18. Januar 1871: 150. Jahrestag Gründung des Deutschen Reichs in Versailles
Der 18. Januar 1871 markiert einen tief im Bewusstsein der Mehrheit des damaligen deutschen Volkes verankerten Höhepunkt der deutschen Geschichte und die Erfüllung – vor allem in Preußen – langgehegter nationaler Wünsche. Das Feuer für diesen Einigungstraum war maßgeblich bereits durch die sogenannten Befreiungskriege gegen die Herrschaft Napoleons gelegt worden.
Im Spiegelsaal von Schloss Versailles wurde nach einem kurzen, aber heftigen und vor allem für Frankreich verlustreichen Krieg (Kriegserklärung Frankreichs an Preußen am 19. Juli 1870) das deutsche Kaiserreich ausgerufen – das zweite deutsche Reich, nach dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.
Mit der Entstehung des Kaiserreichs auf deutschem Boden endete zugleich das Zweite Kaiserreich auf französischem Boden: Kaiser Napoleon III wurde nach der Schlacht bei Sedan am 1. September 1870 gefangengenommen. Nur einen Tag später kapitulierte die französische Armee. Der französische Kaiser wurde nach Kassel („Ab nach Kassel“) gebracht und dort bis zum 19. März 1871 in Schloss Wilhelmshöhe unter Arrest gestellt. In Frankreich gründete sich die Dritte Republik.
Im Vorfeld der Kaiserproklamation gab es noch heftige Diskussionen, wie Wilhelm I. nun bezeichnet werden sollte. Der badische Großherzog Friedrich I., sein Schwiegersohn, löste das Problem, das noch am Morgen der Proklamation ungeklärt war, indem er einfach ein Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ ausbrachte und die heikle Titelfrage umging. Letztlich blieb es bei der vom preußischen Ministerpräsidenten von Bismarck mit Rücksicht auf die deutschen Fürsten gewählten Bezeichnung „Deutscher Kaiser“. Mit der Kaiserproklamation und der Annahme der Kaiserwürde durch den preußischen König Wilhelm I. am 18. Januar 1871 fanden auch die langjährigen, durch Otto von Bismarck betriebenen, diplomatischen Aktivitäten ihr Ziel:
- Inkrafttreten der neuen Verfassung des Deutschen Reiches am 1. Januar 1871
- Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund (die süddeutschen Staaten standen einem deutschen Reich unter der Führung Preußens zuvor ablehnend gegenüber und konnten erst durch den gemeinsamen erfolgreichen Krieg gegen Frankreich davon überzeugt werden)
- Gründung eines starken Deutschen Kaiserreiches als Gegenpol zu Frankreich
Schon zuvor waren Österreich und die mit Österreich verbündeten süddeutschen Staaten des Deutschen Bundes im sogenannten Deutschen Krieg von 1866 von Preußen geschlagen worden (Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866). Österreich, und damit auch alle deutschsprachigen Gebiete des Habsburgerreiches, wurde ausgeschlossen und damit ein von Preußen dominierter kleindeutscher Nationalstaat angestrebt. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst: Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Reichsstadt Frankfurt am Main, Schleswig und Holstein gingen in Preußen auf. Der nun gegründete Norddeutsche Bund war bereits ein Staatenkonstrukt unter der Dominanz Preußens. Und auch Bayern, ein paar Landzipfel im Norden Frankens verlierend, musste sich zur Bündnistreue gegenüber Preußen verpflichten.
Berlin wurde daraufhin zur Hauptstadt des Deutschen Reiches. Als Sitz des Parlaments bedurfte es eines repräsentativen und ausreichend dimensionierten Gebäudes. Gebaut wurde dieser neue Parlamentssitz von 1884 bis 1894 nach Plänen von Paul Wallot. Es entstand der Reichstag. Der Reichstag tagte dort in der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik bis zur Machtergreifung Hitlers. Seit dem 3. Oktober 1990 tagt im Reichstagsgebäude wieder ein Parlament: der Deutsche Bundestag.
Helle Seiten haben zumeist auch dunkle Schattenseiten: Was bei der deutschen Bevölkerung zu einer Welle der Begeisterung führte, bedeutete auf französischer Seite auch infolge der Abtretung von Elsass-Lothringen eine Schmach, die die tiefe Kluft und die sogenannte „Erbfeindschaft“ der beiden Reiche immer mehr vertiefte und eine der Ursachen für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges war.