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7. Juli 1973: 50. Todestag des Sozialphilosophen Max Horkheimer, einem der führenden Vertreter der Frankfurter Schule

Der 1960 zum Ehrenbürger der Stadt Frankfurt am Main ernannte Max Horkheimer war einer der Hauptvertreter der sogenannten Frankfurter Schule, einer Gruppe von Philosophen und interdisziplinären Wissenschaftlern, die an Hegel, Marx und Freud anknüpften und deren Zentrum das 1924 in Frankfurt am Main gegründete Institut für Sozialforschung war. Von ihnen gingen entscheidende Impulse für eine kritisch verfahrende, materialistische Gesellschaftstheorie aus.

Jugendzeit und Unternehmenschef

Am 14. Februar 1895 in Stuttgart-Zuffenhausen als einziges Kind eines wohlhabenden konservativ-jüdischen Textilfabrikanten geboren, sollte Max Horkheimer nach den Vorstellungen seines Vaters dessen Fabrik übernehmen. Er verließ daher bereits nach der 10. Klasse ein Stuttgarter Realgymnasium, begann eine Lehre im väterlichen Unternehmen und wurde 1914 Juniorchef. Tagebuchaufzeichnungen und Novellen zeigen, dass er mit seinem privilegierten Dasein sehr haderte.

Erster Weltkrieg und akademische Karriere in München, Freiburg und Frankfurt

1917 wurde er zum Kriegsdienst einberufen, aber bereits nach kurzer Zeit als wehruntauglich ausgemustert. In die Fabrik seines Vaters kehrte er nach Kriegsende nicht wieder zurück. Mit seinem Freund Friedrich Pollock erlebte er im April/Mai 1919 die Errichtung der Räterepublik in München und ihre gewaltsame Niederschlagung durch Freikorps und Reichswehrtruppen. Im gleichen Jahr holten er und Pollock als Externe das Abitur in München nach.

1919 begann er an der Universität in München Psychologie, Philosophie und Nationalökonomie zu studieren. Nach einem Semester wechselte er nach Frankfurt am Main, 1920/21 an die Universität Freiburg. 1922 wurde er an der Frankfurter Universität bei Hans Cornelius mit einer Arbeit über Immanuel Kant promoviert und 1925 habilitiert. Er lehrte zunächst als Privatdozent an der Frankfurter Goethe-Universität, 1930 erhielt er eine ordentliche Professur für Sozialphilosophie.

Institut für Sozialforschung

Als der mit ihm befreundete Mäzen Felix Weil für sein 1924 eröffnetes Institut für Sozialforschung einen neuen Leiter suchte, fiel die Wahl auf den inzwischen mit Rose Christine Riekher verheirateten Horkheimer als ihren neuen Direktor.

1931 begann damit der Aufstieg des legendären Instituts für Sozialforschung, zu dessen Mitarbeitern u.a. der Psychoanalytiker Erich Fromm, der Heidegger-Schüler Herbert Marcuse und der Literatursoziologe Leo Löwenthal gehörten. Horkheimers engster Mitarbeiter und Freund war der Philosoph und Komponist Theodor W. Adorno. 1932 brachte Horkheimer das Institutsorgan, die Zeitschrift für Sozialforschung, heraus. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das Institut 1933 geschlossen und die Mitarbeiter suchten sich durch Emigration in Sicherheit zu bringen.

Zuerst führte Horkheimer das Institut in einer Zweigstelle in Genf weiter. 1934 errichtete er es neu an der New Yorker Columbia University. Er initiierte Studien über Autorität und Familie, die 1936 in Paris erschienen. Mit dem Aufsatz „Traditionelle und kritische Theorie“ (1937) lieferte er den programmatischen Titel für die Forschungsrichtung des Instituts, die sich vom ursprünglichen Arbeitsfeld der Theorie und Geschichte von Sozialismus und Arbeiterbewegung zur fundamentalen, kritischen Analyse der bürgerlichen Gesellschaft wandelte.

„Dialektik der Aufklärung“

1940 erhielt Horkheimer die amerikanische Staatsbürgerschaft und ließ sich in Pacific Palisades (Los Angeles) nieder, Adorno kam wenig später nach. Dort erschienen als Fortsetzung der institutseigenen deutschen Zeitschrift die „Studies in Philosophy and Social Sciences“ (1940-1942) sowie die von Horkheimer und Adorno gemeinsam verfasste „Dialektik der Aufklärung“ (1944). In dieser Essaysammlung, die als eines der grundlegenden und meistrezipierten Werke der Kritischen Theorie gilt, kritisierten sie den Vernunftbegriff der Aufklärung, der ein Fortschrittsmythos sei. Sie habe einzig die technisch-rationale Vernunft („instrumentelle Vernunft“) zum Zweck der Natur- und damit auch Menschenbeherrschung immer weiter ausgebildet. Im Faschismus und Monopolkapitalismus seien die Unterordnung unter wirtschaftliche und politische Interessen anstelle von Aufklärung und Befreiung von den Zwängen der Natur getreten.

Rückkehr nach Deutschland

1949 kehrte Horkheimer nach Deutschland zurück und lehrte bis 1960 an der Frankfurter Universität (deren Rektor er 1951 und 1952 wurde). 1950 eröffnete er das Institut für Sozialforschung wieder. Im gleichen Jahr erschien „The Authoritarian Personality“ (dt.: Studien zum autoritären Charakter), der bedeutendste Band der unter Horkheimers Leitung entstandenen „Studies in Prejudice“, in der psychoanalytische Erkenntnisse in die kritische Gesellschaftstheorie eingingen. Im Sommer 1956 hielt er zusammen mit dem Heidelberger Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich Sigmund-Freud-Vorlesungen in Frankfurt und Heidelberg. Mit der Neupublikation seiner in der Institutszeitschrift erschienenen Aufsätze und der „Dialektik der Aufklärung“ zögerte er bis 1968, als sie bereits als Raubdrucke kursierten. Der entsprechenden Kritik der Studentenbewegung der 1968er-Jahre hielt er entgegen, dass seine Schriften nicht als revolutionäre Propaganda dienen sollten. Er bekannte sich zur fundamentalen Kritik der Gesellschaft, sah aber die Lösung der kritisierten Missstände nicht in einer Revolution, denn sie führe in die Diktatur.

Rückzug ins Tessin und Tod

1957 siedelte Horkheimer nach Montagnola bei Lugano um. Seine Spätphilosophie, die er nur in Fragmenten veröffentlichte, war von tiefer Skepsis gegenüber der Vernunft geprägt. Nach seinem Tod am 7. Juli 1973 in Nürnberg wurde er wunschgemäß neben seiner Frau auf dem Jüdischen Friedhof in Bern beigesetzt.

Die Frankfurter Stadt- und Universitätsbibliothek erhielt 1974 mehr als 250.000 Seiten archivische Dokumente und die 16.000 Bände umfassende Privatbibliothek (seit 2014 digital zugänglich). An dem Wohnhaus des Frankfurter Ehrenbürgers, als der er 1953 außerdem die Goethe-Plakette erhielt, befindet sich eine Bronzetafel.