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30. Januar 1948: 75. Jahrestag der Ermordung Gandhis - Gallionsfigur der Gewaltlosigkeit

Der Name Gandhis ist untrennbar verbunden mit Pazifismus und Gewaltlosigkeit im Allgemeinen und mit dem indischen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialmacht im 20. Jahrhundert im Besonderen. In seinem asketischen Auftreten mit Wickeltuch, Nickelbrille und Wanderstab wurde er nicht zuletzt durch seinen gewaltsamen Tod 1948 zu einem quasireligiösen Helden mythologisiert – doch diese kontextlose Heroisierung kann den Blick auf das vielschichtige Lebenswerk Gandhis verstellen.

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Gandhi wurde am 2. Oktober 1869 als Mohandas Karamchand Gandhi in Porbandar auf der im Westen Indiens gelegenen Halbinsel Saurashtra geboren. Er entstammt wirtschaftlich gut situierten Verhältnissen, seine Familie stand im politischen Dienst des Lokalfürsten. Gandhis Familie wurde den „Vaishyas“ im indischen Gesellschaftssystems zugerechnet, der privilegierten dritten Kaste der Kaufleute und Bauern. 1888 ging Gandhi trotz des anfänglichen Widerstandes seiner gläubigen Familie nach London, um dem Wunsch seines verstorbenen Vaters zu entsprechen, er möge Jura studieren.

Aufenthalt in Südafrika (1892-1914)

Nach seiner Rückkehr und dem Tod seiner Mutter vermittelte ihn sein Bruder zu einem indischen Geschäftsmann nach Pretoria, um dort einen Rechtsstreit zu lösen. Vor dem Hintergrund seiner Diskriminierungserfahrungen in Südafrika setzte Gandhi sich dort für die Rechte der indischen Minderheit und erreichte unter anderem eine Abschaffung der Kopfsteuer. In seine Überlegungen im Kampf gegen die Rassendiskriminierung bezog er jedoch die indigene Bevölkerung Afrikas nicht mit ein, sondern unterfütterte die Separation von Indern und indigenen Afrikanern sogar mit pseudobiologistischen Argumenten.

Weltanschauung

Anfang des Jahres 1915 kehrte Gandhi nach Indien zurück und wurde dort als „Mahatma“ begrüßt. Diesen sanskritischen Ehrennamen – übersetzt etwa „große Seele“ – lehnte Gandhi, der jeglichen Kult um seine Person zu vermeiden versuchte, strikt ab. Erst in späteren Jahren akzeptierte er den Namen und versuchte den damit verbundenen hohen moralischen Ansprüchen gerecht zu werden.

Gandhis Philosophie wurzelte tief im hinduistischen Glauben, war jedoch auch mit europäischen, christlich-liberalen Einflüssen versetzt. Universelle, miteinander verbundene Grundprinzipien seiner Weltanschauung bildeten Wahrheit (satya), Gewaltlosigkeit (ahimsa) und eine umfassende Kontrolle von Körper und Geist (brahmacarya). Das übertrug Gandhi auch ins Politische: Zentrale politische Mittel waren für ihn Petitionen, Kampagnen und der Hungerstreik, die stets gewaltlos blieben.

Einsatz im Indischen Unabhängigkeitskampf ab 1915

Nach seiner Rückkehr trat Gandhi dem „Indischen Nationalkongress“ (INC) bei. Nach der Verlängerung des Ausnahmezustands und des Kriegsrechts 1919 infolge des Ersten Weltkrieges initiierte dieser Massenproteste gegen die britische Kolonialregierung, bei denen es zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, für die Gandhi sich mitverantwortlich fühlte. Um die Briten zur Aufgabe der Kolonialherrschaft auf dem indischen Subkontinent zu zwingen, etablierte er ab 1920 eine Kampagne der Nichtkooperation. Nach seinem Vorbild wurden außerdem zahlreiche „Aschrams“ gegründet. Dabei handelte es sich um dorfähnliche Zusammenschlüsse von asketisch lebenden Indern im ländlichen Raum, in denen Gandhi sein eigentliches Betätigungsfeld der dörflichen Sozialarbeit sah. Den Zenit seiner Bekanntheit erreichte er im Rahmen der „Salzsteuer-Kampagne“ im Frühjahr 1930. In einer Zeit, die von Gewaltaktionen radikaler indischer Nationalisten geprägt war, inszenierte Gandhi einen 338 Kilometer langen Marsch als Protest gegen das britische Salzmonopol, der zum Symbol und Aufbruchssignal des indischen Unabhängigkeitskampfes wurde.

Inhaftierung, Hungerstreik und Unabhängigkeit Indiens

1932 wurde Gandhi als mittlerweile populärste Figur des Indischen Unabhängigkeitskampfes inhaftiert, um so weitere Aktionen gegen die Kolonialmacht zu verhindern. In Reaktion auf dem britischen Plan der Realisierung separater Wahlen für Kastenlose erklärte er am 20. September seinen „Hungerstreik bis zum Tode“ und war damit erfolgreich. Nach fortwährendem Einsatz Gandhis verkündete der britische Premierminister Clement Attlee, auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Landes infolge des Zweiten Weltkriegs, am 15. August 1947 die Unabhängigkeit Indiens. Diesen Tag verbrachte Gandhi nicht bei den damit verbundenen Feierlichkeiten, sondern harrte als Mediator in den Brennpunkten der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems aus. Die mit der Unabhängigkeit verbundene Teilung Indiens in die Indische Union und das muslimische Pakistan empfand er als persönliche Tragödie. Die Teilung erwies sich aber auch insgesamt als Tragödie, da daraus jahrzehntelange Territorialstreitigkeiten erwuchsen.

Tod durch Attentat

Am 30. Januar 1948 wurde „Mahatma“ Gandhi im Alter von 78 Jahren von dem nationalistischen Hindu Nathuram Godse erschossen. Sein Leichnam wurde als Teil einer Gedenkstätte am Raj Ghat in Delhi eingeäschert. Noch heute wird seiner als Nationalheld Indiens unter anderem an seinem Geburtstag, dem 2. Oktober, gedacht. Insgesamt zwölf Mal wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert, zuletzt in seinem Todesjahr 1948. Da der Preis nicht posthum verliehen werden kann, entschied das Komitee, 1948 keinen Preis zu verleihen.

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