15. September 1949: 75. Jahrestag der Wahl Konrad Adenauers (CDU) zum Bundeskanzler
Konrad Adenauer prägte die junge Bundesrepublik Deutschland in ihrer Konsolidierungsphase als erster, dreimal wiedergewählter Bundeskanzler so wie kaum eine andere Persönlichkeit in Westdeutschland. Trotz seiner politischen Prägung als Kölner Oberbürgermeister (1917-1933) und Präsident des Preußischen Staatsrats (1921-1933) in der Weimarer Republik ist sein Name in der Rückschau in erster Linie mit der „Ära Adenauer“ verbunden, in der er zwischen 1945 und 1963 einer strikten Politik der Anbindung und Aussöhnung mit dem Westen den Vorzug vor der Wiedervereinigung einräumte. Adenauers politische Handschrift prägte neben dem Aufbau der CDU nach 1945 und der Arbeit des Parlamentarischen Rats, dem er als Präsident vorstand, die europäische Integration in den 1950er-Jahren in besonderem Maße. Gleichzeitig ist sein politisches Leben auch mit dem gesellschaftlichen Verdrängen und Verschweigen der nationalsozialistischen Verbrechen verbunden. Ungeachtet der Bewertung seiner 14-jährigen Kanzlerschaft stellte seine Wahl am 15. September bedeutende Weichen für das politische und gesellschaftliche Leben in der jungen Bundesrepublik. Adenauer wurde zur Symbolfigur einer souveräner werdenden, partnerschaftlich eng mit den USA verbundenen Bundesrepublik, die ihren Platz als gleichberechtigtes Mitglied in einem zusammenwachsenden Europa fand.
Gestaltung des Kanzleramts im Parlamentarischen Rat
Bei der Gestaltung der Verfassungsorgane im Parlamentarischen Rat 1948/1949 stellten die Erfahrungswerte aus der Weimarer Republik für die Abgeordneten die bedeutendste Vergleichsfolie dar. Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Beratungen schien ein interfraktionelles Bekenntnis zu einem parlamentarischen statt einem präsidentiellen Staatsaufbau festzustehen, der lediglich von einem wenig beachteten Antrag der Abgeordneten Thomas Dehler (FDP) und Max Becker (FDP) in Frage gestellt wurde. Parlamentarische Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass das Amt des Regierungschefs (Bundeskanzler/Bundeskanzlerin) vom Amt des Staatsoberhaupts getrennt und ersterer vom Vertrauen des Parlaments abhängig ist (zum Beispiel Großbritannien). Die Abgeordneten im Parlamentarischen Rat sprachen sich mehrheitlich für eine Reduzierung des Staatsoberhaupts auf repräsentative, vermittelnde Funktionen aus, während sie die Stellung von Kanzler bzw. Kanzlerin und Parlament gegenüber den anderen Verfassungsorganen gestärkt sehen wollten. Dementsprechend richteten sie die Wahl des Kanzlers bzw. der Kanzlerin durch eine Parlamentsmehrheit ein, der dann wiederum dem Bundespräsidenten bzw. der -präsidentin als Staatsoberhaupt Ministerinnen und Minister zur formellen Ernennung vorschlägt. Kanzler bzw. Kanzlerin sind darüber hinaus mit der Richtlinienkompetenz ausgestattet und dementsprechend als politische Zentralgestalt vorgesehen.
Biografie Konrad Adenauers bis 1945
Konrad Hermann Joseph Adenauer kam am 5. Januar 1876 als drittes Kind des Justizsekretärs Johann Konrad Adenauer und dessen Frau Helena (geborene Scharfenberg) in Köln zur Welt. Nach dem Abitur begann er ein durch ein Stipendium finanziertes Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Freiburg, München und Bonn. Anschließend trat Adenauer eine Stelle bei der Staatsanwaltschaft des Kölner Amtsgerichts an, bevor er sich als Mitglied der katholischen Zentrumspartei seiner kommunalpolitischen Karriere zuwandte. Während des Ersten Weltkriegs wurde Adenauer mit der Aufrechterhaltung der Versorgung der Stadt Köln angesichts der britischen Seeblockade betraut. 1917 stieg er schließlich zum Kölner Oberbürgermeister auf und nahm nebenbei in den 1920er- und 1930er-Jahren Aufsichtsratsposten in mehreren deutschen Großunternehmen wahr. Trotz seiner Funktion als Präsident des preußischen Staatsrats (der preußischen Zweiten Kammer) stand er dem enormen gesellschaftspolitischen Einfluss des größten deutschen Bundesstaats Preußen als katholischer Rheinländer zeitlebens deutlich kritisch gegenüber. Den Nationalsozialisten verweigerte Adenauer früh jegliche Ehrerbietung, so etwa im Februar 1933, als er sich weigerte, den im Wahlkampf nach Köln reisenden Adolf Hitler zu empfangen. Nach einer Niederlage seiner Partei bei den Kölner Kommunalwahlen im März 1933 enthoben die Nationalsozialisten ihn kurzerhand aller politischen Ämter. Anschließend ging Adenauer in seinem Rhöndorfer Haus in die innere Emigration – während er sein gesellschaftspolitisches Engagement vollständig ruhen ließ, verschloss er sich aber auch gegenüber einer Mitwirkung in Widerstandsgruppen wie dem Kreisauer Kreis, der um seine Expertise warb. Nichtsdestotrotz wurde er nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 in einem Arbeitserziehungslager interniert.
Politisches Wirken ab 1945 und in der jungen Bundesrepublik
Bereits vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht hob die US-Besatzungsmacht Adenauer am 4. Mai 1945 erneut ins Amt des Kölner Oberbürgermeisters, wobei er desgleichen bereits nach wenigen Monaten mit der Begründung, sich nicht ausreichend um die Versorgung gekümmert zu haben, wieder enthoben wurde. Im August 1945 schloss er sich der im Aufbau befindlichen überkonfessionellen Volkspartei CDU an, deren Fraktionsvorsitzender er im Oktober 1946 im neu zusammengetretenen nordrhein-westfälischen Landtag wurde. Im Parlamentarischen Rat ging Adenauers Kalkül auf, das eigentlich rein repräsentative Amt des Präsidenten als politische Bühne zu nutzen, um seine Bekanntheit mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl zu steigern. Sein selbstbewusstes Auftreten als Repräsentant der verfassungsgebenden Versammlung gegenüber den westalliierten Militärgouverneuren brachte ihm wenige Monate später die Beschimpfung des SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher ein, „Kanzler der Alliierten“ zu sein. Bei der ersten Bundestagswahl errang Adenauer ein Direktmandat im Wahlkreis Bonn, das er bis zu seinem Tod 1967 verteidigen konnte. Als Unionsvorsitzender sprach er sich nach der Wahl, die die Union gegenüber der SPD mit wenigen Prozentpunkten für sich entschied, für die Bildung einer Koalition mit der FDP und der rechtskonservativen DP aus.
Am 15. September 1949 stellte seine Wahl zum Bundeskanzler eine der letzten Stationen im westdeutschen Demokratiegründungsprozess dar, wobei er mit lediglich 202 von 402 Stimmen gewählt wurde – seine eigene Stimme miteingeschlossen. Die Kanzlerschaft Adenauers war geprägt vom Ziel der Westintegration – auch vorangetrieben durch die europäische Integration, etwa in Form der Montanunion –, der Etablierung der Sozialen Marktwirtschaft, der Nicht-Anerkennung der DDR (Hallstein-Doktrin) und dem beispiellosen wirtschaftlichen Erfolg der jungen BRD. Adenauer stellte hierbei einen bedeutenden gesellschaftspolitischen Integrationsfaktor dar. Gleichzeitig waren die 1950er- und 1960er-Jahre auch Jahre der verdeckten NS-Kontinuitäten. So war etwa Adenauers Kanzleramtschef Hans Globke im Nationalsozialismus im Reichsinnenministerium tätig gewesen. Nach dreimaliger Wiederwahl endete die Kanzlerschaft des zu diesem Zeitpunkt 87-Jährigen 1963 im Zusammenhang mit der sogenannten „Spiegel-Affäre“: Nach der Veröffentlichung eines Artikels mit dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ durch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ 1962, der sich kritisch mit Bundesverteidungsminister Franz Josef Strauß (CSU) auseinandersetzte, wurden gegen den Herausgeber Rudolf Augstein und andere „Spiegel“-Redakteure Haftbefehl erlassen. Insbesondere junge Menschen fassten dieses Vorgehen als Verletzung der Pressefreiheit auf. Adenauer verteidigte das Verhalten seines Ministers und wurde somit in eine Regierungskrise verwickelt. 1963 wählte die CDU Ludwig Erhard zum neuen CDU-Vorsitzenden – trotz der Bemühungen Adenauers, ihn als seinen Nachfolger zu verhindern. Nach mehreren Herzinfarkten verstarb Konrad Adenauer am 19. April 1967 91-jährig in Rhöndorf.
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