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21. April 1899: 125. Jahrestag der Auszeichnung der Entwürfe von Wilhelm Kreis für die „Bismarcktürme“

Auf dem heutigen Bundesgebiet stehen 146 sogenannte „Bismarcktürme“, die besonders im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zu Ehren des ehemaligen deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck errichtet wurden. Ein beträchtlicher Teil der monumentalen Denkmäler des Personenkults um den Reichsgründer Bismarck wurde nach den Entwürfen des in Eltville am Rhein geborenen Architekten Wilhelm Kreis geschaffen. Wer war der Bildner der Bismarcktürme, die in zahlreichen deutschen Städten noch heute zu besichtigen sind? Und welche Geschichten erzählen die Säulen über Gesellschaft und Politik im Deutschen Kaiserreich?

Architektenwettbewerb um den Entwurf der Bismarcktürme

Otto von Bismarck-Schönhausen, geboren am 1. April 1815 im sachsen-anhaltischen Schönhausen, bekleidete ab 1862 das Amt des preußischen Ministerpräsidenten unter König Wilhelm I. Im Laufe dreier Kriege – dem deutsch-dänischen Krieg 1864, dem deutsch-deutschen Krieg gegen Österreich 1866 sowie dem Krieg gegen Frankreich 1870/1871 – versammelte er die deutschen Länder und freien Städte hinter der Idee einer deutschen Nationalstaats unter preußischer Führung. Am 18. Januar 1871 wurde schließlich im Spiegelsaal von Schloss Versailles das Deutsche Kaiserreich gegründet, der „Reichseiniger“ Bismarck, dessen Vorstellungen die politische Architektur des Reiches maßgeblich bestimmten, blieb bis 1890 Reichskanzler des ersten deutschen Nationalstaates. In der Gesellschaft des Kaiserreiches etablierte sich ein beispielloser Personenkult um den Reichskanzler, der über seinen Tod im Jahr 1898 hinaus beinahe religiös verehrt wurde.

Im Dezember 1898 schrieb die „Deutsche Studentenschaft“, ein Zusammenschluss der Studentenausschüsse deutscher Universitäten, einen Architektenwettbewerb zu Ehren des kürzlich Verstorbenen aus. Ziel war es, im Kontrast zu bereits bestehenden, individuell gestalteten Bismarckdenkmälern eine einheitliche Architektur für die Bismarcktürme festzulegen. In der Ausschreibung des Wettbewerbs, der auch völkischen „Alldeutschen Verband“ unterstützt wurden, war lediglich vorgegeben, dass die Säulen eine Feuerschale tragen sollten, die zu besonderen nationalen Anlässen – etwa dem Geburtstag des ehemaligen Reichskanzlers – zu einer Feuerkette durch ganz Deutschland entflammt werden sollten. Auch der zu diesem Zeitpunkt erst 26-jährige Wilhelm Kreis reichte seinen Entwurf mit dem Titel „Götterdämmerung“ zum 1. April 1899 bei der hochkarätigen Jury ein, der unter anderem der Architekturprofessor Paul Wallot angehörte, der das Berliner Reichstagsgebäude geschaffen hat. Am 21. April 1899 zeichnete das Preisgericht die Entwürfe Kreis‘, die eine monumentale, innen begehbare Feuersäule vorsahen, mit dem ersten Preis aus. Seine Bismarcksäulen prägen bis heute das Bild der Denkmäler zum Gedenken an den ehemaligen Reichskanzler.

Biografie Wilhelm Kreis‘

Wilhelm Heinrich Kreis kam am 17. März 1873 in Eltville am Rhein als sechstes Kind eines Landmessers zur Welt. Nach dem Abitur in Wiesbaden studierte er Architektur in München, Karlsruhe, Berlin und Braunschweig. Obwohl er bereits in jungen Jahren mit seinem Entwurf die Ausschreibung für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal gewann, wurde das Monument nach den Entwürfen eines anderen gebaut. Ab 1898 unterstützte er den Professor der Dresdner Kunstakademie, Paul Wallot, als Assistent beim Bau des Ständehauses. Drei Jahre nach der Auszeichnung seiner „Götterdämmerung“ für die Bismarcktürme 1899 stieg er selbst zum Professor an der Dresdner Kunstgewerbeschule auf. Deutschlandweite Bekanntheit erlangte Kreis durch den Bau des Eisenacher Burschenschaftsdenkmals, das gleichzeitig als Ehrendenkmal für die 87 im deutsch-französischen Krieg von 1870/1871 gefallenen Burschenschaftler und als nationales Monument der Burschenschaften anlässlich der Reichsgründung fungierte. Im Mai 1902 wurde es feierlich eingeweiht. Ab 1908 wirkte er dann als Direktor der Kunstgewerbeschule Düsseldorf.

Nach dem Ersten Weltkrieg wechselte Kreis 1926 zurück an die Kunstakademie Dresden, wo er sich als einer der bedeutendsten Architekten seiner Zeit etablierte. Nach 1933 arbeitete Kreis auch für die nationalsozialistischen Machthaber, entwarf unter anderem das „Gauforum Dresden“, mehrere sogenannte „NS-Totenburgen“ und arbeitete mit Hitlers Architekten Albert Speer an den Entwürfen zur „Welthauptstadt Germania“. Vor dem Kriegsdienst blieb er als einer der zwölf bildenden Künstler auf der von Hitler erstellten „Sonderliste der Gottbegnadeten“ verschont. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte Kreis trotz seines Verhältnisses zum Nationalsozialismus auch in der jungen Bundesrepublik und entwarf unter anderem die Dortmunder Filiale der Landeszentralbank. 1955 verstarb er im Alter von 82 Jahren in Bad Honnef.

Bau der Bismarcktürme und Erhaltungszustand

Insgesamt wurden im In- und Ausland bis 1934 243 Bismarcktürme errichtet, davon 47 exakt nach den Vorstellungen von Wilhelm Kreis. Die Baukosten wurden weitestgehend durch Spenden finanziert. Im Nationalsozialismus trat die Verehrung des „Reichseinigers“ und somit auch der Glanz der Denkmäler vielerorts hinter dem alternativlosen Personenkult um Adolf Hitler zurück. Heute sind noch 175 der Bismarcktürme erhalten. Sie stehen auf dem Gebiet von Deutschland von der Ostsee bis zum Bodensee und sind darüber hinaus noch in Frankreich, Tschechien, Polen, Russland, Österreich, Kamerun, Tansania und Chile zu finden, während 68 Bismarck-Monumente (unter anderem in Dänemark und Papua-Neuguinea) nicht mehr existieren. In Hessen sind unter anderem in Bensheim, Darmstadt, Hanau, Wetzlar, Marburg, Kassel und Eschwege Bismarcktürme zu besichtigen.