02. März 1972: 50. Jahrestag der Veröffentlichung des Berichts „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome
Wirtschaftliches Wachstum ist grenzenlos. Oder: Ohne Wachstum kann Wirtschaft nicht funktionieren und Wohlstand garantieren. Diese Aussagen hatten lange Zeit quasi Gesetzescharakter. Um Wachstum zu erzeugen, müssen Ressourcen eingesetzt werden. Doch was ist, wenn eben nicht grenzenlos auf Ressourcen zurückgegriffen werden kann?
Als am 2. März 1972 der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (Originaltitel: „The Limits to Growth. A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind“) vorgestellt wurde, entfachte er eine heftige Debatte. Ein 17-köpfiges internationales Forscherteam um die Amerikaner Donella und Dennis Meadows hatte diese Studie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Auftrag des Club of Rome erarbeitet. Der Report setzte sich mit den Auswirkungen und Folgen des wirtschaftlichen Wachstums auf die natürliche Umwelt des Menschen auseinander und thematisierte die Dringlichkeit einer internationalen Umweltpolitik. Sie wurde global rezipiert und in 30 Sprachen übersetzt.
Düsteres Szenario und eindringlicher Appell
Mit Computersimulationen wurden fünf globale Tendenzen – Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoff-Reserven und Zerstörung von Lebensraum – untersucht, indem mit ihnen verschiedene Szenarien durchgespielt wurden. Wesentlich war dabei die Einführung von Regelkreisen, mit denen deren gegenseitige Abhängigkeit und Beeinflussung sowie ihre Dynamik besser als bisher aufgezeigt werden konnten.
Die zentrale Aussage der Autoren war, dass wenn die aktuelle Zunahme der Weltbevölkerung, Industrialisierung, Umweltverschmutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ausbeutung natürlicher Rohstoffen unverändert anhielten, die absoluten Wachstumsgrenzen der Erde bis 2050 erreicht würden. In der Folge könne die Bevölkerungszahl schnell und unaufhaltbar sinken.
Das Wachstum der Bevölkerung wurde in den Modellen als Voraussetzung für die Steigerung der Wirtschaftsleistung gesehen. Denn sie wirke sich auf die Rohstoffproduktion, die Nahrungsmittelproduktion, die nachgefragten Dienstleistungen und die Industrieproduktion aus. Bei Überschreitung einer Grenze würden die wirtschaftsfördernden Aspekte des Bevölkerungswachstums aber ins Gegenteil umschlagen, da dann die Kapitalabnutzung größer als die Investitionsrate sei. So käme es beispielsweise zu einem Kostenanstieg bei der Rohstoffgewinnung, wenn die ergiebigen Lager erschöpft seien und in der Folge auf immer minderwertigere Lager zugegriffen werden müsse. Es könne also kein unendliches Bevölkerungswachstum geben, ohne dadurch irgendwann auch das Industriekapital zu beeinträchtigen.
Verständliche Wissenschaftssprache
Die leichten Formulierungen und anschaulichen Visualisierungen trugen zum großen Erfolg der Studie bei. Mit der Metapher des Lilienteichs zum exponentiellen Wachstum wurde etwa die Dringlichkeit der zu ergreifenden Maßnahmen verdeutlicht. Danach bedeckt eine Lilie, die jeden Tag auf die doppelte Größe wächst, innerhalb von 30 Tagen den ganzen Gartenteich und erstickt alles andere Leben in dem Wasser. Solange sie nicht mindestens die Hälfte der Wasseroberfläche einnimmt, erscheint ihr Wachstum nicht beängstigend, auch noch nicht am 29. Tag, da die Hälfte des Teiches noch frei ist. Aber am nächsten Tag ist kein Wasser mehr zu sehen.
Neue Wege beschreiten
Die Studie war aber auch hoffnungsvoll. Die Maßnahmen, die zur Herstellung eines ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustands ergriffen werden müssten, um das Überleben der Menschheit bei einer guten Lebensqualität zu sichern, müssten jedoch deutlich über eine reine Kombination technischer, wirtschaftlicher und gesetzlicher Faktoren hinausgehen. Dem Glauben an neue Technologien als einzige Lösungsstrategie wurde eine klare Absage erteilt.
Der zeitgeschichtliche Kontext
Die Publikation erschien in einer Phase der gesellschaftlichen Neuorientierung Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre nach einer Zeit des nicht hinterfragten Wirtschaftswunders. Die Themen und Aktionsformen von neuen sozialen Bewegungen wie die Friedens-, Frauen-, Umwelt- und Dritte-Welt-Bewegung stellten das hergebrachte Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in Frage. Um 1970 wurden Umweltschutzorganisationen wie etwa Greenpeace, WWF (World Wide Fund For Nature) oder die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) gegründet. Der Vietnamkrieg war noch nicht beendet, währenddessen sich die heiße Phase des Ost-West-Konflikts im Zuge forcierter Entspannungspolitik abkühlte. Auch die politischen Parteien griffen den Umweltschutz als Themen- und Handlungsfeld nach und nach auf. Die geforderten Wachstumsbeschränkungen fanden allerdings nur geringen Anklang, nicht zuletzt, weil kurz nach Erscheinen des Berichts die Konjunktur in den Ölkrisen 1973 und 1979/80 weltweit einbrach.
Aus der Debatte um die ökologischen Grenzen ging ein neues Leitbild hervor, das 1987 von der Brundtland-Kommission (Weltkommission für Umwelt und Entwicklung) entworfen und 1992 auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung als Orientierungsrahmen für eine nachhaltige Entwicklung anerkannt wurde. Dieses Leitbild fordert, die ökologischen Grenzen der Erde zu achten und die Nutzungsspielräume so aufzuteilen, dass die heutige und zukünftige Generationen sowie alle Regionen der Welt die gleiche Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.
Der Aspekt, eine Entwicklungs-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik zu betreiben, die die Lebenssituation und Lebensqualität der nächsten Generationen nicht gefährdet, ist vor einiger Zeit durch „Fridays for Future“, eine vornehmlich von Schülern und Studenten getragene europäische Protestbewegung um die Gallionsfigur Greta Thunberg, erneut ins allgemeine Bewusstsein getreten. Sie fordert u.a. die Umsetzung der 2015 auf einer UN-KIimakonferenz vereinbarten Klimaziele.