08. November 1848: 175. Geburtstag von Bram Stoker
Ist Graf Dracula ein Fake? Oder ist doch „etwas dran“ an der Geschichte? So beginnen allermeist Fake News: Es wird schon etwas Wahres dran sein. Die Gruselfigur „Dracula“ kennt hierzulande jedes Kind. Nicht nur zu Halloween, sondern auch in zahlreichen Kindersendungen und Disneyfilmen hat der wohl berühmteste Vampir der Literaturgeschichte Hochkonjunktur. Der irische Schriftsteller Abraham „Bram“ Stoker verhalf dem walachischen Fürsten Vlad III. Draculea, der historischen Vorlage „Draculas“, durch die literarische Verarbeitung verschiedenster Versatzstücke in seinem gleichnamigen Roman zu ebendieser Berühmtheit.
Kindheit, Jugend und Studium
Bram Stoker wurde am 8. November 1847 als drittes von sieben Kindern in Marino Crescent bei Dublin geboren. Im Kindesalter litt er unter einer das Gehen und Stehen beeinflussenden Erkrankung, die sich im Motiv von ewigem Schlaf und Wiederauferstehung auch in seiner Literatur wiederspiegelt. Für das spätere, wundersame Verschwinden der Krankheit fanden seine Ärzte keine Erklärung. Während seines Studiums von Geschichte, Literatur, Mathematik und Physik 1864 bis 1870 am Trinity College in Dublin spielte er sogar erfolgreich Fußball in der Mannschaft des Colleges. Nach Abschluss des Studiums folgte er der Laufbahn seines Vaters nach Dublin Castle, wo er als Beamter der Dienstaufsichtsbehörde der Justizverwaltung arbeitete.
Literarisches Schaffen und dessen historische Vorlage
Neben dieser für ihn unbefriedigenden Tätigkeit engagierte sich Stoker außerdem als Journalist und Theaterkritiker, wobei er unter anderem Artikel für das „Dublin University Magazine“ schrieb. 1890 traf Stoker den ungarischen Professor Arminius Vámbéry, von dem er von der Legende des rumänischen Fürsten Vlad III. Draculea erfuhr, der zwischen 1431 und 1477 gelebt haben soll. Der Beiname „Draculea“ – zu Deutsch „Sohn des Drachen“ – leitete sich von der Mitgliedschaft seines Vaters im Drachenorden Kaiser Sigismunds, dem damaligen König des Heiligen Römischen Reiches, ab. Bereits im 15. und 16. Jahrhundert fanden die ursprünglich politisch motivierten Legenden über angebliche Gräueltaten des Fürsten besonders im russischen und deutschsprachigen Raum Anklang. In polemischen Pamphleten wurde er als Kinderschänder und Menschenschlächter mit einer grausamen Vorliebe für Hinrichtungen durch Pfählung dargestellt. Ein besonderes Interesse an dieser politischen Propaganda hatte der ungarische König Matthias Corvinus, der Vlad III. gegenüber seinen Geldgebern aus Rom zum Sündenbock für seine Passivität im militärischen Konflikt mit dem Osmanischen Reich erklärte. Stoker arbeitete sieben Jahre lang an seinem 1897 veröffentlichten Roman, dessen Vampirdarstellung unsere heutige Vorstellung der Gruselfigur determiniert. Dieser ist eine Mischung aus Reise-, Liebes-, Abenteuerroman und Schauergeschichte und besteht formal aus einer Folge von Tagebucheintragungen, Mitschriften von Phonographaufnahmen, Briefen und Zeitungsartikeln, durch die dem Leser eine unmittelbare Nähe zu den Geschehnissen suggeriert wird. Stoker macht den junge britische Anwalt Jonathan Harker zur Hauptfigur seines Romans. Dieser reist nach Transsilvanien, um im Auftrag einer Londoner Kanzlei mit einem Grafen zu verhandeln, der an einem Anwesen in England interessiert ist. Bei diesem Grafen handelt es sich, wie sich im Verlauf der Handlung herausstellt, um den Vampir Dracula.
Bezeichnend aus Sicht der politischen Bildungsarbeit ist das Leben des rumänischen Fürsten Vlad III., dessen polemisch-populistische Verklärung aus politischen Motiven vor nicht weniger als 600 Jahren grundlegend für unsere heutige Perspektive auf die Gruselfigur „Dracula“ ist. Die von seinen politischen Gegnern geprägte Vorform von personifizierten „Fake-News“ verfing sich gesellschaftlich und wurde solange mündlich überliefert, bis Bram Stoker aus den historischen Versatzstücken eine literarische Gruselfiktion schuf. Dan Brown griff Jahrzehnte später nach ähnlichem Prinzip Geschichten über den Illuminati-Orden auf und verarbeitete diese zu Bestsellern.
Stoker erlebte den großen Erfolg seines Romans nicht, da er 1912 nach mehreren Schlaganfällen in bescheidenen Verhältnissen in London verstarb. Zu seinen Ehren verleiht die Vereinigung der US-amerikanischen Horrorschriftsteller seit 1987 jährlich in verschiedenen Kategorien den Bram Stoker Award. Erhalten haben ihn u.a. Stephen King und Clive Barker.