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Eva Rosenkranz/Andreas H. Segerer: Insektensterben

Reihe Literatur und Politik

Ein flammender Appell für eine ökologische Landwirtschaft und für ein Umdenken in der Wahrnehmung der Natur!

Wiesbaden, 29. August 2019 – SWR-Umweltredakteur Manfred Ladwig moderierte gestern Abend in der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung in der Reihe „Literatur und Politik“ ein Gespräch mit den beiden Autoren Eva Rosenkranz und Dr. Andreas H. Segerer zu ihrem Buch „Insektensterben“. Die Begrüßung übernahm wie gewohnt Jürgen Kerwer, der die Vortragsreihe bei der HLZ verantwortet.

Der Mikro-Biologe Dr. Andreas H. Segerer, der sich schon früh mit naturwissenschaftlichen Fragen und Insekten beschäftigte und seit 1998 als Schmetterlingskundler an der zoologischen Staatssammlung München tätig ist, beantwortete im ersten Teil des Gesprächs mit Manfred Ladwig grundsätzliche Fragen rund um das Thema Insektensterben.

Auf die Frage welche Bedeutung die Insekten für das Leben auf der Erde hätten, antwortete der Wissenschaftler sehr ausführlich. Insekten seien innerhalb der Tierwelt „systemrelevant“ und mit Abstand die größte Gruppe mit ca. 1 Mio. Arten. Insekten würden 90% der Blütenpflanzen bestäuben und somit einen wesentlichen Beitrag innerhalb der Nahrungskette leisten. Zum zweiten würden sie als Recyler und Regulierer Aas, Kot, Nahrungsabfälle etc. in proteinreiche Biomasse umwandeln. Außerdem würden die Insekten als Nahrungsquelle für die Tierwelt, aber auch für die Menschen eine zentrale Rolle innerhalb des Ökosystems spielen.

Auf die Ursachen des Insektensterbens angesprochen erläuterte Dr. Segerer die Komplexität der vielen Faktoren, die dazu beitragen würden. Einleitend wies er daraufhin, dass aktuell ein Drittel aller Insekten bedroht seien. Pro Jahr würde die Zahl der Insekten um 2,5% sinken. Zahlreiche Studien bestätigten, dass der Rückgang der Insekten immer schneller vonstattenginge und dramatisch sei. Maßgeblich verantwortlich dafür sei die konventionelle Landwirtschaft mit ihrer Überdüngung der Böden, der Massentierhaltung, dem Einsatz von Pestiziden oder dem Festhalten an Monokulturen. Hinzu kämen die Umweltbelastungen durch die Industrie und den Verkehr, die die Luft zusätzlich belasten würden. Bei einem Blick auf die Belastungsgrenzen der Erde zeigte Dr. Segerer auf, dass die Biologische Vielfalt (Biodiversität) und hier vor allem die Artenvielfalt akut bedroht und schon längst im dunkelroten Bereich seien.

Manfred Ladwig schloss darauf die Frage an, was den geändert werden müsste. An erster Stelle, so Dr. Segerer in seiner Antwort dazu, müssten die Lebensräume der Insekten geschützt bzw. ausgeweitet werden. Dies müsste bei allen Planungen von Bauten, Verkehrswegen, Gewerbegebieten, Siedlungen etc. berücksichtigt werden. Ein intakter Lebensraum für Insekten sei elementar. Weiterhin forderte er eine radikale Wende in der Landwirtschaft, weg von der Massentierhaltung und der intensiven Landwirtschaft hin zu einer ökologischen Landwirtschaft. Der Ausstoß von Stickstoffen und der Einsatz von Düngemitteln müssten drastisch reduziert werden. Pestizide müssten grundsätzlich verboten werden. Auf europäischer Ebene müsste endlich die Subventionierung der intensiven Landwirtschaft gestoppt und ausschließlich ökologische Landwirtschaft finanziell unterstützt und gefördert werden. Die bisherigen Gesetze (Naturschutzgesetz, Bundesnaturschutzverordnung) seien nicht ausreichend. Eine Lebensraumverordnung sei hier dringend notwendig.

Das erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in Bayern könne hier ein Vorbild sein. Das Volksbegehren, das von 1,8 Millionen Bürgerinnen und Bürgern unterstützt worden war, führte dazu, dass der bayerische Landtag ein Begleitgesetz zum bestehenden Naturgesetz mit einem umfassenden Maßnahmenkatalog verabschiedete, was nun seit dem 1. August 2019 greifen würde. Wichtig sei, dass der Druck von außen weiter zunehmen müsse, um die Politik in eine andere Richtung zu bewegen. Ein wichtiger Partner könne hier auch „Fridays for Future“ sein, die das Thema „Insektensterben“ mit auf die Agenda nehmen sollten. Gespräche würden hier bereits laufen. 

Eva Rosenkranz, die die Idee zu diesem Buch hatte, berichtete aus ihrer Wahlheimat Bayern am Ammersee. Dort setzt sie sich ein für eine ökologische Landwirtschaft, stößt aber immer wieder auf Widerstände bei den Bauern, aber auch bei den Behörden. Diese würden Anfragen verschleppen, Verantwortungen delegieren und nichts unternehmen.

Was wir, der Einzelne, denn nun tun könnten, fragte Manfred Ludwig die Buchautorin. Eva Rosenkranz antwortete, dass wir erst einmal wieder lernen müssten, was „normal“ in der Natur sei. Heute müsste alles ordentlich im Garten sein, immer frisch gemäht, viel Rasen und Steine, aber ja keine Unordnung. Genau das sei aber der falsche Weg. Wir sollten weniger mähen, die Natur belassen, so wie sie ist, heimische Pflanzen anpflanzen, Laub liegen lassen und einfach weniger eingreifen in die Natur. Wir müssten unsere Sichtweise auf die Natur grundlegend ändern, so ihr abschließendes Fazit.

Bei den Wortmeldungen aus dem Publikum wurde u.a. auf die Zupflasterung der Vorgärten für Parkplätze oder fehlende Pflanzen auf den Balkonen hingewiesen. Die Frage nach einer Wanderausstellung zum Thema „Insektensterben“ notierte sich Dr. Segerer gleich als Anregung. Der Umweltladen Wiesbaden wies in diesem Kontext daraufhin, dass der NABU Nordrhein-Westfalen wohl eine solche Ausstellung bereits auf Reisen schicken würde. 

Die Autoren und der Moderator wurden mit großem Applaus vom Publikum verabschiedet. Die Gäste konnten sich die vorgestellte Publikation „Insektensterben“ anschließend mitnehmen. Diese kann auch hier bei der HLZ bestellt werden.