14. Januar 1874: 150. Todestag von Johann Philipp Reis
Kaum etwas gehört so selbstverständlich zum Alltag der meisten Menschen wie das Telefonieren. Die Übertragung von Tönen und Sprache über weite Strecken in Echtzeit ermöglicht Menschen überall auf der Welt, trotz großer Distanzen miteinander zu kommunizieren, und ist damit eine unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren unserer globalisierten Welt. Der entscheidende Wegbereiter für die Entwicklung des Telefons war der Hesse Johann Philipp Reis. Als Mitglied des renommierten, in Frankfurt am Main ansässigen „Physikalischen Vereins“ leistete Reis in seinem nur 40-jährigen Leben Pionierarbeit, indem er drei Generationen des „Telephonie-Apperats“ herstellte. Nachdem ihm selbst wirtschaftlicher Erfolg und die internationale Anerkennung seiner bahnbrechenden Erfindung zeitlebens verwehrt geblieben waren, entwickelte der Brite Alexander Graham Bell Reis‘ Modell in den 1870er-Jahren zu einem vollumfänglich funktionierenden Fernsprecher weiter.
Kindheit, Jugend und Ausbildung
Johann Philipp Reis kam am 7. Januar 1834 als Sohn des Bäckermeisters Karl Sigismund Reis und dessen Frau Marie Katherine in der hessischen „Barbarossastadt“ Gelnhausen zur Welt. Nach dem Tod seiner Mutter 1835 und seines Vaters 1843 wuchs der erst 9-jährige Waise bei seinem Patenonkel Philipp Bremer und seiner Großmutter auf. In Gelnhausen besuchte er zunächst die Bürgerschule und anschließend ab 1845 Lehranstalten in Friedrichsdorf und Frankfurt am Main. Seinen aus finanziellen Gründen nicht realisierbaren Traum eines naturwissenschaftlichen Studiengangs verfolgte Reis ab 1851 im Rahmen wissenschaftlicher Studien beim Frankfurter „Physikalischen Verein“, während er eine kaufmännische Lehre absolvierte. Nachdem Reis 1855 in Kassel seinen Militärdienst abgeleistet hatte, beschloss er, eine Lehrerausbildung in Heidelberg zu beginnen. Kurz darauf bot ihm der Direktor seiner ehemaligen Friedrichsdorfer Schule jedoch überraschend eine Stelle als Lehrer für Französisch, Physik, Mathematik und Chemie an, woraufhin Reis sich im Hochtaunuskreis niederließ. Dort heiratete er 1858 Margaretha Schmidt, die 1861 bzw. 1863 ihre zwei Kinder zur Welt brachte.
Frühe Forschung zur Physik der Tonübertragung
In der Friedrichsdorfer Zeit widmete Reis sich der Physik neben seiner Lehrtätigkeit stets auch in der Freizeit. So entwickelte er neben Rollschlittschuhen, einer Vorform heutiger Inlineskater, auch eines der ersten, durch handgesteuerte Hebel angetriebenen Fahrräder, das er Veloziped nannte. Für seinen naturwissenschaftlichen Unterricht am „Institut Louis Frédéric Garnier“ stellte Reis aus primitiven Bauteilen physikalische Anschauungsobjekte her. Darunter befand sich auch ein Holzmodell einer Ohrmuschel samt Trommelfell aus Naturdarm und filigranen Gehörknöchelchen aus Platinteilen. Auf dieses Modell aufbauend ersetzte Reis die Ohrmuschel schrittweise durch einen mit einer Membran versehenen Trichter, der in einen Gehäusekasten überging. Die Membran war hierbei über zwei Kontakte mit dem Gehäuse verbunden. Reis leitete nun Gleichstrom durch das System, sodass der Stromkreis durch die Schwingung der Membran und somit der Kontakte im Rhythmus des Druckwechsels durch die Schallwellen unterbrochen und wieder geschlossen wurde. Dieses Kontaktmikrofon liegt bis heute der Technik einer jeden physikalischen Tonübertragung zugrunde. Die Rückübersetzung der Stromimpulse in Schallwellen erfolgte bei Reis über eine Kupferdrahtspule. Der erste Satz, der durch das Telefon-Modell gesprochen wurde, lautete: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“ – Reis‘ Schüler hatten offenbar ihre Freude mit dem Prototypen, den ihr Lehrer zuvor versehentlich im Klassenzimmer vergessen hatte.
Verbreitung und Rezeption des „Telephons“
Seine Erfindung, die er 1861 erstmals öffentlich den Mitgliedern des „Physikalischen Vereins“ vorführte, nannte Reis in Anlehnung an Telegraphen „Telephon“. Bis 1863 verbesserte der Physiker seine Prototypen schließlich so weit, dass sie von dem Frankfurter Kaufmann und Mechaniker Johann Valentin Albert in größerer Stückzahl produziert werden konnten. Für rund zehn Taler wurden die „Telephone“ international angeboten, wobei Reis trotz einer Vorstellung seines Apparats vor dem österreichischen Kaiser Franz Josef am 6. September 1863 im Frankfurter „Goethe-Haus“ nennenswerter wirtschaftlicher Erfolg verwehrt blieb. Die Beseitigung der eng mit dem wirtschaftlichen Misserfolg verbundenen Störgeräusche bei der Tonübertragung gelang schließlich erst dem Briten Alexander Graham Bell im Jahr 1876, der fortan gemeinhin als „Vater des Telefons“ bezeichnet wurde. Bell meldete für sein Telefon noch im selben Jahr ein Patent an. Ohne die Grundlagenforschung Reis‘ ist dessen Leistung der Entwicklung des Telefons zur Marktreife jedoch nicht denkbar.
Infolge seiner Tuberkuloseerkrankung verstarb Philipp Reis am 14. Januar 1874 im Alter von nur 40 Jahren in Friedrichsdorf. Zu Ehren des hessischen Physikers und Erfinders errichtete der „Physikalische Verein“ 1878 einen Obelisken auf seinem Grab auf dem Friedrichsdorfer Friedhof. Darüber hinaus wurden nach seinem Tod zahlreiche Büsten und Denkmäler für den „Wegbereiter des Telefons“ in verschiedenen hessischen Städten errichtet.