Simone Frieling: Rosa Luxemburg: Revolutionärin und Humanistin
Wiesbaden, 29. Januar 2019 – Simone Frieling, Schriftstellerin und Künstlerin, zeichnete an diesem Abend vor zahlreichen Besuchern in der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung in ihrem Vortrag ein anderes, weniger bekanntes Bild von Rosa Luxemburg. Zunächst begrüßte Dr. Alexander Jehn, Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) die Referentin und die Gäste und blickte in seinen einführenden Worten auf die politische Rosa Luxemburg. Sie sei in ihrem Wesen naturverliebt, rebellisch und revolutionär gewesen. Während ihrer Schulzeit war sie ab 1884/85 bereits im revolutionären Untergrund Warschaus aktiv und unterhielt Kontakte zur Sozialrevolutionären Proletariat-Partei. Die letzten Schuljahre seien bereits von jenem Aktivismus geprägt gewesen, dem sie sich Zeit ihres Lebens theoretisch und praktisch verpflichtet fühlte. Einfluss auf ihre Haltung und Gesinnung hatte aber auch die Literatur. Ihr Idol war Adam Mickiewicz, der Gründungsvater der polnischen Romantik, dessen Idealismus sie teilte und leidenschaftlich bewunderte, wie Dr. Jehn weiter erläuterte. Letztendlich sei sie, so Dr. Jehn abschließend, ambivalent gewesen, changierend zwischen Zuneigung und Distanz, zwischen Milde und Schärfe.
Simone Frieling wies im Anschluss an die einleitenden Worte von Dr. Jehn in ihrem Vortrag zunächst darauf hin, dass sie mit ihrem Buch über Rosa Luxemburg (Rebellinnen – Hannah Arendt, Rosa Luxemburg und Simone Weil, 2018) das Bild ihrer Persönlichkeit in der Öffentlichkeit verändern möchte. Sie habe sich Rosa Luxemburg als Künstlerin genähert und glaube, sie habe den Kern von ihr, nämlich eine Künstlernatur, in ihr gefunden. Die Briefe von Rosa Luxemburg vor allem an ihre Freunde haben ihr dabei den Zugang zu ihrem Innersten verschafft. Aus verschiedenen Briefen zitierte dann auch Simone Frieling an diesem Abend, um verschiedene Facetten ihrer Persönlichkeit herauszuarbeiten. Sie sei eine unabhängige Denkerin mit einer inneren Freiheit gewesen, die sich der Natur sehr verbunden fühlte und die Natur für sie das höchste Gut darstellte. Mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit und Freiheit wurde sie zur Revolutionärin. Den Krieg verabscheute und hasste sie, denn er bedeutete für Rosa Luxemburg den Untergang der Zivilisation. Auch die Politik verfluchte sie öfters in ihren Briefen. Größtes Vorbild für sie war Goethe („Goethe wirkt ungemein beruhigend“). Sie selbst war vielseitig begabt. Sie beherrschte mehrere Sprachen (russisch, deutsch, polnisch, englisch, französisch, lateinisch), war Journalistin, Wissenschaftlerin, Dolmetscherin, Zeichnerin, Rednerin, Sängerin und Botanikerin. Sie musste sich immer mit einem Thema, einer Sache intensiv auseinandersetzen. Das war ihr innerer Antrieb.
Als Mensch sei Rosa Luxemburg eine begeisterte Fußgängerin gewesen, trotz oder gerade aufgrund ihres Hüftleidens. Sie hatte einen unfehlbaren Blick für Schwächen. War selbstironisch. Sie trat sehr gepflegt auf (Kleidung und Schuhe). Ihre Haare waren meist hochgesteckt. Sie hatte große, leuchtende Augen. Sie trat als emanzipierte Frau auf und verschaffte sich Respekt in der Männerwelt durch ihr selbstbewusstes Auftreten. Gegenüber ihren Freunden war sie sehr großzügig, gütig und liebenswert. Sie war eine komplizierte Persönlichkeit, anspruchsvoll, besserwisserisch, freundschaftlich, für die Liebe wohl weniger geeignet. In einem Liebesbrief an Leo Jogiches brachte sie ihre Sehnsucht nach einem normalen bürgerlichen Leben, ihre Sehnsucht nach einer kleinen Familie und Kindern zum Ausdruck. Es sei einer der schönsten Liebesbriefe, die sie kenne, so die Autorin dazu. Bei ihren öffentlichen Auftritten glänzte sie durch ihre mitreißenden Reden. Sie sprach frei, ging lässig auf der Bühne auf und ab und nahm Kontakt zum Publikum auf. Sie war eine Meisterin des Wortes und der Feder. Sie zog viele Menschen in ihren Bann. Sie argumentierte pointiert, oft auch am Rande der Provokation. Damit war sie auch eine Ausnahmeerscheinung in der Politik. Bei der SPD war sie meist die einzige Frau unter Männern.
Während ihrer Zeit im Gefängnis (sie wurde insgesamt neun Mal inhaftiert) erhielt sie viel Unterstützung von ihren Freunden. In dieser Zeit schrieb sie sehr viele Briefe an ihre Freunde, u.a. an Luise Kautsky, Leo Jogiches, Kostja Zetkin oder Sophie Liebknecht. „Man kommt sich vor wie im Grab“, schrieb sie in einem dieser Briefe. Das Inseldasein wurde dabei zu ihrer Identität. Sie wurde zu einer Einsiedlerin, die für sich einsehen musste, dass sie als Politikerin, als Anti-Militaristin und als Liebende gescheitert war.
Letztendlich bleibe das Bild von Rosa Luxemburg offen, wegen ihrer außergewöhnlich reichen Persönlichkeit, die sich nirgendwo einordnen ließe, so Simone Frieling abschließend.
Nach dem spannenden Vortrag der Autorin gab es noch Fragen aus dem Publikum, die sich u.a. auf die politische Rosa Luxemburg und ihr Nachwirken bezogen.