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Bild links: Medienzentrum Hanau Bildarchiv, Bild Eugen Kogon: picture alliance / Sammlung Richter
Bild links: Medienzentrum Hanau Bildarchiv, Bild Eugen Kogon: picture alliance / Sammlung Richter

Nie wieder Hitler


Nach dem Zweiten Weltkrieg bauen die Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich Deutschland neu auf. Eine parlamentarische Demokratie soll auf den totalitären Einheitsstaat der Nationalsozialisten folgen, ein föderatives System die Länder mit eigenen Regierungen und Befugnissen stärken. Deutschland wird in vier Besatzungszonen geteilt. Das heutige Hessen liegt in der amerikanischen Zone.

Eine Demokratie entsteht

Die Vierte Gewalt


Am 1. August 1945 wird die erste Zeitungslizenz in der amerikanischen Besatzungszone an die Frankfurter Rundschau vergeben. Ein wichtiges Datum für die
Demokratiegeschichte des Landes. Denn: Damit in einer Demokratie nie nur eine Person oder eine Partei das Sagen hat, teilt man die Macht, die man fachtechnisch
auch „die Gewalten“ nennt, auf. Die erste Gewalt ist die sogenannte Legislative, sie beschließt die Gesetze. Dazu gehören die Parlamente wie Bundestag oder Landtag.
Die zweite Gewalt ist die Exekutive: Regierungen der Länder und des Bundes, die selbst Gesetze vorschlagen können, und außerdem Behörden, Polizei und
Staatsanwaltschaft. Sie alle setzen die von der Legislative beschlossenen Gesetze um. Die dritte Gewalt, die Judikative, prüft, ob jemand im gesellschaftlichen Miteinander
ein Gesetz übertreten hat.


Als vierte Gewalt in einer Demokratie werden oft die journalistischen Medien, also Zeitungen und Magazine – mit ihren Print- und Online-Ausgaben – sowie Hörfunk und
Fernsehen bezeichnet. Denn ihrem öffentlichen Auftrag gemäß berichten Medien kritisch über Politik und über Missstände in allen Teilen der Gesellschaft, zum Beispiel
den Missbrauch von Macht oder Geld. Außerdem haben die Medien die Aufgabe über aktuelle Ereignisse oder Zustände so zu informieren, dass Leser oder User sich selbst
eine eigene Meinung bilden können.
 

Warum Hessen so aussieht wie auf der heutigen Landkarte


Am 19. September 1945 verfügt die amerikanische Militärregierung mit der „Proklamation Nr. 2“ die Gründung des Landes Groß-Hessen. Das neue Land umfasst im Norden die ehemalige Provinz Hessen-Nassau und im Süden den früheren Volksstaat Hessen. Diesen Landeszuschnitt haben die amerikanischen Besatzer sich nicht einfach ausgedacht. Ursprünglich hatte die amerikanische Militärregierung die Bildung von zwei Ländern vorgesehen, Hessen-Nassau und Hessen(-Darmstadt). Zu dieser Überlegung wurde dann auch die Meinung der Hessen eingeholt. Vertreter der Besatzungsmacht, insbesondere die beiden US-Deutschland-Experten James K. Pollock und Walter L. Dorn, reisten durch die Regionen und befragten unbelastete deutsche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Recht, welche Gebiete früherer hessischer Staaten weiterhin zum neuen Land gehören sollen und welche historischen Entwicklungen eine Rolle spielen könnten. Danach erst fiel die Entscheidung der Amerikaner für ein geeintes „Groß-Hessen“.

Mit wem kann man nach dem Nazi-Terror noch zusammenarbeiten?

 

Beim Wiederaufbau ist die US-Militärregierung auf deutsche Mitarbeit angewiesen. Das beginnt schon bei den täglichen Verhandlungen zwischen Besatzern und Besetzten. Englisch ist noch nicht Weltsprache, also setzen die US-Truppen Dolmetscher ein. Das sind neben US-Offizieren mit Deutschkenntnissen oft Emigranten, die nach der Machtergreifung der Nazis ins Exil gegangen waren. So wie der hessische Widerstandskämpfer Siegfried Höxter, Jude, Sozialdemokrat und Vorsitzender des Sozialistischen Studentenbundes in Frankfurt. Er hatte 1933 fliehen müssen und kam 1945 als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes in seine einstige Heimat zurück.

Auch Posten in Verwaltung und Politik besetzen die Amerikaner mit Deutschen, die als unbelastet und vertrauenswürdig gelten, da sie von den Nazis verfolgt worden oder im Widerstand gegen Hitler aktiv gewesen waren. Dazu gehören etwa die neuen Regierungspräsidenten Fritz Hoch in Kassel, Sohn des im KZ ermordeten langjährigen Hanauer Reichstagsabgeordneten Gustav Hoch, Ludwig Bergsträsser in Darmstadt und Hans Bredow in Wiesbaden.

Der Jurist und Sozialdemokrat Hermann Louis Brill (*1895 in Gräfenrhoda, +1959 in Wiesbaden) wird 1946 erster Leiter der hessischen Staatskanzlei. Brill war seit einer direkten Begegnung mit Adolf Hitler dessen erklärter Gegner. Anfang der 1930er Jahr war Brill Landtagsabgeordneter in Thüringen, wo die Partei der Nationalsozialisten (NSDAP) bereits seit 1930 an einer Koalitionsregierung beteiligt war. Bei einem Versuch der NSDAP, den seit 1925 staatenlosen Hitler in Thüringen einzubürgern, vernahm Brill den späteren „Führer“ als Zeugen in einem Untersuchungsausschuss. Wie diese Begegnung sein Leben prägt, beschreibt Brill nach seiner Befreiung aus dem KZ Buchenwald.

Wie Orte die Geschichte der Demokratie in Hessen lebendig halten


Dieses Denkmal der Demokratie mutet an wie Grundrechts-Graffiti: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, der Kernsatz in Artikel 1 unseres Grundgesetzes (GG) und Artikel 3 der Hessischen Verfassung, hing seit 1966 am Gebäude der Staatsanwaltschaft in Frankfurt. Anbringen lassen hatte den Schriftzug Fritz Bauer. Der berühmte hessische Generalstaatsanwalt, der selbst von den Nazis verfolgt worden war, hatte in den 1960er Jahren die Auschwitz-Prozesse in Frankfurt geleitet. Für Bauer war Artikel 1 GG die Grundlage staatlichen Handelns: Der Staat hat die Pflicht, die Würde seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen. 2024 wurde die Metallschrift abgenommen und restauriert. Nach Fertigstellung des neuen Justizzentrums wird sie dort wieder zum Hingucker.

Erinnerungsort Goethe-Uni


Freiheit von Wissenschaft und Forschung, uneingeschränkte akademische Ausbildung – Hochschulen sind Orte gelebter Demokratie. Und zugleich ihre Fitnessstudios, weil sie die demokratische Praxis wissenschaftlich hinterfragen, erproben und vermitteln. Für die Frankfurter Goethe-Universität gilt das in doppelter Hinsicht. Das Gebäude der größten hessischen Hochschule auf dem heutigen Campus Westend wurde 1928-30 vom Architekten Hans Poelzig für die Hauptverwaltung der IG Farben errichtet. Während der Nazi-Zeit war das damals größte Chemieunternehmen der Welt aktiv an der Massentötung in den KZs beteiligt, etwa durch die Herstellung von Zyklon B für die Gaskammern. Nach Kriegsende machte die US-Militärregierung unter General Eisenhower den Bau zu ihrem Hauptquartier – und unterzeichnete hier die Gründung des Landes Hessen sowie die Landesverfassung.

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