Kerstin Wolff/Frauke Geyken: Starke Hessinnen
Reihe Literatur und Politik
Wiesbaden, 14. Juni 2019 – Dr. Kerstin Wolff und Dr. Frauke Geyken stellten an diesem Abend im Gespräch mit Mechthild Harting, Redakteurin der FAZ, ihre neu erschienene Publikation „Starke Hessinnen – 100 Jahre Politikerinnen im Hessischen Landtag“ in der Reihe „Blickpunkt Hessen“ vor. Zuvor begrüßte Jürgen Kerwer, der die Vortragsreihe bei der HLZ verantwortet, die Gäste.
Auf die erste Frage von Mechthild Harting, wann der entscheidende Moment zur Weichenstellung für das Frauenwahlrecht gewesen sei, holte Dr. Frauke Geyken in ihrer Antwort weit aus. Entscheidend sei der Beschluss des Rats der Volksbeauftragten am 12. November 1918 gewesen, das geheime, gleiche, allgemeine und freie Wahlrecht für alle Menschen, die das 20. Lebensjahr erreicht haben, einzuführen. Die Umsetzung erfolgte dann bereits am 19. Januar 1919 bei der Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung. Der Zeitraum zur Mobilisierung der Frauen, zur Wahl zu gehen oder sich aufstellen zu lassen, sei allerdings sehr kurz gewesen, so Dr. Wolff ergänzend dazu.
Wegbereiter sei die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehende Frauenbewegung mit einer wachsenden Anzahl von Frauenvereinen gewesen, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg bereits über 500.000 Mitglieder hatten. Ebenso forderte die SPD (damals als einzige Partei) in ihrem Wahlprogramm von 1891 die Einführung des Frauenwahlrechts, so Dr. Geyken weiter.
Bei der nächsten Frage, wer sich von den Frauen in der Hessischen Volkskammer in der Zeit der Weimarer Republik engagierte, erläuterte Dr. Wolff, dass es keine Neulinge in der Politik waren, sondern Frauen, die zuvor in der Frauenbewegung bereits aktiv waren und sich nun einmischen und mitmachen wollten, wie z.B. Julie Heraeus oder Karoline Belser. Allerdings konnten sie sich nur in wenigen Feldern, wie Soziales, Sittlichkeit oder Schule, inhaltlich einbringen.
Was änderte sich nach 1945 für die Frauen? Hierzu antwortete Dr. Wolff, dass die Nazi-Zeit hier ihre Spuren hinterlassen hätte. Zwar sei das Frauenwahlrecht nicht in Frage gestellt worden, allerdings hätten viele und gerade die jungen Frauen aus den Erfahrungen der NS-Zeit (Bund deutscher Mädel z.B.) keine Ambitionen gehabt, in die Politik zu gehen. Wieder waren es gestandene, allerdings nur wenige Frauenpersönlichkeiten wie Gabriele Strecker oder Elisabeth Selbert, die in die Politik gingen.
Die nächste Zäsur sei die 68er-Bewegung (zweite Frauenbewegung) gewesen, in der die Gleichberechtigung der Frauen eingefordert und der Platz der Frau in der Gesellschaft zur Diskussion gestellt wurde. Ab Ende der 70er bis in die 80er und 90er Jahre hinein stieg dann auch die Zahl der Frauen im Hessischen Landtag kontinuierlich an bis zu einem Anteil von rund 30 Prozent. Die erste Hessische Ministerin (Minister für Bundesangelegenheiten) wurde Dr. Vera Rüdiger im Kabinett von Holger Börner (SPD) 1978. Bahnbrechend hinsichtlich einer Quote waren die GRÜNEN, die von Anfang an Ämter zwischen Frauen und Männern im gleichen Verhältnis aufgeteilt hätten, führte Dr. Wolff aus.
Auf die Frage der Moderatorin, warum die Frauenbewegung denn nun „verebbt“ sei, meinte Dr. Wolff, dass man nicht von verebben sprechen könne. Stattdessen hätten sich die Formen verändert. Es hätte in der Vergangenheit in der Frauenbewegung immer Auf und Ab‘s gegeben mit Hochphasen (1890 bis 1914, 1945-1952, 1968-80er Jahre) und Tiefpunkten. Gegenwärtig sei die Frauenbewegung wieder stark. Die Frauenfrage bleibe aktuell und brauche weiter Zeit. Dazu forderte Frau Dr. Wolff: „Wir brauchen mehr Frauen in der Politik.“
Als weiteres Beispiel für die Nicht-Gleichberechtigung der Frauen führte Dr. Wolff das Bürgerliche Gesetzbuch an, das in seiner Fassung von 1900 ein „Machwerk gegen Frauen“ sei und erst nach 1945 die Paragraphen in Etappen im Sinne der Gleichberechtigung abgeändert wurden (u.a. 1957 Gleichberechtigungsgesetz, Vergewaltigung in der Ehe erst 1997 strafrechtlich verankert …).
Für die Zukunft sei aus ihrer Sicht die Einführung eines Paritätsgesetzes (Quotenregelung) wichtig und sinnvoll, wie es in anderen Ländern bereits praktiziert werde. Nordische Länder seien hier weiter. In Brandenburg solle das Paritätsgesetz 2020 umgesetzt werden. Abzuwarten sei allerdings noch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Frauenquote sei jedenfalls notwendig, um die von Männern dominierten „heftigen“ Strukturen in der Politik aufzubrechen. Eine Ministerpräsidentin in Hessen wäre, so Dr. Wolff abschließend, auch mal gut.
Die anschließenden Fragen aus dem Publikum drehten sich u.a. um die Frauenquote, Frauen und Familie und die Frauenbewegung in der Gegenwart.
Die Autorinnen und die Moderatorin wurden mit viel Applaus vom Publikum verabschiedet. Die Gäste konnten sich die vorgestellte Publikation „Starke Hessinnen“ mitnehmen. Diese kann man auch hier bei der HLZ bestellen.