KG“ im osthessischen Neukirchen (Haunetal) wieder, das damals zum Kreis Hünfeld gehörte. Die Firma war die Keimzelle der Computermodelle Z11 bis Z23, denen wiederum eine taktgebende Vorbildfunktion für die weltweite Entwicklung von Rechnern, Tablets und Smartphones zukam.
Konrad Zuses Kindheit, Jugend und Ausbildung
Konrad Ernst Otto Zuse kam am 22. Juni 1910 als zweites Kind des Postbeamten Emil Zuse und dessen Frau Maria (geborene Crohn) in Deutsch-Wilmersdorf bei Berlin zur Welt. Bereits während der Schullaufbahn, die Zuse wegen mehrerer berufsbedingter Umzüge der Familie in Braunsberg (Ostpreußen) sowie im sächsischen Hoyerswerda verbrachte, zeigte sich das technische und gestalterische Talent des Jungen. Nach dem Abitur schrieb Zuse sich zunächst für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg (heute TU Berlin) ein, wechselte jedoch nach kurzer Zeit über Architektur in den Studiengang Bauingenieurwesen, den er 1935 mit Diplom abschloss.
Erfindung der Z-Rechenmaschinen und Wirken im Nationalsozialismus
Nach dem Studium begann Zuse, als Statiker bei der „Henschel Flugzeug-Werke AG“ in Schönefeld zu arbeiten. Die Nationalsozialisten ließen der zivilen Luftfahrt und dem Segelflug wegen des großen militärischen Potentials früh eine große finanzielle und ideelle Förderung zuteilwerden. Der Leitspruch des Reichsluftfahrtministers und Oberbefehlshabers der Luftwaffe, Hermann Göring, das deutsche Volk müsse „ein Volk von Fliegern“ werden, zeigt in eindrücklicher Weise, welche Bedeutung die nationalsozialistische Führung der Luftwaffe beimaß. In den Jahren vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs tüftelte Zuse parallel zu seiner Arbeit bei „Henschel“ in der elterlichen Wohnung an der Entwicklung von Rechenmaschinen. Aufbauend auf die Z1 und die Z2 entwarf er 1941 mit der Z3 den ersten funktionsfähigen Universalrechner der Welt, deren Entwicklung die „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“ mit 25.000 Reichsmark förderte. Die originale Z3, der ihr Uhrheber unter anderem Einsatzmöglichkeiten in Rassenforschung und Vererbungslehre zusprach, wurde am 21. Dezember 1943 im Rahmen eines alliierten Luftangriffs auf Berlin zerstört. Zuse selbst wurde zwar zweimal einberufen, konnte dem Kriegsdienst jedoch mithilfe von Herbert Wagner, dem Leiter der für die Gleitbombenherstellung zuständigen „Sonderabteilung F“ bei „Henschel“, der ihn für unabkömmlich erklärte, umgehen. Die (militärische) Bedeutung, die die politische Führung in seinen Innovationen sah, belegt auch die Gründung seines Unternehmens „Zuse Ingenieurbüro und Apparatebau“ im Jahr 1941. NSDAP-Mitglied wurde er jedoch nicht. Nach seiner Heirat mit Gisela Brandes im Januar 1945 floh Zuse mitsamt seiner gerade entwickeltem Z4 vor der vorrückenden Roten Armee über Göttingen ins Allgäu.
(Wieder-) Begründung der „Zuse KG“ in Neukirchen und Unternehmensentwicklung
Bereits 1944 hatte Zuse sein Ingenieurbüro in eine Kommanditgesellschaft (KG) umgewandelt. Gemeinsam mit Harro Stucken und Alfred Eckhard begründete er die „Zuse KG“ zum 1. August 1949 in der damals zum Kreis Hünfeld gehörigen Stadt Neukirchen (Haunetal) wieder. Als eine der ersten Tätigkeiten setzten eine Handvoll Mitarbeiter die Z4 wieder instand, die daraufhin als europaweit einziger programmierfähiger Rechner an die „Eidgenössische Technische Hochschule Zürich“ vermietet wurde. Auf Wunsch der Wetzlarer Firma „Leitz“ entwickelte das Unternehmen die Z4 für mehrere hunderttausend DM innerhalb weniger Monate zur leistungsfähigeren Z5 weiter, die in der optischen Industrie für komplexe Linsenberechnungen eingesetzt wurde. 1955 ging mit der Z11 bei der inzwischen auf mehrere Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsenen „Zuse KG“ erstmals ein Computer in Serienproduktion, ein Jahr später gelang in Gestalt der Z22 die Entwicklung eines Rechners auf elektronischer Basis. Der wirtschaftliche Erfolg der Firma machte 1957 den Umzug in größere Räumlichkeiten nach Bad Hersfeld notwendig. 1964 musste Zuse seine Anteile am Unternehmen wegen Überschuldung abgeben, das vollständig vom Elektrotechnikkonzern „Brown, Boverie & Cie.“ übernommen wurde. Drei Jahre später kaufte „Siemens“ 70 Prozent der Unternehmensanteile auf, Zuse selbst musste den Betrieb verlassen, 1971 wurde auch der Firmenname eliminiert. In den 20 Jahren zwischen der Wiederbegründung 1949 und 1969 produzierte die „Zuse KG“ als erste Computerfirma der Welt Rechner im Wert von rund 100 Millionen DM. Konrad Zuse verstarb am 18. Dezember 1995 85-jährig in Hünfeld. In der ehemaligen Kreisstadt Hünfeld lädt ein Konrad-Zuse-Museum zur Auseinandersetzung mit dem Erfinder-Leben von Konrad Zuse ein. In der Ausstellung sind einige der hier gebauten Computer zu besichtigen, unter anderem die Rechenmaschine Z22 von 1958, die als erste mit Röhren- anstatt Relais-Schaltung arbeitete.