21. April 1948: 75. Jahrestag des Beginns des Konklaves von Rothwesten
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges drängte sich den Alliierten die Notwendigkeit einer Währungsreform aufgrund des desolaten ökonomischen Zustands der Besatzungszonen förmlich auf. Vom 21. April bis zum 8. Juni 1948 tagten auf einem ehemaligen Fliegerhorst der deutschen Wehrmacht im „Haus Posen“, einem so bezeichneten Kasernenblock in Rothwesten, Wirtschaftsexperten ehemaliger Reichsbehörden gemeinsam mit Fachleuten der Westalliierten im Rahmen einer geheimen, militärisch bewachten Versammlung, um die Währungsreform in den Westzonen vorzubereiten. Eine besondere Rolle bei den Beratungen nahm der US-Amerikaner Edward Tenenbaum ein. Den „Vater der Deutschen Mark“ ehrte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) knapp 40 Jahre später als das „Bindeglied zwischen amerikanischer Militärregierung und deutschen Fachleuten, der ein Denkmal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte“ verdiene.
Vorgeschichte des Konklaves
Bereits im Jahr 1943 stellte Heinrich Himmler in seiner Funktion als SS-Chef ein Expertengremium auf, das für die Zeit nach dem (in der damaligen Vorstellung selbstverständlich gewonnenen) Krieg eine Wirtschaftsreform mit dem Ziel der Rückkehr zu den Regeln des freien Marktes vorbereiten sollte. Diesem Gremium gehörte auch der häufig zum „Vater des Wirtschaftswunders“ stilisierte Ludwig Erhard an.
In den letzten Kriegsmonaten und nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 lag die von Krieg und Kriegsfolgen gebeutelte deutsche Wirtschaft darnieder. Es herrschte ein Nebeneinander von deutscher Reichsmark, der Rentenmark von 1923, dem alliierten Besatzungsgeld und materiellen Gegenwerten wie Zigaretten, die als inoffizielle Währung auf dem florierenden Schwarzmarkt genutzt wurden. Der von der „Sonderstelle Geld und Kredit“ unter Federführung Ludwig Erhards erarbeite „Homberger Plan“ galt zu dieser Zeit als Alternative zum Programm der amerikanischen Professoren Colm, Dodge und Goldsmith, die bereits 1946 einen nach ihnen benannten Plan für die Währungsreform vorlegten. Beide sahen vor, die umlaufende Geldmenge auf ein Minimum zu reduzieren. Im Zusammenhang mit dem Scheitern der interalliierten Viermächtepolitik in Bezug auf Deutschland im internationalen Kontext der Blockbildung bereiteten die Westalliierten auf besonderes Betreiben der US-Amerikaner im Frühjahr 1948 die Durchführung des Währungskonklaves in Rothwesten in der Nähe des nordhessischen Fuldatal vor.
Durchführung und Ergebnisse des Konklaves
Am 20. April wurden zehn führende deutsche Wirtschaftsexperten von Bad Homburg nach Rothwesten geschickt. Zusammen mit Experten der Westalliierten erarbeiteten sie in den folgenden 49 Tagen auf dem ehemaligen Fliegerhorst der Deutschen Wehrmacht im „Haus Posen“ unter strengster Geheimhaltung und militärischer Bewachung die Leitlinien für die Währungsreform in den Westzonen. Ergebnis der Beratungen waren 22 Gesetze, Durchführungsverordnungen, Richtlinien, Anweisungen und Merkblättern, die die inhaltlichen und organisatorischen Leitplanken für die Währungsreform vom 20. Juni 1948 bildeten. Ab dem 21. Juni 1948 war auf dem Gebiet der Westzonen nur noch die neue Währung, die „Deutsche Mark“, gültig. Das Konklave von Rothwesten ging als „Laborraum des deutschen Wirtschaftswunders“ in die Nachkriegsgeschichte ein.
Leben und Wirken von Edward A. Tenenbaum
Maßgeblich beteiligt an den Beratungen war der US-Amerikaner Edward Adam Tenenbaum. Dieser wurde am 10. November 1921 in New York als Sohn emigrierter polnischer Juden geboren. Das Studium der Nationalökonomie an der Universität Yale schloss er 1942 mit summa cum laude ab. Im selben Jahr wurde er in die US-Army eingezogen. Nach Kriegsende wurde er Mitglied im Stab von Jack Bennett, dem Finanzberater des US-Militärgouverneurs Lucius Clay. Ludwig Erhard, zu dieser Zeit Chef der „Sonderstelle Geld und Kredit“, traf er 1947 erstmalig zu einem Gespräch über die anstehende Währungsreform. Tenenbaum war bei den Beratungen auf dem ehemaligen Fliegerhorst in Rothwesten treibende Kraft, Koordinator und zentraler Verbindungsmann zwischen Deutschen und Westalliierten. Auch der Name „Deutsche Mark“ geht wohl auf ihn zurück. 1953 schied Tenenbaum schließlich aus dem Staatsdienst aus und arbeitete fortan als freier Finanzberater unter anderem beim Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Er verstarb am 14. Oktober 1975 in Harrisburg bei einem Verkehrsunfall.