14. Juni 1923: 100. Geburtstag der Illustratorin und Kinderbuchautorin Judith Kerr
Judith Kerr war eine bedeutende britische Illustratorin und Kinderbuchautorin des 20. Jahrhunderts. Ihr Werk umfasst mehr als 30 Bücher und wurde zu ihren Lebzeiten in 25 Sprachen übersetzt. Das Kinderbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ war ihr größter Erfolg.
Kindheit in Deutschland und im Exil
Kerr wurde am 14. Juni 1923 als Tochter des bedeutenden Theaterkritikers Alfred Kerr und der Komponistin Julia Kerr in Berlin geboren, ihr vollständiger Name lautet Anna Judith Gertrud Helene. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, floh Kerrs Vater nach Prag. Als Jude und aufgrund seiner Ablehnung des NS-Regimes musste er um sein Leben fürchten. In einer Nacht- und Nebelaktion verließen im März auch sie, ihr zwei Jahre älterer Bruder Michael und ihre Mutter das Haus im idyllischen Berliner Grunewald. In der Schweiz trafen sie sich mit dem Vater. Von dort aus floh die Familie nach Frankreich, wo Kerr zwei Jahre lang die Schule besuchte. 1935 emigrierte die Familie nach Großbritannien.
Das Leben in England
In England begann Kerr, ihre kreativen Fähigkeiten zu entwickeln. Sie besuchte die Kunstschule Central School of Arts and Crafts und arbeitete als Zeichnerin für eine Werbeagentur. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie beim Roten Kreuz. Nach Kriegsende war sie ab 1952 für die BBC tätig. Dort lernte sie ihren Mann, den britischen Fernsehautor Nigel Kneale, kennen, den sie zwei Jahre später heiratete und mit dem sie zwei Kinder hatte. Zur gleichen Zeit illustrierte sie als freiberufliche Malerin und Textdesignerin zahlreiche Kinderbücher.
Die Kinderbuchautorin
Erst im Alter von 45 Jahren begann sie, die sich selbst vor allem als Illustratorin verstand, Kinderbücher zu schreiben. Ihr erstes Buch „The Tiger Who Came to Tea" („Ein Tiger kommt zum Tee“) erschien 1968 und wurde sofort ein großer Erfolg. Es erzählt die Geschichte eines Tigers, der zu einer Familie kommt und ihre Vorräte aufisst. Erfolgreich war auch die fantasievolle „Mog"-Reihe mit humorvollen Illustrationen, in der der verspielte Kater namens Mog im Mittelpunkt steht, und zwischen 1970 und 2002 veröffentlicht wurde.
„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“
1971 erschien Kerrs Kinder- und Jugendbuch „When Hitler Stole Pink Rabbit" auf Englisch, 1973 in deutscher Übersetzung. Es erzählt mit autobiografischen Zügen aus der Perspektive der zehnjährigen Anna die Geschichte einer jungen jüdischen Familie, die vor den Nationalsozialisten nach England flieht, und dabei ihr pinkfarbenes Stoffkaninchen zurücklassen muss. Das Buch ist der erste Teil einer Trilogie und wurde mit den während des Zweiten Weltkriegs und im Kalten Krieg spielenden Titeln „Bombs on Aunt Dainty“ (1975) und „A Small Person Far Away“ (1978) fortgesetzt.
Der Titel gehört bis heute in vielen deutschen Schulen zum festen Lesestoff beim Thema „Drittes Reich und Flucht“. 1974 wurde er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Das Buch wurde erstmals 1978 vom WDR für die ARD unter der Regie von Ilse Hofmann verfilmt. 2019 kam eine Neuverfilmung von Caroline Link in die Kinos.
Schriftstellerin bis an ihr Lebensende
Nach dem Tod ihres Mannes 2006 wurde für Kerr das Schreiben noch wichtiger. Sie schrieb und illustrierte unter anderem die Kinderbücher „Twinkles, Arthur and Puss“ (2008) und „One Night in the Zoo“ (2009). „The Curse of the School Rabbit“ wurde 2019 posthum veröffentlicht.
Kerr, die 1947 die britische Staatsangehörigkeit annahm, wohnte bis zu ihrem Tod am 22. Mai 2019 in London.