20. September 1898: 125. Todestag des Schriftstellers Theodor Fontane
Theodor Fontane schuf mit „Effi Briest“, „Der Stechlin“ oder „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ Klassiker der deutschen Literaturgeschichte. Mit seinen Romanen und Novellen zählt er zu den bedeutendsten Vertretern des poetischen Realismus im 19. Jahrhundert. Zu seinen Lebzeiten machte er sich aber auch einen Namen als Theaterkritiker, verfasste Reiseliteratur, war Korrespondent in London für das preußische Innenministerium und arbeitete als Apotheker.
Herkunft und Kindheit
Henri Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 als Sohn des Apothekers Louis Henri und dessen Frau Emilie Fontane in Neuruppin geboren, wo er seine Kindheit verbrachte und ab 1832 das Neuruppiner Gymnasium besuchte. Seine Eltern stammten von französischen Hugenotten ab, die sich Ende des 17. Jahrhunderts in Brandenburg angesiedelt hatten.
Schule und Ausbildung
Von 1833 wechselte er auf die Kloedensche Gewerbeschule in Berlin und wohnte bei dem Halbbruder seines Vaters. Er beendete die Ausbildung 1836 vorzeitig und absolvierte auf den väterlichen Wunsch hin entgegen seinen eigenen Vorstellungen von Abitur und Studium von 1836 bis 1839 eine Apothekerlehre in Berlin.
Apotheker, freiwilliger Militärdienst und Verlobung
Ein Jahr später trat er eine Stelle als Apothekergehilfe in Burg (bei Magdeburg) an. Nach überstandener Typhuserkrankung arbeitete er als Apothekergehilfe in Leipzig (1841/42), Dresden (1842/43), in der väterlichen Apotheke in Letschin (1843–1845) und ab 1845 in Berlin. Im gleichen Jahr verlobte er sich mit seiner Schulfreundin Emilie Rouanet-Kummer, die er 1850 heiratete. Sie hatten sieben Kinder, von denen jedoch vier frühzeitig starben.
Von 1844 bis 1845 leistete Fontane einen freiwilligen einjährigen Militärdienst in einem Garde-Grenadierregiment und unternahm noch während dieser Zeit seine erste Englandreise. Er schied als Unteroffizier aus. 1847 endete seine Apothekerausbildung mit bestandenem Staatsexamen, womit er „Apotheker erster Klasse" wurde. Er unterrichtete danach zunächst Pharmazie in dem Berliner Krankenhaus Bethanien und bildete zwei Diakonissen aus.
1848 beteiligte er sich kurzzeitig an den revolutionären Barrikadenkämpfen in Berlin und begeisterte sich für die deutsche Einheit.
Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker
Bereits während seines ersten Apothekerlehrjahrs in Berlin verfasste Fontane einige Gedichte und Aufsätze und machte durch seinen Lehrherrn Wilhelm Rose, dem Mitbegründer eines Lesezirkels, Bekanntschaft mit moderner Literatur. Er lernte Karl Gutzkows literaturpolitische Zeitschrift „Der Telegraph von Deutschland", eines der profiliertesten Medien des Vormärz, kennen, las Charles Dickens, James Fenimore Cooper und Walter Scott und fand geistige Anregung in den Berliner Lesecafés, den heimlichen Treffpunkten oppositioneller Intellektueller.
Mit seinem Ausbildungsende trat er als Schriftsteller in Erscheinung: 1839 erschien seine Novelle „Geschwisterliebe". Während seiner Leipziger Zeit – Sachsen besaß im Unterschied zu Preußen seit 1831 eine Verfassung und die Zensur war weniger streng – trat er dem literarischen Herwegh-Klub bei. Schon zuvor war ihm der Vormärz-Literat Georg Herwegh literarisches und politisches Vorbild. In dieser Zeit übersetzte er auch einige revolutionäre englische Arbeitergedichte. Im Juli 1843 lernte er über den Berliner Dichterverein „Der Tunnel über der Spree", dem er 1844 beitrat, Persönlichkeiten wie Paul Heyse, Felix Dahn und Theodor Storm kennen.
1849 wechselte Fontane vollständig zur Schriftstellerei über. Er veröffentlichte einige Balladen, seine beiden ersten Bücher „Von der schönen Rosamunde" und „Männer und Helden" (1850) sowie einen Gedichtband (1851). 1851, ein Jahr nach seiner Heirat, wurde er Redakteur bei der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung, 1852 Pressereferent in der späteren „Centralstelle für Preußenangelegenheiten", einer Propagandastelle im preußischen Innenministerium. Für sie unternahm er 1852 Reisen nach London und lebte dort von 1855 bis 1859. Seine Aufgabe als Korrespondent bestand darin, Presseberichte zugunsten der preußischen Außenpolitik in englische und deutsche Zeitungen zu lancieren. Nur die festen Stellen sicherten den Brotverdienst für die Familie.
In Erwartung einer liberaleren Politik unter dem preußischen Prinzregenten Wilhelm ab 1858, kehrte Fontane nach Berlin zurück. Da er keine Anstellung fand, verfasste er Reiseliteratur, die sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreute. Seine Reisebeschreibungen über England führten ihn zur literarisch-historischen Beschreibung der eigenen Heimat: 1862 entstanden daraus die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg", die er immer wieder überarbeitete.
1864 reiste Fontane nach Kopenhagen und schrieb über den Deutsch-Dänischen Krieg. Seine Arbeit als Theaterkritiker für die „Vossische Zeitung“ gab er nach einem Jahr auf und besichtigte im Deutsch-Französischen Krieg Paris. Unter dem falschen Verdacht, deutscher bzw. preußischer Spion zu sein, wurde er in Frankreich verhaftet, aber nach einer Intervention Bismarcks wieder freigelassen. In dem Buch „Kriegsgefangen. Erlebtes 1870“ hielt er seine Erlebnisse fest.
Fontane als untypischer Kriegsberichterstatter
Dieser weitgehend unbekannte Aspekt seines literarischen Schaffens umfasst fast 4.000 Seiten und beschäftigte Fontane zwölf Jahre lang. Er schrieb über Kriege, die er beobachtet und dessen Schlachtfelder er im direkten Nachhinein bereist hat.
Von 1864 bis 1876 arbeitete er an seinen Büchern zu den sogenannten „Reichseinigungskriegen“: gegen Dänemark 1864, gegen Österreich 1866 und gegen Frankreich 1870/71. Seine Werke dazu sind weit mehr als schlichte Chronik. Er beschäftigt sich intensiv mit den politischen Hintergründen, mit Motiven, mit den beteiligten Armeen und den Orten der Schlachten sowie Belagerungen. Er lässt beide Seiten zu Wort kommen, also auch eher untypisch die gegnerische Seite, konzentriert sich nicht nur auf die Generalität, sondern auch auf die Truppe „unterhalb des Generalshügels“. Von insgesamt 17 Romanen, Erzählungen und Novellen Fontanes dreht es sich in 11 von ihnen um Soldaten, besonders um Offiziere als Haupt- oder wichtige Nebenfiguren. Fontane als klassischen Kriegsberichterstatter zu begreifen wäre völlig falsch: Er bricht stets dann auf, wenn die Hauptkampfhandlungen beendet sind. Er war nie dort, wo real die Granaten flogen. Stattdessen hat er sich hinterher das Terrain betrachtet, mit Zeitzeugen gesprochen und andere Werke ausgewertet. Und er hat sich das Ganze scheibchenweise zusammengeschrieben. Teile seiner Kriegsbücher sind vorab immer wieder in Zeitungen erschienen – und erst Jahre später stellte er sie in seinen drei großen Kriegsbetrachtungen zusammen. Weitestgehend vergessen ist die Tatsache, dass Fontane auch das heutige Hessen im Rahmen des sogenannten Main-Feldzuges 1866, in dessen Zusammenhang die Stadt Frankfurt von den Preußen eingenommen wurde, als Bühne dieses Bruderkrieges beschrieb.
Fontanes Spätwerk
Seinem letzten festen Posten als Sekretär der Akademie der Künste in Berlin ging Fontane nur wenige Monate nach. 1876 entschloss er sich, wieder als freier Schriftsteller zu arbeiten und schrieb an dem letzten Band „Fünf Schlösser“ der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ weiter.
Erst im späteren Alter entstanden Fontanes Romanwerke. Den Anfang machte „Vor dem Sturm" (1878). Zu seinen besonders erfolgreichen Erzählwerken zählen „Irrungen, Wirrungen" (1887/88), „Unwiederbringlich" (1891), „Frau Jenny Treibel" (1893), „Effi Briest" (1895) und „Der Stechlin" (1898).
In „Effi Briest“, Fontanes meistgelesenem und mehrfach verfilmtem Roman, wird anlässlich des Ehebruchs der Effi, die als 17-Jährige mit dem zwanzig Jahre älteren Baron von Innstetten verheiratet wird, ein genaues Bild der starren Normen und Werte der preußischen Gesellschaft des späten 19. Jahrhunderts gezeichnet. Das Werk gilt als ein Höhe- und Wendepunkt des poetischen Realismus, da er einerseits kritische Distanz mit schriftstellerischer Brillanz verbindet, andererseits aber bereits auf den späteren deutschen Gesellschaftsroman wie Thomas Manns Roman „Buddenbrooks“ (1901) vorausweist. Von Fontanes Balladen zählen „John Maynard“ (1886) und „Herr Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ (1889) zu den bekanntesten.
1892 erkrankte Fontane an Gehirnischämie (Hirninfarkt). Er starb am 20. September 1898 in Berlin.