24. April 1924: 100. Geburtstag von Heinz Düx
Der Name Heinz Düx ist aufs Engste mit der bundesdeutschen Rechtsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Als einer der wenigen Juristen, die nicht in das System der nationalsozialistischen Unrechtsjustiz eingebunden gewesen waren, entwickelte sich der Rechtswissenschaftler und Publizist nach 1945 zu einer prägenden Figur bei der strafrechtlichen Aufarbeitung der Morde im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. In der Position des Untersuchungsrichters im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963 bis 1965 setzte Düx trotz des betonten Desinteresses in Teilen der Zivilgesellschaft Standards für die Untersuchung nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik und die Verurteilung von Täterinnen und Tätern.
Jugend, Ausbildung und Leben bis 1950
Heinz Düx kam am 24. April 1924 als Sohn des Mechanikermeisters Heinrich Düx und dessen Frau Sophie in Marburg zur Welt. Anschließend an das Abitur studierte er von 1942 bis 1948 Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg, wobei er das Studium 1944/1945 wegen einer staatlichen Verpflichtung zum Arbeitsdienst in einem Marburger Bahnbetrieb für mehrere Monate unterbrechen musste. Der Teilnahme am nationalsozialistischen „Volkssturm“ – einer zwangsrekrutierten militärischen Formation aller Männer im Alter zwischen 16 und 60 Jahren, die im Winter 1944 noch nicht zum Kriegsdienst eingezogen waren – entzog der 20-Jährige sich durch die Flucht in einen benachbarten Landkreis. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte er als Mitglied des von der US-Besatzungsmacht eingesetzten Entnazifizierungsausschusses der juristischen Fakultät der Universität Marburg. Zwischen den beiden juristischen Staatsexamina, die Düx 1946 und 1950 jeweils mit Prädikat ablegte, promovierte er 1948 über die Freie Gewerkschaftsbewegung. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er der KPD sowie der „Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr“ (heute ver.di) bei.
Richterlaufbahn und Wirken im ersten Auschwitz-Prozess
Düx hatte ab 1954 ein Richteramt inne. Durch seinen Protest gegen die Besetzung einer Richterstelle in einer Wiedergutmachungskammer für die Opfer des Nationalsozialismus mit einem ehemaligen Führer der „Hitlerjugend“, der zu einem Disziplinarverfahren gegen ihn selbst führte, wurde der Hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer auf seine Person aufmerksam. Bauer, der in diesem Amt entscheidend zur Ergreifung des flüchtigen SS-Obersturmbannführers und Protokollanten der Wannseekonferenz von 1942, Adolf Eichmann, 1960 in Buenos Aires beigetragen hatte, leitete ab 1959 die Untersuchungen zum ersten Auschwitz-Prozess am Frankfurter Landgericht. Auf sein Betreiben hin erfolgte Düx‘ Berufung zum Untersuchungsrichter nach Frankfurt am Main. Dort bereitete er mehrere Dutzend Fälle für die Verhandlung vor. Unter den Angeklagten befanden sich sowohl SS-Männer als auch sogenannte Funktionshäftlinge von Auschwitz – also Inhaftierte, die sich etwa zur Verbesserung der eigenen Haftbedingungen an den Verbrechen mitschuldig gemacht hatten. Als die zuständigen Stellen Düx‘ Dienstreiseantrag zur Besichtigung der Überreste des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz mehrere Monate lang nicht bewilligten, reiste dieser kurzerhand privat und auf eigene Kosten zum Tatort.
Durch seine knapp dreijährige akribische Arbeit, zu der hunderte Vernehmungen von Zeugen, Überlebenden und Angehörigen zählte, konnte der erste Frankfurter Auschwitz-Prozess unter der Leitung von Hans Hofmeyer am 20. Dezember 1963 im Rathaus Römer beginnen. Am 19. und 20. August 1965 fand die Urteilsverkündung statt: 16 der 20 verbliebenen Angeklagten wurden verurteilt, die Urteile bewegten sich von lebenslangen Zuchthausstrafen (etwa gegen Blockführer Stefan Baretzki wegen Mordes an mindestens 10.050 Menschen) bis dreieinhalb Jahren Zuchthaus (etwa gegen den Sanitäter Emil Hantl wegen gemeinschaftlicher Beihilfe am gemeinschaftlichen Mord an mindestens 340 Menschen). Der Bundesgerichtshof bestätigte am 20. Februar 1969 bis auf eines alle Urteile aus Frankfurt.
Weitere Auschwitz-Prozesse und Lebenswerk Düx‘
Auf den ersten folgten zwei weitere Frankfurter Auschwitz-Prozesse 1965/1966 bzw. 1967/1968, in deren Zusammenhang fünf weitere Täter zu Zuchthausstrafen verurteilt wurden. Ehemaligen Nationalsozialisten in Verwaltung und Justiz gelang es dennoch, die Aufarbeitung der NS-Verbrechen massiv zu behindern. Neben den Gerichtsverfahren in Deutschland fanden außerdem Prozesse gegen Täterinnen und Täter des Konzentrationslagers Auschwitz im polnischen Krakau und in Wien statt. Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen dauert bis in die Gegenwart an. So fand 2015 vor dem Lüneburger Landgericht der Prozess gegen den „Buchhalter von Auschwitz“, Oskar Gröning, statt, der wegen 300.000-facher Beihilfe zum Mord in Vernichtungslagern zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.
Am 24. Dezember 1970 wurde Düx zum Senatspräsidenten des Frankfurter Oberlandesgerichts ernannt. Drei Jahre später, während des Kalten Krieges, partizipierte er in dieser Funktion am sowjetischen „Weltkongress der Friedenskräfte“ in Moskau, woraufhin die hessische CDU vergeblich ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn anstrengte. Als Mitbegründer gab Düx zwischen 1973 und 1991 außerdem die juristische Fachzeitschrift „Demokratie und Recht“ heraus. Der Rechtsexperte wurde darüber hinaus mehrmals konsultierend zu Sitzungen des Rechts- sowie Innenausschusses in den Bundestag geladen. Derweil engagierte Düx sich in vielfältigen zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen, etwa in der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) sowie in der Vereinigung demokratischer Juristen (VDJ). Dieses Engagement machte ihn in den 1970er-Jahren zum Ziel parteipolitischer Initiativen, ihn aus dem Staatsdienst zu entfernen. Ende 1989 fiel die umfangreiche Finanzhilfe aus der DDR für den VVN ersatzlos weg. Die VVN musste infolgedessen ihre Frankfurter Bundesgeschäftsstelle auflösen und sich neu aufstellen. Düx blieb stets ein Unbequemer, ein „Streiter für Recht und Gerechtigkeit“, wie er in einem Nachruf des „Fritz Bauer Instituts“ genannt wird.
Am 3. Februar 2017 verstarb Heinz Düx, sein Nachlass wird im Marburger Stadtarchiv und im Archiv des „Fritz Bauer Instituts“ aufbewahrt. Die Fortführung seines Lebenswerks, der strafrechtlichen Verfolgung der Verbrechen im nationalsozialistischen Unrechtsregime, sollte gleichzeitig gesamtgesellschaftlicher Auftrag wie auch politische Mahnung für Gegenwart und Zukunft sein.