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22. März 1946: 75. Todestag von Clemens August Graf von Galen

Clemens August Graf von Galen, „Der Löwe von Münster“, kritisierte 1941 in seinen Predigten öffentlich die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten und war damit einer der wenigen Kirchenvertreter, der sich offen gegen das Nazi-Regime wendete. Gleichzeitig unterstützte er aber auch öffentlich den Krieg gegen Russland.

„Es handelt sich hier ja nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um ein Pferd oder eine Kuh, … Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen meinetwegen! Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind, solange wir von den anderen als produktiv anerkannt werden?“

Clemens August Graf von Galen war Bischof von Münster, als er am 3. August 1941 in seiner ehemaligen Pfarrkirche eine flammende Rede gegen die Verschleppung und Ermordung sogenannten lebensunwerten Lebens protestierte. Es war die dritte Predigt, in der von Galen hart mit den Nationalsozialisten ins Gericht ging und zudem die Praxis der Enteignung kirchlichen Besitzes sowie die Ausweisung katholischer Glaubensbrüder und Glaubensschwestern durch die Gestapo geißelte. Zugleich war es seine wichtigste Predigt.

Die drei Predigten (vom 13. Juli, 20. Juli und 3. August 1941) wurden zunächst innerhalb katholischer Kleingruppen in ganz Deutschland verbreitet, erreichten aber bald eine größere Öffentlichkeit. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass die Euthanasie-Morde (sogenannte Aktion T4) ausgesetzt wurden, zumindest für die Folgezeit. Denn bereits ein Jahr später wurden die Tötungen dezentral wiederaufgenommen. Bis zum Ende des Krieges 1945 wurden mehr als 200.000 Menschen im Rahmen dieser Aktion von den Nazis ermordet.

Nur seiner hohen Stellung als Bischof und seinem Ansehen in der Bevölkerung verdankte es von Galen, dass er nicht eingesperrt und ins Konzentrationslager kam (im Gegensatz zu seinem Bruder Franz von Galen, der 1944 ins KZ Sachsenhausen kam). Einen Märtyrer zu Kriegszeiten wollten die Nazis nicht schaffen. Die Abrechnung mit dem Bischof sollte nach dem Ende des Krieges erfolgen.

Doch zum Bild des Bischofs gehört auch seine durch Erziehung und Abstammung geprägte, erzkonservative, politisch den Nationalsozialisten nahestehende Seite. Sowohl innerkirchlich als auch politisch stand von Galen Reformen und Veränderungen ausgesprochen kritisch oder ablehnend gegenüber. Er war Anhänger der Dolchstoßlegende, wonach das deutsche Heer bis 1918 unbesiegt geblieben sei. Er lehnte die Weimarer Republik strikt ab und bezeichnete sich selbst als Herzensmonarchist. Er begrüßte die Machtergreifung Hitlers und den Einmarsch deutscher Truppen in das entmilitarisierte Rheinland 1936. Den Krieg gegen Polen ab 1939 unterstützte er ebenso wie den Russlandfeldzug ab 1941 gegen den gottlosen Kommunismus, kurz nachdem er die drei Predigten gehalten hatte.

Jedoch kritisierte er andererseits von Beginn an die Rassenideologie der Nationalsozialisten (Alfred Rosenberg 1934) und verurteilte deren Kirchenpolitik. 1937 förderte er die Verbreitung der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von Papst Pius XI., in dem das NS-Regime und seine Kirchen- und Rassenpolitik scharf verurteilt wurde. Bis zum Kriegsende wiederholte er immer wieder seine Haltung dazu und musste jederzeit mit seiner Verhaftung rechnen. Quellen aus dem Seligsprechungsprozess deuten zudem darauf hin, dass von Galen Kontakte zum Widerstandskreis um Carl Friedrich Goerdeler unterhielt und Goerdeler im November 1943 in Münster getroffen hat.

Von Galen starb am 22. März 1946 kurz nach seiner Ernennung zum Kardinal (Februar 1946) in Münster. Im Münsterland und weit darüber hinaus trägt er noch heute den Ehrentitel „Löwe von Münster“. Am 9. Oktober 2005 wurde der Bischof aufgrund seiner Verurteilung der Euthanasie und seinem Widerstand gegen das Nazi-Regime durch Papst Benedikt XVI. seliggesprochen.

In der Wissenschaft wird Kardinal von Galen unterschiedlich bewertet: von den einen wird er als wichtiger Widerstandskämpfer angesehen, von den anderen dagegen als Kriegsunterstützer und eine dritte Gruppe versucht beiden Seiten des Kardinals in der Bewertung gerecht zu werden.