Gedenkstättenarbeit und zeitgeschichtliche politische Bildung
Seit Beginn der 1980er Jahre entstanden in Hessen eine Reihe von Initiativen, welche sich auf der Grundlage lokaler und regionaler Foschung das Ziel setzten, insbesondere an Orten ehemaliger Konzentrations- und Zwangsarbeitslager Gedenkstätten einzurichten. Aufgabe solcher Einrichtungen ist es, die Erinnerung an die Schrecken der NS-Terrorherrschaft und an deren Opfer wachzuhalten sowie mittels Dokumentation, Archiv und pädagogischen Angeboten sowohl Jugendliche als auch Erwachsene über die Geschehnisse in der Zeit von 1933 bis 1945 zu informieren. Das Land Hessen verfügt über keine NS-Gedenkstätten in eigener Trägerschaft. Auf seinem heutigen Territorium befand sich keines der großen Konzentrationslager, wohl aber ein Netz von Zwangseinrichtungen unterschiedlicher Art. Die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – etliche auch in ehemaligen Synagogen – sind selbständig, zu einem Teil mit Fördermitteln des Landes Hessen, tätig.
Um die Bedeutung der Gedenkstättenarbeit und die Verantwortung des Landes für die Aufklärung über die NS-Zeit zu unterstreichen, wurde der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) Ende 1992 durch Landtagsbeschluss die Aufgabe einer Koordinierungsstelle für das Land übertragen. Mit Jahresbeginn 1993 richtete die HLZ ein eigenes Referat „Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus / Zeitgeschichte / Rechtsextremismus“ ein.
Sie knüpfte dabei an die Erfahrungen an, welche sie bereits seit Beginn der 1980er Jahre zunächst mit der Vorbereitung und Finanzierung von Gedenkstättenbesuchen, später auch mit der Gedenkstättenförderung selbst hatte sammeln können. Die Fernsehausstrahlung des Holocaust-Films im Jahre 1979 führte sehr rasch zu einer außerordentlich großen Nachfrage insbesondere von Schulen nach schulbuchergänzenden Materialien für den Unterricht zur NS-Zeit sowie nach der Einbeziehung von Gedenkstättenbesuchen in die pädagogische Arbeit. Das Land stellte dafür der HLZ in den Folgejahren Sondermittel zur Verfügung. 1987 wurde die drei Jahre zuvor gegründete Gedenkstätte Breitenau in die Förderung durch die Landeszentrale aufgenommen, Anfang der neunziger Jahre kamen Hadamar und Stadtallendorf hinzu und 2003 schließlich Trutzhain.
Eine wesentliche Aufgabe des Gedenkstättenreferats ist die Förderung der hessischen Gedenkstätten sowohl in finanzieller Hinsicht, bezüglich Koordinierung und Zusammenarbeit untereinander als auch in der Verbreitung ihrer Arbeit in der Öffentlichkeit, in Schule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Diese Gedenkstätten zeigen exemplarisch den Umfang und die Unterschiedlichkeit der Opfergruppen, die unter dem Nazi-Regime aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen verfolgt, drangsaliert und ermordet wurden. Im Rahmen des Gesamtkonzepts von Gedenkstättenarbeit und zeitgeschichtlicher politischer Bildung stellt sich der HLZ eine Reihe weiterer Aufgaben. Hierzu gehört die Förderung von Besuchen bzw. von mehrtägigen Projekten hessischer Schul-, Jugend- und Erwachsenengruppen in Gedenkstätten auch außerhalb Hessens einschließlich vorbereitender Hilfen sowie die Vermittlung von Zeitzeugenlesungen und -gesprächen.
Eine Vielzahl eigener Fachtagungen, in denen nicht zuletzt neue Erkenntnisse der zeitgeschichtlichen Forschung vermittelt und diskutiert werden, führt regelmäßig Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zusammen. Problemfelder wie Opfer und Täter/innen, Organe und Handlungsweisen des NS-Staates, die ideologische Verführung von Kindern und Jugendlichen, aber auch deren rücksichtslose Ausbeutung und Ermordung durch das NS-Regime, die Rolle der Wirtschaftsunternehmen im „Dritten Reich“, die Dimensionen des Völkermordes, Formen und Personen des antinazistischen Widerstandes, der Umgang mit Verstrickung und Schuld nach 1945 und die Strategien der Verharmlosung und Leugnung bis in die Gegenwart werden thematisiert. Auch viele andere Aspekte der Aufarbeitung der NS-Zeit sowie zahlreiche Vortragsveranstaltungen und Ausstellungspräsentationen sind in der Bildungsarbeit des Gedenkstättenreferats der HLZ von Bedeutung, können indes hier nicht im einzelnen vorgestellt werden.
Darüber hinaus nimmt die Kooperation mit Gedenkstätteninitiativen und mit zeitgeschichtlich arbeitenden Projektgruppen in vielen hessischen Städten und Gemeinden durch inhaltliche Beratung sowie durch finanzielle Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Veranstaltungen, von lokal- und regionalhistorischen Ausstellungen und Publikationen einen breiten Raum in der Tätigkeit des Referats ein. Diese Zusammenarbeit dient dem Ziel, die Erinnerung an die NS-Herrschaft und das Gedenken an deren Opfer überall im Land zu unterstützen. Sie wird ergänzt durch eine umfangreiche Beratungs- und Servicetätigkeit des Gedenkstättenreferats gegenüber hessischen sowie auch außerhessischen Institutionen und Personen hinsichtlich Materialien, Forschungsergebnissen und Pädagogik zur NS-Zeit in Hessen. Ein nicht zu unterschätzender Faktor im Gesamtkonzept der Arbeit ist darüber hinaus der Ankauf zahlreicher Publikationen zur NS-Zeit, die unser kostenloses Publikationsangebot für „Landeskinder“ bereithält, sowie die Edition eigener Veröffentlichungen.