03. April 1948: 75. Jahrestag des Inkrafttretens des Marshallplans
Das unter der Bezeichnung „Marshallplan“ geläufige Wirtschaftsförderungsprogramm European Recovery Program (ERP) wurde am 5. Juni 1947 von dem amerikanischen Außenminister GeorgeC. Marshall in einer Rede vor Studierenden präsentiert und trat am 3. April 1948 in Kraft. Es sollte die wirtschaftliche Not und politische Instabilität Europas nach dem Zweiten Weltkrieg beseitigen helfen. Während über den tatsächlichen wirtschaftlichen Effekt des Programms bis heute in der Forschung Uneinigkeit herrscht, ist die schnelle wirtschaftliche Erholung Europas nach dem Krieg unumstritten. Die Liberalisierungspolitik und die durch das ERP stabilisierten europäischen Währungen begünstigten die Entwicklung der Wirtschaft Westeuropas. Auch einzelne amerikanische Wirtschaftszweige profitierten vom Marshallplan. In Westdeutschland war die Währungsreform von 1948, die im sogenannten „Konklave von Rothwesten“ im nordhessischen Fuldatal verwaltungstechnisch vorbereitet wurde, eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg.
Politisch betrachtet trug der Marshallplan zur Blockbildung zwischen Ost und West bei und förderte die Akzeptanz für die hegemoniale Stellung der USA in Westeuropa. Er förderte die Westintegration der jungen Bundesrepublik und war ein erster Schritt zur europäischen Integration. 1950 schlossen sich seine Mitgliedsländer zur Europäischen Zahlungsunion (EZU) zusammen.
Nachkriegssituation in Deutschland
Das nach Kriegsende in vier Besatzungszonen aufgeteilte Deutschland war durch zerstörte Städte und eine stark beschädigte Infrastruktur geprägt. Lebensmittel und Wohnraum waren überall knapp. Dazu kam noch die Versorgung von vielen Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Entsprechend den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens (1945) demontierten die Besatzungsmächte in ihren Zonen Industrieanlagen. In dieser Situation sahen sich die USA 1946 veranlasst, die ehemaligen Kriegsgegner im Rahmen des Hilfsprogramms GARIOA (Government Aid and Relief in Occupied Areas) mit Lebensmitteln zu versorgen. Trotzdem brach die Versorgungslage im sogenannten Hungerwinter 1946/47 vielerorts zusammen.
Auch in anderen europäischen Ländern war die Situation durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs schwierig. In Großbritannien etwa wurde die Ernährung der Bevölkerung über Lebensmittelkarten reguliert.
Beginn des Kalten Kriegs
Die auf der Pariser Außenministerkonferenz im Mai 1946 immer deutlicher werdenden Spannungen zwischen den USA und der Sowjetunion führten dazu, dass die USA Ende Mai 1946 die Reparationslieferungen aus ihrer Zone an die Sowjetunion einstellten. 1947 schlossen sie und Großbritannien ihre Besatzungszonen zur Bizone zusammen.
Um ein Machtvakuum als Folge der wirtschaftlichen Schwäche der west- und mitteleuropäischen Staaten zu verhindern, verfolgte Präsident Harry S. Truman mit der nach ihm benannten Truman-Doktrin die Eindämmung der sowjetischen Expansion und den Kampf der „freien Völker“ gegen den Kommunismus.
Ankündigung und Umsetzung des Marshallplans
In seiner Rede am 5. Juni 1947 betonte Marshall das Interesse der USA an einem politisch und wirtschaftlich stabilen Europa und bot allen Ländern Unterstützung gegen „Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos“ an. Er knüpfte sie an die Bedingung, dass sich die europäischen Staaten untereinander verständigten, selbst einen Beitrag leisteten, Währungskonvertibilität herstellten und eine supranationale Institution schufen. Außerdem sollte die aus der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone gebildete Trizone in den europäischen Handel einbezogen werden.
Die Sowjetführung lehnte das auf Freihandel und Wettbewerb basierende Hilfsprogramm ab, stellte ihrerseits im Juli 1947 den Molotow-Plan vor und untersagte den unter ihrer Kontrolle stehenden Staaten Mittel- und Osteuropas die Teilnahme am ERP. Die Vertragsunterzeichnung von 16 westeuropäischen Staaten – Frankreich, Großbritannien, Benelux-Staaten, Dänemark, Griechenland, Irland, Island, Italien, Norwegen, Portugal, Schweden, Türkei sowie die westlichen Besatzungszonen Deutschlands und Österreichs – mit den USA im September 1947 war die Grundlage für das am 3. April 1948 im amerikanischen Kongress verabschiedete Gesetz, das am gleichen Tag in Kraft trat.
Die am Marshallplan beteiligten europäischen Länder gründeten am 16. April 1948 in Paris den Ausschuss für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), den Vorläufer der heutigen OECD. Er schlug vor, wie die zur Verfügung gestellten, aber nicht ganz ausgeschöpften 17 Mrd. $ (heutiger Wert: rd. 205 Mrd. $) zwischen den Empfängerländern aufgeteilt und wofür sie verwendet werden sollten. Das Sondervermögen wurde von den Regierungen verwaltet, die Verwendung musste aber durch die Economic Cooperation Administration (ECA), eine amerikanische Behörde, die in allen Ländern eine Abteilung unterhielt, genehmigt werden.
Die amerikanische Unterstützung bestand vor allem aus Sachleistungen wie Weizen, Kraftstoffen und Medikamenten. Sie wurden von der US-Regierung bezuschusst. Die Empfängerländer mussten den Gegenwert dieses Zuschusses in Gegenwertfonds (Counterpart Funds) einzahlen, die in der jeweiligen Landeswährung geführt wurden. Wichtigster Zweck war die Förderung des Wiederaufbaus. Nur in Großbritannien und Norwegen dienten die Fonds dem Abbau der Staatsverschuldung.
Besonderheiten in Westdeutschland
In Westdeutschland stand der Gegenwertfonds zunächst unter US-Kontrolle. 1949 wurde er in ein Sondervermögen des Bundes überführt. Die im November 1948 in Frankfurt am Main gegründete Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) organisierte die Verteilung der Gelder – ca. 10 Prozent des ERP-Vermögens – aus dem Fonds und verwaltet bis heute Mittel, die aus dem Gegenwertfonds entstanden sind. Damit wurde nach der deutschen Einheit 1990 auch die ostdeutsche Wirtschaft gefördert.
Für Westdeutschland galt zudem die Sonderregelung, die US-Zuschüsse zu den Sachleistungen nur als Kredit zu gewähren. 1953 wurde jedoch geregelt, dass Deutschland nur ca. 1 von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar bis 1966 zurückzahlte.