28. Februar 1948: 75. Jahrestag des offiziellen Endes der Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone
Ende Februar 1948 verkündete die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) im Befehl Nr. 35, dass sie eines der großen kurzfristigen Ziele nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht hatte: die Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). In der SBZ wurde die Entnazifizierung am konsequentesten und härtesten, aber auch am willkürlichsten durchgeführt. Sie sollte von Beginn an zügig und ohne Rücksicht auf Einzelschicksale erfolgen und stand im Zusammenhang mit der sogenannten „antifaschistisch-demokratischen Umwälzung“ der deutschen Gesellschaft in der Besatzungszone. Das Ziel war es, die ehemaligen Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) aus allen wichtigen Stellungen zu entfernen und eine politische sowie soziale Neustrukturierung der Besatzungszone zu forcieren. Aber wie war dieser Prozess geplant und wie sah die Praxis der Entnazifizierung im Detail aus?
Rahmenbedingungen der Entnazifizierung
Im Januar 1946 hatte der Alliierte Kontrollrat in Berlin die erste Direktive zur Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft erlassen. Im Oktober desselben Jahres wurden gemeinsam beschlossene Richtlinien vorgestellt, wie aktive Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten, Helferinnen und Helfer und Nutznießerinnen und Nutznießer des NS-Regimes behandelt werden sollten. Die „gerechte Beurteilung der Verantwortlichkeit“ zur „Heranziehung zu Sühnemaßnahmen“ sollte über eine Kategorisierung von fünf Gruppen erreicht werden:
- Hauptschuldige
- Belastete
- Minderbelastete
- Mitläuferinnen und Mitläufer
- Entlastete
Ursprünglich war geplant, dass das Entnazifizierungsverfahren in allen Besatzungszonen gleich ablaufen sollte. Jedoch entwickelte die Führung der SBZ ab Ende Oktober 1946 eigene „Richtlinien für die Bestrafung der Naziverbrecher und die Sühnemaßnahmen gegen die aktivistischen Nazis“. Sie waren von einem gemeinsamen Ausschuss der zusammengefassten Parteien, unter Federführung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), verfasst worden. Der Katalog der Sühnemaßnahmen beinhaltete u.a. die Entlassung aus öffentlichen Verwaltungsämtern und der Ausschluss von Tätigkeiten, die öffentliches Vertrauen erfordern, die Kürzung der Versorgungsbezüge und Einschränkung bei der allgemeinen Versorgung, solange die grundlegenden Versorgungsmängel bestanden, sowie die Nichtgewährung politischer Rechte, einschließlich des Rechts auf Mitgliedschaft in Gewerkschafts- oder anderen Berufsvertretungen und in den Parteien.
Internierungs- und Speziallager in der SBZ bis 1950
In der SBZ wurde, wie auch in den alliierten Besatzungszonen, Rücksicht auf belastete Expertinnen und Experten und Fachpersonen genommen, die für den schnellen Wiederaufbau unentbehrlich waren. Bis Ende 1946 waren in der SBZ mehr als 390.000 ehemalige NSDAP-Mitglieder aus dem öffentlichen Dienst entlassen oder nicht wiedereingestellt worden. Der sowjetische Geheimdienst hatte in der SBZ Internierungs- und Speziallager eingerichtet, in denen Beschuldigte nationalsozialistischer Verbrechen eingesperrt wurden. Im Gegensatz zu den Internierungslagern der alliierten Besatzungszonen dienten die Speziallager in der SBZ auch dazu, politische Gegner zu kriminalisieren, um den Aufstieg der SED nicht zu gefährden. Ehemalige Konzentrationslager, wie Buchenwald und Sachsenhausen, wurden zu Speziallagern umfunktioniert. Mindestens 12.000 Gefangene starben bis 1950 in solchen Lagern und wurden in Massengräbern beerdigt.
Praxis der Entnazifizierung
Den Entnazifizierungskommissionen gehörten unbelastete Vertreterinnen und Vertreter der Parteien und der Gewerkschaften, ehemalige Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes, Mitglieder von Frauen- und Jugendausschüssen sowie Abgeordnete der Industrie- und Handelskammern an. Die vorbereitenden Arbeiten vor Ort wurden von sogenannten Kreiskommissionen unter dem Vorsitz der Oberbürgermeister oder von Landräten durchgeführt. Die Kommissionen entschieden über Entlassungen und Wiedereinstellungen und standen unter enormen zeitlichen und politischen Druck.
Änderungen und Anpassungen in der Entnazifizierungspraxis
Da sich der Konflikt zwischen den Alliierten immer weiter zuspitzte, wurden sowohl in der SBZ als auch in den westlichen Besatzungszonen die Entnazifizierungsverfahren beschleunigt und die Möglichkeit der Rehabilitierung propagiert. Immer größere Gruppen, die vorher als belastet angesehen worden waren, wurden so schnell wie möglich in das gesellschaftliche und berufliche Leben integriert. Mit dem Befehl Nr. 201 der Sowjetischen Militäradministration wurde die letzte Phase der Entnazifizierung in der SBZ eingeleitet. Er stellte endgültig die Weichen zur Rehabilitierung aller nominellen NSDAP-Mitglieder. Den deutschen Gerichten in der SBZ wurde gleichzeitig mit der Auflösung der meisten Entnazifizierungskommissionen die Aburteilung der NS- und Kriegsverbrecher übertragen.
Ende der Entnazifizierung
Bis zum März 1948 waren seit Beginn der Entnazifizierung in der SBZ insgesamt 520.734 Personen aus ihren Ämtern und Funktionen entlassen bzw. nicht wiedereingestellt worden. Insgesamt wurden bis zu 80.000 Menschen vom Sowjetischen Militärtribunal zu langjährigen Zuchthausstrafen oder gar zum Tode verurteilt. Oft lagen keine fundierten Beweise vor, die die Belastung oder die Verstrickungen in nationalsozialistische Verbrechen bestätigten, und dennoch kam es zu drastischen Verurteilungen bis hin zum Todesurteil. 1948 galt die Entnazifizierung als abgeschlossen, jedoch waren die sowjetischen Speziallager noch voller Häftlinge. Die weiteren Prozesse gegen vermeintliche und tatsächliche NS-Belastete unter DDR-Regie fanden im Zeitraum vom 21. April bis zum 29. Juni 1950 im Zuchthaus der sächsischen Kleinstadt Waldheim statt und sind heute bekannt als Waldheimer Prozesse.