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Neue Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte

Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt

Im Institut für Stadtgeschichte eröffnet am 12. September die Ausstellung „Auf die Barrikaden! Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt“. Die von Dr. Markus Häfner und Dr. Thomas Bauer kuratierte Schau läuft vom 13. September 2022 bis 18. September 2023, dem 175. Jahrestag des Septemberaufstandes 1848. Die Ausstellung beleuchtet zum einen die Rolle der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung und zum zweiten die revolutionären Ereignisse und Debatten im Stadtstaat Frankfurt zwischen 1848 und 1850. Eingebettet wird die Darstellung der Revolutionsjahre in Stationen zum Vormärz und zu den Nachwirkungen der Revolution.

„Während die Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung bereits aus vielen Blickwinkeln beleuchtet worden ist, stehen die Ereignisse im damaligen Frankfurter Stadtstaat oft im Schatten der Paulskirche und werden leicht übersehen“, sagt Franziska Kiermeier, die kommissarische Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte bei der Pressepreview. „Hier setzt die Ausstellung ‚Auf die Barrikaden!‘ an. Sie stellt die Frankfurter Protagonisten, Schauplätze, Entwicklungen, Ereignisse und die Verfassungsdebatte heraus und ordnet sie in den gesamtdeutschen Kontext der Revolution ein. Im Mittelpunkt steht der Septemberaufstand 1848.“

2023 jährt sich zum 175. Mal, dass die Abgeordneten des ersten gesamtdeutschen Parlamentes in der Frankfurter Paulskirche zusammenkamen, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaates zu beraten. „In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die europäische, aber auch eine deutsche Öffentlichkeit noch im Entstehen begriffen – und Frankfurt war mittendrin. Die Ausstellung macht erstmals anschaulich, welche politischen Auswirkungen die deutsche Revolution als Teil einer europäischen Entwicklung auch im damaligen Stadtstaat Frankfurt hatte. Ich freue mich sehr, dass die Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte den Auftakt und ein Highlight der vielfältigen Jubiläumsveranstaltungen bildet.“, so David Dilmaghani, Leiter des Dezernatsbüros für Kultur und Wissenschaft.

Frankfurt bot 1848/49 nicht nur die Kulisse für die Verfassungsdebatten im Paulskirchenrund, sondern erlebte 1848 Petitionen seiner Bürger und blutige Auseinandersetzungen sowie bis 1850 eine eigene intensive Verfassungsdiskussion für den Stadtstaat. „Nachdem der Frankfurter Senat den Märzforderungen nach Presse- und Versammlungsfreiheit schnell entsprochen und Verfassungsreformen in Aussicht gestellt hatte, richteten sich die Bemühungen von Stadt und Einwohnern in den folgenden Wochen vor allem darauf, als perfekte Gastgeber den passenden Rahmen für Vorparlament und Nationalversammlung zu bieten“, betont Dr. Markus Häfner, Kurator und verantwortlich für das Gesamtkonzept der Ausstellung. „Die Frankfurter Hotels und die Bewohner der Stadt nahmen hunderte von Abgeordneten auf. Zum Einzug der Parlamentarier und des Reichsverwesers Erzherzog Johann von Österreich war die Stadt festlich in schwarz-rot-gold gehüllt und Tausende jubelten ihnen zu. Doch angesichts der langwierigen Verhandlungen wandelte sich die Stimmung. So erlebte Frankfurt auch die blutige Seite der Revolution mit Barrikadenkämpfen, wie wir sie aus Berlin und Wien kennen“, skizziert Häfner den Verlauf der Revolution in der Mainmetropole.

Als Reaktion auf den Waffenstillstand von Malmö kam es am 18. September 1848 zu gewalttätigen Unruhen in der Stadt. „Der Septemberaufstand lässt sich in den Criminalia-Akten im Institut für Stadtgeschichte ‚hautnah‘ nachverfolgen“, so Mitkurator Dr. Thomas Bauer. An gut 50 Barrikaden in der Innenstadt wurde erbittert gekämpft, mehr als 50 Soldaten und Aufständische kamen ums Leben, die beiden Abgeordneten der Nationalversammlung Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky wurden ermordet. Die Parlamentarier mussten Truppen reaktionärer Herrscher anfordern, um sich gegen den Umsturzversuch der außerparlamentarischen Opposition zu schützen. „So wurde der Aufstand zu einem Wendepunkt der Revolution“, sagt Bauer. „Er machte den Paulskirchenabgeordneten ihre eigene Machtlosigkeit bewusst.“ In diesem Bewusstsein verabschiedeten die Abgeordneten der Nationalversammlung im Winter 1848/49 die „Grundrechte des deutschen Volkes“ und die „Reichsverfassung“. Spätestens als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die ihm angetragene Kaiserwürde ablehnte, war die Revolution zum Scheitern verurteilt.

Die „gescheiterte“ Revolution wirkte jedoch vielfältig nach und manche Entscheidungen wurden später in die Tat umgesetzt. So hatte sich mit der Frankfurter Nationalversammlung die Idee konkretisiert, einen Nationalstaat unter preußischer Führung und ohne Österreich zu schaffen. Diese kleindeutsche Lösung fand schließlich im Kaiserreich von 1871 ihre Realisierung. Den nachhaltigsten Einfluss hatte der Grundrechtskatalog. Zwar fand er im Kaiserreich nur partiell Anwendung, diente aber als Vorbild für die Verfassungen von Weimar 1919 und Bonn 1949. „So fußt unsere Demokratie auf dem Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung“, erinnert Kurator Dr. Markus Häfner an deren Bedeutung.

Verfassungsdebatten gab es von 1848 bis 1850 auch in den Einzelstaaten. Während in Flächenstaaten wie Preußen oder in ländlichen Regionen wie dem Odenwald die Vollendung der Bauernbefreiung, die Einführung einer Verfassung oder die Gewährung politischer Rechte die politischen Ziele darstellten, wollten die Frankfurter die bereits vorhandenen Strukturen ihrer bürgerlichen Gesellschaft und ihre bestehende Verfassung weiter reformieren. Oberstes Ziel war die Gleichstellung aller männlichen Bürger.

Angesichts der zur Vorbereitung der Nationalversammlung nötigen Maßnahmen stand die städtische Reformdebatte zunächst nicht auf der Tagesordnung und nahm erst im Herbst 1848 Fahrt auf. Im Gegensatz zu anderen Staaten, in denen sich die Verfassungsdiskussion abflachte, gipfelten 1849 die Frankfurter Verhandlungen im Vorschlag für eine demokratische Republik. „Die Paulskirche brauchte Frankfurt als Außenspielfläche. Und Frankfurt brauchte die europäischen Revolutionsprozesse als Rahmen“, resümiert Dr. Alexander Jehn, Direktor der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, die den Begleitband förderte.

Stadtplan, Objekte und historische Filmaufnahmen

Ein vier Quadratmeter großer Stadtplan in der Mitte des Ausstellungsraumes visualisiert 33 ausgewählte Orte der Revolution. So können Besucherinnen und Besucher erstens elf zentrale Orte der Debatten abseits der Paulskirche wie das Lokal an der städtischen Reitbahn, den politischen Salon von Clotilde Koch-Gontard oder die Wohnorte der Parlamentarier kennenlernen. Zweitens zeigt der Plan die Treffpunkte der Fraktionen wie das Café Milani, den Nürnberger Hof oder die Casino-Gesellschaft. Die Lokale gaben den Fraktionen ihre Namen. Die dritte Rubrik beleuchtet die Orte des Septemberaufstandes wie die Versammlung auf der Pfingstweide, die Barrikaden in der Innenstadt, die Gräber’sche Weinwirtschaft, die Ermordung der Abgeordneten Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky auf der Bornheimer Heide oder die Versorgung der Verwundeten und Aufbewahrung der Toten im Hospital zum Heiligen Geist.

„Wir freuen uns, dass wir zahlreiche Objekte ausstellen können, die die Revolutionszeit noch einmal greifbarer werden lassen“, erläutert Kurator Dr. Markus Häfner das Gesamtkonzept der Ausstellung. Die rot-schwarz-goldene Armbinde eines beim Wachensturm 1833 verhafteten Beteiligten und Burschenschaftsbänder veranschaulichen die Vormärz-Zeit sowie den Kampf um Freiheit und die Verfolgung der politischen Opposition. Zugangskarten der Abgeordneten der Nationalversammlung, Stimmzettel und Hampelmänner der Parlamentarier dokumentieren die Parlamentsarbeit und deren öffentliche Wahrnehmung. Pistolen, Säbel und Gewehre der Aufständischen und der herbeigerufenen Militärs zeigen die verwendeten Waffen bei den Barrikadenkämpfen. Die Totenmaske des ermordeten Abgeordneten Felix von Lichnowsky ruft die Gewalt gegen die Volksvertreter in Erinnerung. Ketten und Gerichtsakten zeigen die Untersuchungshaft und Gerichtsverhandlung gegen die Aufständischen. Abschließend thematisieren Gastgeschenke und Erinnerungsstücke der Hundertjahrfeier der Nationalversammlung 1948 den Wiederaufbau und die Bedeutung der Paulskirche als Demokratieort.

Den Wiederaufbau der Paulskirche und die Rolle als „Wiege der deutschen Demokratie“ dokumentieren ausgewählte Filmaufnahmen aus den Archivbeständen, die Besucherinnen und Besucher über ein Medienterminal ansehen können. Zwei weitere interaktive Stationen geben Einblick in die Biographien ausgewählter Parlamentarier sowie in die Baugeschichte der Paulskirche und deren räumliche Umgestaltung als Tagungsort der Nationalversammlung.

Publikation und Begleitprogramm

Passend zur Ausstellung ist im Henrich-Verlag die von Markus Häfner und Thomas Bauer verfasste Begleitpublikation mit 88 Seiten und mehr als 90 Abbildungen erschienen (ISBN 978-3-96320-063-2). Das Begleitbuch bildet die Inhalte der Ausstellung ab und ergänzt sie um einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat. Es ist im Institut für Stadtgeschichte und im Buchhandel für 18 Euro erhältlich.

Begleitend zur Ausstellung findet ein vielfältiges Programm aus Vorträgen, Ausstellungsführungen, Workshops für Schulklassen und Podcasts statt. Am Montag, 26. September 2022, eröffnet Prof. Dr. Dieter Hein mit seinem Vortrag „Das Werk der Paulskirche: Scheitern und Nachwirken“ die Vortragsreihe. Weitere Vorträge 2022 beleuchten die Rolle von Frauen in Turnvereinen, das Wirken des Deutschen Bundes und stellen Biographien von einzelnen Abgeordneten vor.

Im Jubiläumsjähr 2023 stehen die Lebensgeschichten von emigrierten Revolutionären, der Kampf um die Pressefreiheit, die Ereignisse der Revolution 1848/49 im Rhein-Main-Gebiet, die Karikaturenvielfalt 1848/49, das Frankfurter Stadtbild, die politische Beteiligung von Frauen, die Rolle von Freimaurern und die Diskussion um die Reform der Frankfurter Stadtverfassung im Blickpunkt. Hinzu kommen im Jubiläumsjahr 2023 ein Theaterstück mit Michael Quast, ein Liederabend mit Revolutionsliedern und ein spezielles Programm in der Festwoche im Mai 2023. Der Veranstaltungszyklus schließt am 18. September 2023 mit einem Festvortrag über den Septemberaufstand 1848.

Regelmäßige Führungen bieten Gelegenheit, die Ausstellung besser kennenzulernen. Zudem besteht die Möglichkeit, Gruppenführungen zu buchen. Die erste reguläre Führung findet am Sonntag, 9. Oktober 2022, um 15 Uhr statt. Weitere Informationen zum Begleitprogramm finden sich im Ausstellungsflyer.

Workshops für Schulklassen

Passend zur Sonderausstellung „Auf die Barrikaden!“ bietet das Institut für Stadtgeschichte zwei Workshops für Schüler und Schülerinnen ab der Klasse 9 an. Unter dem Titel: „… es ist mit dem Weibergeschwätz wieder kein Ende …“ wird die Rolle von Frauen in den Revolutionsjahren 1848/49 beleuchtet, die sich im Rahmen ihrer damaligen Möglichkeiten politisch und revolutionär engagierten. In einer „Karika-Tour“ werden Karikaturen zur Märzrevolution, zur Nationalversammlung und zum Septemberaufstand analysiert und interpretiert. Das Ergebnis wird dann in einer Wandzeitung festgehalten. Terminanfragen sind bitte mindestens zwei Wochen vorher an archivpaedagogik@stadt-frankfurt.de zu richten. Zu beiden Themen werden auch dauerhaft Unterrichtsmodule für Lehrkräfte zum Download angeboten.

Ergänzend hat das pädagogische Team des Instituts für Stadtgeschichte ein „Rallyeheft“ mit Quizfragen für Schüler und Schülerinnen erarbeitet. Dieses ist kostenfrei zum Besuch der Ausstellung erhältlich.

Podcastreihe „Was geschah mit Robert B.?“

Eine fünfteilige Podcast-Reihe von Stefanie Reimann zur Paulskirche und Nationalversammlung 1848/49 geht zeitgleich mit der Ausstellung an den Start. Unter dem Titel „Was geschah mit Robert B.?“ will die Podcast-Reihe das Gemälde „Der Zug der Volksvertreter“ von Johannes Grützke in der Wandelhalle der Paulskirche zum Sprechen bringen.

Die Frage, was mit Robert Blum geschah, gestaltet sich wie ein Krimi. In mehreren, jeweils 20-minütigen Folgen werden einzelne Szenen aus dem Gemälde herausgegriffen und ein Bogen gespannt über 150 Jahre deutsche Geschichte. Die Podcast-Reihe entsteht in Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für Politische Bildung in Wiesbaden und wird auf der Webseite unter https://www.stadtgeschichte-ffm.de/de/stadtgeschichte/podcasts sukzessive online gestellt. Sie wird ebenfalls auf den gängigen Audioplattformen veröffentlicht.

Weiterführende Informationen zur Ausstellung, zu Öffnungszeiten und zum Begleitprogramm finden sich unter www.stadtgeschichte-ffm.de.

Pressekontakt

Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main
Dr. Kristina Matron, Tel. 069 212 30 956, kristina.matron@stadt-frankfurt.de
Karmeliterkloster, Münzgasse 9, 60311 Frankfurt am Main
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