9. Mai 1921: 100. Geburtstag Sophie Scholl
„Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten.“
Sophie Scholl und die anderen Mitglieder der Weißen Rose gehören zu den medial bekanntesten Widerstandskämpfern gegen das Verbrecherregime der Nationalsozialisten.
Zahlreiche Schulen, Straßen und Plätze wurden nach Sophie Scholl bzw. den Geschwistern Scholl benannt. „Im Namen der deutschen Jugend fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit zurück“ und „Kampf gegen die Partei“, stand auf Flugblättern der „Weißen Rose“ geschrieben. Für ihre politische Überzeugung gegenüber dem verbrecherischen System der Nationalsozialisten brachten sich die Geschwister Scholl und die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ in Lebensgefahr. Denn wer offen gegen den Diktator Hitler und dessen unmenschliche Kriegspolitik wetterte, wurde verhaftet oder sogar getötet. „Sophie Scholl und ihre Mitstreiter sind heute Vorbilder für eine offene Streit- und Diskussionskultur in einer pluralen Gesellschaft, die von niemanden für sich alleine beansprucht werden kann, weil ja gerade die Freiheit und Offenheit eines ihres wesentlichen politischen Ziele waren,“ so HLZ-Direktor Dr. Alexander Jehn.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl lassen SWR und BR in einem Instagram-Projekt @ichbinsophiescholl Userinnen und User an den letzten zehn Monaten ihres Lebens teilhaben. Weitere Infos unter www.swr.de/ichbinsophiescholl.
Sophie Scholl, 1921 im württembergischen Forchtenberg als Tochter eines Bürgermeisters geboren, wuchs in einer christlich-liberal geprägten Familie auf. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war Sophie zunächst von den Ideen und Angeboten der Nazis begeistert. Im Januar 1934 trat sie dem Bund deutscher Mädel (BDM) bei und übernahm dort schon bald Führungsaufgaben als Scharführerin. Ab 1936 fand sie im Umfeld ihres Bruders Hans eine neue geistige Heimat in der „Bündischen Jugend“ (Hans Scholl führte innerhalb der Hitler-Jugend ein Fähnlein der Deutschen Jungenschaft 1. November 1929, die aber wie die anderen bündischen Jugendschaften in der Hitler-Jugend bereits gleichgeschaltet war), was allerdings dazu führte, dass die Gestapo im Dezember 1937 kurzzeitig Hans, Sophie und die beiden anderen Geschwister Irene und Werner verhaftete. Ein Jahr später verlor Sophie ihren Rang als Gruppenführerin und erlebte zunehmend die Widersprüche zwischen der parteigesteuerten Fremdbestimmung und dem eigenen liberalen Denken.
Ihr Abitur machte Sophie Scholl im März 1940. Anschließend absolvierte sie Praktika in einem evangelischen Kindergärtnerinnen-Seminar in Ulm und im August 1940 am Fröbel-Seminar im Kindersanatorium Kohlermann in Bad Dürrheim. Im Oktober 1941 erhielt Sophie eine Anstellung im Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt-Kinderhort in der Bergbaustadt Blumberg im Südwesten Baden-Württembergs. Diese Station war für sie erforderlich, weil Studierwillige einen Kriegshilfsdienst zu absolvieren hatten. Ihr Studium der Biologie und Philosophie begann sie im Mai 1942 an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Hier lernte sie über ihren Bruder Hans, der dort seit 1939 Medizin studierte, weitere Studenten kennen, die im Juni 1942 die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ gründeten.
Die „Weiße Rose“ rechnete in ihren insgesamt sechs Flugblättern 1942/1943 mit dem nationalsozialistischen Regime ab. Vor allem in den Flugblättern Nr. 5 und 6 im Januar und Februar 1943 ging die Studentengruppe auf die katastrophale militärische Situation der deutschen Wehrmacht nach Stalingrad ein und warf den Nationalsozialisten Kriegsverbrechen vor. Eindringlich forderte die Studentengruppe die Jugend, die Studentinnen und Studenten und die ganze Bevölkerung auf, Widerstand zu leisten und sich von der verbrecherischen Naziführung abzuwenden. Die Widerstandsgruppe zeichnete dabei auch das Bild eines zukünftigen Europas nach dem Krieg. Europa sollte aus freien Staaten bestehen, die nicht von Militarismus, Imperialismus und Nationalismus geprägt sein sollten. Die Grundlagen des neuen Europa sollten sein: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten.“ Für Deutschland forderten sie eine föderalistische Struktur weg vom preußischen Militarismus und einer zentralistischen Gewalt. Sophie Scholl war im Januar 1943 erstmals an der Herstellung eines Flugblattes beteiligt.
Den Kern der „Weißen Rose“ bildeten fünf Studenten, zwischen 21 und 25 Jahren alt: Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst und Alexander Schmorell. Unterstützt wurden sie dabei von Professor Kurt Huber. Beim Verteilen von Flugblättern im Lichthof der Münchener Universität am 18. Februar 1943 wurden Sophie und Hans Scholl festgenommen. Nach Verhören zwischen dem 18. und 20. Februar wurden sie am 22. Februar vom Volksgerichtshof unter Vorsitz des Richters Roland Freisler wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt. Noch am selben Tag wurde Sophie Scholl ebenso wie ihr Bruder Hans und Christoph Probst im Strafgefängnis München-Stadelheim hingerichtet. Im April 1943 folgte ein zweiter Prozess gegen 14 weitere Mitglieder der Weißen Rose. Willi Graf, Kurt Huber und Alexander Schmorell wurden zum Tode verurteilt, die anderen zu Haftstrafen.
Die Gräber von Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst befinden sich auf dem neben der Justizvollzugsanstalt Stadelheim gelegenen Friedhof am Perlacher Forst.
Ein zentraler Erinnerungsort zur Geschichte des studentischen Widerstands der Weißen Rose ist die Dauerausstellung “Die Weiße Rose. Widerstand gegen die NS-Diktatur” in der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München.
Eine umfangreiche Dokumentation zu Sophie Scholl und der „Weißen Rose“ ist auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung hier zu finden.
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) erinnert ebenfalls mit einem umfangreichen Online-Dossier an die Widerstandskämpferin Sophie Scholl: www.gedenkstaetten-bw.de/sophie-scholl.