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10. April 1998: 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens für Nordirland

Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs zwischen pro-irischen Katholiken und pro-britischen Protestanten in Nordirland wurde am 10. April 1998 mit dem sogenannten Karfreitagsabkommen der Nordirlandkonflikt beigelegt und offiziell Frieden geschaffen.

Vorgeschichte

Die Wurzeln des Konflikts reichen weit zurück. 1541 ließ sich der englische König Henry VIII. als König von England und Irland krönen. Während er die anglikanische Kirche in England, Wales und Schottland durchsetzen konnte, leistete Irland Widerstand, woraufhin Henry 1609 Siedler nach Irland („plantation of Ulster“) schickte, die der protestantisch-anglikanischen Religion und dem englischen König treu waren. 1801 wurde Irland durch den Act of Union gänzlich der englischen Krone unterworfen und die katholische irische Bevölkerung systematisch diskriminiert und in die Armut getrieben. Als das britische Parlament 1846 angesichts der Großen Hungersnot als Folge mehrerer ausgefallener Kartoffelernten untätig blieb, erstarkten die Bestrebungen nach Unabhängigkeit. Während der Hungersnot starben eine Million Menschen, etwa zwölf Prozent der irischen Bevölkerung.

In der Home-Rule-Bewegung forderten die Iren ein eigenes irisches Regionalparlament und Selbstverwaltung. Als England während des Ersten Weltkriegs militärisch gebunden war, versuchten 1916 irische Republikaner mit dem Osteraufstand in Dublin, die Unabhängigkeit von Großbritannien gewaltsam zu erzwingen. Er wurde blutig niedergeschlagen, hatte aber langfristige Folgen. 1918 wählte die irische Bevölkerung mehrheitlich die irisch-republikanische Sinn-Féin-Partei. 1919 begann der Irische Unabhängigkeitskrieg zwischen der Armee der irischen Republik (IRA) und der britischen Besatzungsmacht. Er endete 1921 im Anglo-Irischen Vertrag, in dessen Folge Irland in einen zu Großbritannien gehörenden Teil (das heutige Nordirland) und einen irischen Freistaat mit dem Status eines Dominions innerhalb des British Empire geteilt wurde. Ab 1922 kämpfte die IRA im Irischen Bürgerkrieg für die vollständige Unabhängigkeit Irlands. Nach großen Verlusten auf beiden Seiten wurde der Bürgerkrieg 1923 beendet. Durch ein Referendum am 1. Juli 1937 stimmten die Iren für eine neue Verfassung. Durch sie wurde der Freistaat Irland am 29. Dezember 1937 zur Republik Irland. 1949 verließ Irland schließlich das Commonwealth.

Der Nordirlandkonflikt

In Nordirland nahmen die Spannungen zwischen den protestantisch-anglikanischen Unionisten, die sich für die Verbindung mit Großbritannien einsetzten, und den Nationalisten, die einen unabhängigen irischen Staat ohne Teilung anstrebten, stetig zu. Während die Protestanten überwiegend in Wohlstand lebten, herrschte unter den Katholiken Armut. Sie durften kein Land kaufen, besaßen aufgrund der Wahlkreiseinteilung (Gerrymandering) und der an Besitz gebundenen Stimmenanzahl (Property Qualifications) kaum politisches Mitspracherecht und durften keine katholischen Bräuche ausüben. Als ihre Proteste gegen ihre Benachteiligung auch gewaltsam aufgelöst wurden, kam es Ende der 1960er-Jahre immer öfter zu gewalttätigen Ausschreitungen. Die IRA begann mit Anschlägen auf Protestanten. Am 30. Januar 1972 wurden bei einer Demonstration in Derry 14 Menschen von britischen Soldaten getötet. Diesen „Blutsonntag“ nahm die IRA zum Anlass für weitere Bombenanschläge. Es entwickelte sich eine Spirale der Gewalt mit 3.600 Toten und etwa zehn Mal so vielen Verletzten. Erst nach zehnjährigen Friedengesprächen konnte am 10. April 1998 das Karfreitagsabkommen (Good Friday Agreement) in Belfast von der britischen und irischen Regierung unterzeichnet werden. Darin verständigten sie sich auf das Konzept der Machtteilung (Power-sharing). Die britische Regierung hatte es bereits gut 20 Jahre vorher versucht in Nordirland durchzusetzen, scheiterte damals aber am massiven Widerstand der Unionisten. Das Karfreitagsabkommen wurde in getrennten Referenden in der Republik Irland und in Nordirland bestätigt.

Zentrale Punkte des Karfreitagsabkommens

Ein wesentlicher Bestandteil des Abkommens war der Verzicht der Regierung der Republik Irland auf die Wiedervereinigung mit Nordirland. Sie wurde jedoch nicht ausgeschlossen, wenn sich die Mehrheit der Nordiren dafür ausspricht. Ferner erklärten sich die paramilitärischen Truppen beider Seiten zur Entwaffnung bereit und Großbritannien sagte eine Verringerung seiner Truppenpräsenz in Nordirland zu. Schließlich wurde eine gemeinsame Kommission zur Aufklärung der Schicksale der Verschwundenen (The Disappeared) gegründet, bei denen es sich um Personen handelt, die mutmaßlich von der IRA an einem unbekannten Ort ermordet wurden. Vereinbart wurde außerdem die Zusammenarbeit von irischen und nordirischen Behörden. Nordiren wurde das Recht eingeräumt, zusätzlich zum irischen Pass einen britischen zu beantragen. Grenzkontrollen von Pässen oder Waren zwischen Nordirland und Irland wurden ausgeschlossen.

Ulster: Das falsche Synonym für Nordirland

Die „plantation of Ulster“ mag eines der „Kernbrennstäbe“ des jahrhundertealten Konflikts sein. Ulster war einst ein irisches Königreich unter den Uí Néill. In den Jahren 1603 bis 1660 nach der irischen Niederlage gegen das Königreich England wurden Engländer und Schotten protestantischen Glaubens nach Ulster umgesiedelt. Häufig wird das seit 1920 geteilte Ulster fälschlich als Synonym für das britische Nordirland benutzt. Der Begriff Ulster spielt jedenfalls in der Geschichte des Nordirlandkonflikts eine wichtige Rolle. So nennen sich die protestantischen Terrorgruppen Ulster Defence Association und Ulster Volunteer Force, die in ganz Nordirland tätig sind, nach der historischen Provinz.

Situation nach dem Brexit

Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 31. Januar 2020 bildet Nordirland eine Außengrenze der EU, die direkt auf der irischen Insel verläuft. Mit dem seit dem 1. Januar 2021 geltenden Protokoll zu Nordirland wurde entsprechend dem Karfreitagsabkommen festgelegt, dass es keine „harte“ Grenze zwischen Irland und Nordirland geben soll. Stattdessen soll der britische Zoll nach dem zum Brexit-Vertrag gehörigen Nordirland-Protokoll Kontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland in der Irischen See vornehmen. Darüber hinaus gelten für aus Großbritannien nach Nordirland eingeführte Waren EU-Zölle. Durch diese Regelung gehört Nordirland immer noch zum Vereinigten Königreich, bleibt aber trotzdem Teil des europäischen Binnenmarkts. Mit „maßgeschneiderten Regelungen“ wurden praktische Erleichterungen geplant. So wurde im April 2022 die Versorgung Nordirlands mit Arzneimitteln aus Großbritannien geregelt. Dennoch fühlt sich die nordirische Protestantenpartei DUP von Großbritannien abgeschnitten. Mit dem im Februar 2023 beschlossenen Windsor-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien wurde dem Rechnung getragen.