27. September 1982: 40. Todestag von Sigmund von Weech
Flaggen, Hymnen, Wappen und Siegel dienen der öffentlichen Repräsentation eines Staates nach außen, aber auch nach innen, indem sie Identifikationspotenzial für die der repräsentierten Gemeinschaft Zugehörigen schaffen. Das wohl traditionsreichste Staatssymbol der Bundesrepublik – der Bundesadler – wurde vom Künstler Sigmund von Weech zur Zeit der Weimarer Republik als Staatssiegel des Deutschen Reiches geschaffen. Obwohl von Weech mit dem einköpfigen Bundesadler, der das Haupt nach seinem rechten Flügel hinwendet, keine Krone trägt und im Schilde schwebt, ein Symbol kreierte, das heute eindeutig mit republikanischen Werten und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Verbindung gebracht wird, hat der Künstler selbst auch eine Vergangenheit im Nationalsozialismus. Am 27. September 2022 jährt sich sein Todestag zum 40. Mal.
Kindheit und Studium
Am 26. Mai 1888 kam Sigmund von Weech als Sohn des bayerischen Generalmajors Karl Sigmund von Weech und dessen Frau Franziska in Landsberg am Lech zur Welt. Er studierte Grafik an der Königlichen Kunstgewerbeschule München sowie Architektur an der Königlich Bayerischen Technischen Hochschule München, wo er 1912 zunächst als Assistent und später als Lehrkraft für Innenarchitektur und Zeichnen zu arbeiten begann.
Entwurf des Staatssiegels der Weimarer Republik
Im Auftrag des 1920 für die Koordination von staatlichen Kunst- und Kulturfragen erstmals berufenen Reichskunstwartes, Edwin Redslob, machte er 1921 zusammen mit dem Schriftkünstler Rudolf Koch einige Entwürfe für das Staatswappen der jungen Weimarer Republik, die als erste deutsche Demokratie und nach der Kriegsniederlage im ersten Weltkrieg nach neuen nationalen Symbolen suchte. Die Ursprünge des Adlers als deutsches Staatssymbol reichen bis ins Heilige Römische Reich zurück, wo er das Wappen des Königs und der Mehrzahl der Reichsfürsten zierte, die dadurch versuchten, ihre Legitimität von Gottes Gnaden zu verdeutlichen. Das Wappen des Kaisers hingegen zeigte im Gegensatz zu dem des Königs einen Doppeladler. Während der Revolution von 1848/1849 entschieden sich die Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche ebenfalls für den Doppeladler als Bundeswappen, um durch die Kontinuität zum Heiligen Römischen Reich an dessen Tradition anzuknüpfen. Im Zuge der Proklamation des Deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles 1871 verzichtete man bewusst auf den Doppeladler und die mit ihm verbundenen Bezüge zur Deutschen Revolution von 1848/1849 und setzte stattdessen den einköpfigen Adler in preußischer Tradition als Staatssymbol ein. Auch Sigmund von Weech nutze den einköpfigen Adler in seinen Entwürfen. Charakteristisch für seine Darstellung sind die Sechseckform und die Schlichtheit des Adlers, die zu seinem hohen Wiedererkennungswert beitragen. Von Weechs Arbeit bildete die Grundlage für das Staatssiegel der Weimarer Republik und für die Standarte des Reichspräsidenten, außerdem wurde sein Adler für das spätere Bundessiegel und den Adler im Medaillon des späteren Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland übernommen, um die Kontinuitäten von der Weimarer Republik als erste Demokratie auf deutschem Boden zur 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland zu betonen. Ein anderer Entwurf des Künstlers, der ab 1924 auf Briefmarken des Deutschen Reichs zu finden war, wurde 1926 von Karl-Tobias Schwab weiter vereinfacht. Dieser Adler zierte ab 1927 zunächst das Amtssiegel der Reichswehr, fand 1928 dann Eingang in das Signet der deutschen Olympiamannschaft von 1936 sowie in das Staatswappen der Weimarer Republik und wurde 1950 zum Bundeswappen der jungen Bundesrepublik.
Künstlerisches Schaffen zur Zeit des Nationalsozialismus
In der Nähe des Tegernsees gründete Sigmund von Weech 1920 eine Werkstatt für Handweberei, in der unter anderem verschiedene Arten von Stoffen und Teppichen produziert wurden. Darüber hinaus betrieb er eine Manufaktur für Marmormosaike und Stuckmarmor. Im Rahmen dieser Tätigkeit entwarf er in dessen Auftrag das persönliche Jagdservice von Hermann Göring. Zu Beginn der 1940er-Jahre fertigte er außerdem mehrere Entwürfe für das Erdkampfabzeichen der Luftwaffe an, das für den „mindestens dreitägigen, tapferen Kampf an vorderster Front“ an deutsche Soldaten verliehen wurde. Von 1931-1943 war er außerdem als Direktor der Textil- und Modeschule der Stadt Berlin tätig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Sigmund von Weech nach München zurück, wo er ein Atelier für dekorative Textilien eröffnete. In den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland verfasste er mehrere Sachbücher für Künstler und Grafiker. Am 27. September 1982 verstarb der Urheber des uns heute so vertrauten Staatssymbols schließlich im Alter von 94 Jahren in München. Die Tatsache, dass nach der Gründung der Bundesrepublik 1949 in der Frage nach nationalen, die junge Demokratie repräsentierenden Symbolen die Entscheidung auf den von Sigmund von Weech entworfenen, bereits zu Weimarer Zeiten verwendeten Bundesadler fiel, verdeutlicht den Stellenwert des einköpfigen Adlers als Zeuge deutscher Demokratiegeschichte. Heute ist er zu den wirkmächtigsten und traditionsreichsten Staatssymbolen unsere Zeit zu zählen.