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28. März 1849: 175. Jahrestag der Verabschiedung der „Paulskirchenverfassung“ und der Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum deutschen Kaiser durch die Frankfurter Nationalversammlung

Die Frankfurter Paulskirche zählt zu den bedeutendsten Orten der deutschen Demokratiegeschichte. Im Rahmen der „Deutschen Revolution“ von 1848/1849 kamen im Frankfurter Kirchenrund erstmalig Abgeordnete aus allen deutschen Territorien im sogenannten „Paulskirchenparlament“ zusammen, um unter anderem über die Staatsorganisation und die Grenzen eines künftigen deutschen Nationalstaats zu diskutieren. Der 28. März 1849 markiert ein im doppelten Sinne herausragendes Datum in der Chronik der Revolution und des deutschen Parlamentarismus: Einerseits verabschiedete die Paulskirche an diesem Mittwoch die erste, nationalstaatlich gedachte Verfassung, die trotz des Scheiterns der Revolution das Wirken der Parlamentarierinnen und Parlamentarier von 1919 und 1949 maßgeblich beeinflusste. Anderseits wählten die Frankfurter Abgeordneten mit König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am selben Tag einen Monarchisten zum Kaiser der anvisierten Erbmonarchie, der die Kaiserkrone von Volkes Gnaden wenige Tage später als einen „imaginären Reif aus Dreck und Lehm“ ablehnte.

Vorgeschichte der „Deutschen Revolution“ von 1848/1849

Unter dem Druck der napoleonischen Hegemonialherrschaft über Westeuropa entstand Anfang des 19. Jahrhunderts ein deutsches Nationalbewusstsein, das die Zäsur der Neuordnung des Kontinents auf dem „Wiener Kongress“ von 1814/1815 nach Napoleons Niedergang überdauerte. Dort wurde der „Deutsche Bund“ geschaffen, ein loser Staatenbund aus 35 Fürstentümern und vier freien Städten, der sowohl Territorien umfasste, die zur dänischen Krone gehörten, als auch Österreich und Preußen miteinschloss. Eine Zentralgewalt hingegen fehlte, das restaurative „System Metternich“ – benannt nach seinem geistigen Vater, dem österreichischen Staatskanzler – unterdrückte die aufstrebende nationalliberale Bewegung durch Zensur, restriktive Universitätsgesetze und die Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Infolge von Industrieller Revolution und Verstädterung verschlechterten sich die Lebensbedingungen für weite Bevölkerungsteile im Laufe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts dramatisch. Im Zusammenspiel mit dem Engagement einer liberalen, akademisch geprägten Öffentlichkeit für die Gründung eines deutschen Nationalstaates entfesselten die Hungerkrawallen und Agrarrevolten ab 1844 eine revolutionäre Sprengkraft. Das „Krähen des gallischen Hahns“, der Ausbruch der Februarrevolution in Frankreich, diente als Initialzündung für das Ausbrechen der Revolution im „Deutschen Bund“, die eine gesamteuropäische Tragweite entwickelte.

Verlauf der deutschen „Märzrevolution“ und „Frankfurter Reichsverfassung“

Besonders in den deutschen Großstädten trugen die Revolutionäre ihre „Märzforderungen“ nach Parlamentarismus, Gewaltenteilung, Volkssouveränität und Konstitutionalismus, die sie etwa auf der „Heppenheimer Versammlung“ im Oktober 1847 in Worte gegossen hatten, auch mit Gewalt vor. Am 18. März 1848 versammelten sich Berlinerinnen und Berliner vor dem Schloss, um König Friedrich Wilhelm IV., der sich an die Spitze der Revolution zu setzen versuchte, für dessen liberale Reformen zu danken. Knapp eine Woche später kamen Liberale im „Frankfurter Vorparlament“ unter Führung Heinrich von Gagerns zusammen, aus dem sich am 18. Mai in weiten Teilen die verfassungsgebende Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche konstituiert. Die insgesamt 586 Abgeordneten gehören weitestgehend dem liberalen Bildungs- und Besitzbürgertum an, rasch wurde die Paulskirche im Volksmund als „Professorenparlament“ verspottet. Ein Verfassungsausschuss widmete sich der Erarbeitung der Konstitution für den im Entstehen begriffenen künftigen deutschen Nationalstaat. Er erwirkte einen an den französischen Menschen- und Bürgerrechten orientierten Grundrechtekatalog, der am 27. Dezember 1848 in Kraft trat und unter anderem Presse-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit sowie Freizügigkeit für alle Deutschen garantierte. Als von besonderer Brisanz erwies sich in den Debatten in der Paulskirche die Frage nach der Einbeziehung des Vielvölkerstaates Österreichs in den deutschen Nationalstaat, wobei das Paulskirchenparlament schließlich mehrheitlich für die sogenannte kleindeutsche Lösung votierte. Damit blieben die Deutschen unter der Habsburger Krone außen vor.

Die Paulskirchenverfassung, die am 28. März 1849 verabschiedet wurde, beinhaltete mit Gewaltenteilung und Parlamentarismus zentrale Forderungen der nationalliberalen Bewegung des frühen 19. Jahrhunderts und legte als Staatsform zur Enttäuschung radialer Demokraten eine erbliche Monarchie fest.

Kaiserwahl im „Paulskirchenparlament“ und Scheitern der Revolution

Am Tag der Verabschiedung der „Verfassung des deutschen Reiches“ stimmten die Abgeordneten mit 290 gegen 248 Stimmen (von in erster Linie süddeutschen und österreichischen Vertretern) außerdem für die Ernennung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser. Während dieser den starken Revolutionären gegenüber 1848 noch zu Zugeständnissen wie der Zustimmung zum Verfassungsentwurf in der ersten Lesung bereit gewesen war, ermöglichte es das Erstarken der Konterrevolution gegen Ende des Jahres 1848 dem überzeugten Monarchisten, die Kaiserdeputation am 3. April 1849 abzulehnen. Aus internen Papieren geht hervor, dass ihm die von Volksvertretern angetragene Kaiserwürde zutiefst zuwider war: Sie sei ein „Hundehalsband“ mit dem man ihn „an die Revolution ketten“ wolle. Die 32 Abgeordneten, die Anfang April nach Berlin zu ihrem – so hofften sie – künftigen Staatsoberhaupt reisten, wies er zurück: Die Revolution war endgültig gescheitert.

Obwohl 28 deutschen Landesregierungen die Reichsverfassung in Kraft setzten, fanden sich die Revolutionäre angesichts der erstarkenden Konterrevolution auf dem Rückzug wieder. Mit dem Scheitern der Kaiserdeputation zogen zahlreiche deutsche Länder ihre Abgeordneten aus der Paulskirche zurück, am 30. Mai verlegte das noch etwa 100 Abgeordnete umfassende Rumpfparlament seinen Sitz auf der Flucht vor preußischen Truppen nach Stuttgart. Jegliche, lokal begrenzte Initiative zur Durchsetzung der Frankfurter Reichsverfassung wurde mit Waffengewalt niedergeschlagen. In Gestalt des „Erfurter Unionsparlamentes“ versuchte Preußen sich im Mai 1849 unter Eigenregie doch noch an der Nationalstaatsgründung: Vom 20. März bis zum 29. April 1850 berieten die in zwei Kammern organisierten Abgeordneten über eine Verfassung für einen preußisch geprägten deutschen Bundesstaat, die „Erfurter Union“. Mit der „Olmützer Punktation“ vom 29. November 1850 wurde schließlich der österreichische Führungsanspruch im 1851 endgültig wiederhergestellten „Deutschen Bund“ festgeschrieben, das Unionsparlament löste sich auf.

Mehr zur „Deutschen Revolution“ von 1848/1849 finden Sie hier.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: