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Stefan Baron: Die Chinesen

Reihe Literatur und Politik

Wiesbaden, 14. Februar 2019 – Stefan Baron, Autor und Kommunikationsberater, stand an diesem Abend in der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung vor über 100 Gästen Rede und Antwort zu seinem 2018 erschienenen Buch „Die Chinesen“ und gab dabei einen Einblick in die chinesische Seele. Moderiert wurde das Gespräch im Rahmen der Reihe „Literatur und Politik“ von Dominik Lessmeister vom ZDF-Landesstudio Hessen.
Dominik Lessmeister stellte zu Beginn der Veranstaltung Stefan Baron kurz vor. Der preisgekrönte Journalist war u.a. für die Wirtschaftswoche und den Spiegel tätig, bis 2012 war er Kommunikationsleiter bei der Deutschen Bank. Seit über 30 Jahren beschäftige er sich intensiv mit China. Als Einstiegsfrage wollte Dominik Lessmeister wissen, was denn die Chinesen auszeichnen würde. Stefan Baron antwortete, dass China die einzige Hochkultur der vergangenen Jahrtausende sei, die heute noch existieren würde. China sei geprägt durch seine lange Tradition und würde sich über die Kultur definieren. China sei also keine sich politisch definierende Nation, sondern eine Kulturnation. Geprägt sei China dabei vor allem von den Lehren Konfuzius‘, also paternalistisch, hierarchisch und streng, dann auch vom Taoismus, dem Legalismus und dem sinisierten Marxismus. Die Chinesen würden Vieles, was von außen käme, sinisieren, an die chinesischen Verhältnisse anpassen, so Stefan Baron weiter.

Auf die nächste Frage des ZDF-Redakteurs, welche Rolle die Familie in China spielen würde, betonte der Autor, dass der Mensch in China nicht als Individuum wahrgenommen würde, sondern als Teil der Familie. Die Familie bzw. der Familien-Clan sei dabei das A und O und würde im Mittelpunkt stehen. Die Gesellschaft hätte eine eher untergeordnete Bedeutung. Es gäbe keinen Gemeinsinn, keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt und eben auch keine Zivilgesellschaft. China sei wie ein Haufen Sand, die Sandkörner seien die Familien. Innerhalb der Familie wäre Bildung äußerst wichtig. Das Lernen sei ein wesentlicher Lebensinhalt. Um gut zu werden, müsse man lernen und etwas leisten, ganz im konfuzianischen Sinne. Als weitere charakteristische Eigenschaften nannte Stefan Baron den Pragmatismus der Chinesen und die Kunst, zuhören zu können und selbst nicht zu viel zu reden. Sie seien mit wenig zufrieden und seien regelrechte Lebenskünstler.

Was die Menschenrechte und die Einschränkungen (z.B. im Internet, Überwachungen im öffentlichen Raum, Sozialpunkte) in China anbelange, wäre das Land noch nicht soweit und bräuchte noch etwas Zeit. Er glaube, so der Autor dazu weiter, dass früher oder später mehr Demokratie Einzug halten würde. Auch hierbei würden die Chinesen pragmatisch herangehen und würden langfristig denken. Mehr als 80 Prozent der Chinesen hätten auch kein Problem mit der Vergabe von Sozialpunkten oder der Sammlung von Daten. Die Chinesen hätten im Übrigen viele individuelle Freiheiten, solange sie nicht politisch aktiv und der Kommunistischen Partei in die Quere kommen würden.  China sei mittlerweile die zweitgrößte Volkswirtschaft. In Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik oder Elektromobilität sei China mit den USA oder Europa gleich auf bzw. schon voraus. China laufe dem Westen den Rang ab. Die neue Seidenstraße sei dabei ein weiterer Hebel und das zentrale Steuerelement der Außenpolitik, den Mittelpunkt der Weltwirtschaft wieder nach Eurasien zu verlegen. Hier würde für Europa auch die Chance liegen, gemeinsam mit China an dieser Strategie aktiv mitzuarbeiten und mitzugestalten. Bei den Gründen, die für den wirtschaftlichen Aufschwung verantwortlich zeichneten, führte Stefan Baron mehrere Aspekte an. Zum einen verwies er auf die durch die Kolonialzeit bedingte Demütigung Chinas. Diese sei für China ein wichtiger Motivationsfaktor, dass dies niemals wieder geschehen dürfe. Weiterhin habe China das Ziel, wieder ein starkes China zu sein wie in früheren Zeiten. Der Bildungs- und Lerneifer, die hohe Leistungsbereitschaft und der Fleiß sowie die Findigkeit und Kreativität trügen ebenso dazu bei, dass China einen so schnellen Aufschwung genommen habe. Aus seiner Sicht könne das 21. Jahrhundert ein asiatisches Jahrhundert werden oder auch ein eurasisches, wenn Europa die Chance ergreife, mit China enger zu kooperieren.

Die Fragen aus dem Publikum kreisten u.a. um die Beziehungen von China zu den USA, zu Japan oder zu Taiwan. Taiwan sei für China die größte Herausforderung. Bis 2049, der 100-Jahrfeier zur Gründung der Volksrepublik China unter Mao, wolle China mit Taiwan vereinigt sein. Falls es länger dauern würde, wäre es allerdings auch kein Problem. Was Chinas Militär- und Sicherheitspolitik anbelange sei China defensiv eingestellt. China hätte kein Sendungsbewusstsein, fühle sich nicht als Weltpolizei und wolle keinen Krieg. Von Deutschland hätte China lange Zeit eine hohe Meinung gehabt. Allerdings hätte dieses positive Bild in jüngster Zeit Kratzer bekommen, nicht zuletzt durch Pannen bei Großprojekten wie beim Berliner Flughafen. Darüber würden die Chinesen nur den Kopf schütteln und sich wundern. Nach der Fragerunde konnten sich die Gäste das Buch von Stefan Baron „Die Chinesen“ signieren lassen.