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18. März 2003: 20. Jahrestag Einstellung des Parteiverbotsverfahrens gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)

Als der Parlamentarische Rat, die von elf deutschen Länderparlamenten der drei Westzonen gewählte Versammlung zur Ausarbeitung des Grundgesetzes, am 1. September 1948 in Bonn zur ersten Sitzung zusammentrat, verband alle 65 stimmberechtigte Mitglieder ein Gedanke: Aus verfassungsrechtlicher Perspektive müsse alles getan werden, um die Demokratie besser vor einer diktatorischen Übernahme, wie die der Nationalsozialisten im Jahr 1933, zu schützen. Das schärfste Schwert des Grundgesetzes, indem ursprünglich die heute bekannten Begriffe wie „wehrhafte“, „streitbare“ und „militante“ Demokratie nicht auftauchten, war und ist das Parteiverbot (Artikel 21 Grundgesetz). Im Gegensatz zum Vereinsverbot (Artikel 9 Grundgesetz), das regelmäßig durch das Bundesinnenministerium Anwendung findet, um „kriminelle Vereinigungen“ zu verbieten, ist das Parteiverbot mit hohen verfassungsrechtlichen Hürden verbunden und kam bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nur zweimal zum Einsatz.

Die Geschichte der NPD

Am 28. November 1964 gründete Fritz Thielen in Hannover die rechtsradikale NPD. Thielen, heute weitgehend unbekannt als Person der deutschen Nachkriegsgeschichte, war ein Bremer Betonwerksbesitzer und Aufsichtsratsvorsitzender einiger Wohnungsbaugesellschaften. 1967 trat er aus der NPD wieder aus und wechselte zurück zur Deutschen Partei (DP), derweil er vor seiner Zeit in der NPD bei der CDU, der DP und dann bei der Gesamtdeutschen Partei (GDP) Mitglied war. Eine Karriere in der Politik gelang dem ersten NPD-Bundesvorsitzenden nie. Die NPD setzte sich besonders für die Beendigung der Kriegsverbrecherprozesse, die Rehabilitierung von nationalsozialistischen Verbrecherinnen und Verbrechern und für den Kampf gegen die „Besatzungsmächte“ ein. Schnell gelang es der NPD, erste Wahlerfolge zu erringen. Zwischen 1966 und 1968 zog die NPD in die Bürgerschaften und Landtage von Hessen, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ein. Zunächst hatten die etablierten Parteien große Probleme, auf die Wahlerfolge der NPD angemessen zu reagieren. Das große Ziel der NPD war es, am 28. September 1969 in den Bundestag gewählt zu werden. Bereits im Jahr 1968 wurde in den Medien über ein mögliches NPD-Verbotsverfahren diskutiert, jedoch zweifelte der Bundesminister des Innern, Ernst Benda (CDU), stark daran, dass ein Verbotsverfahren durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt werden würde.

Zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesverfassungsgericht bereits zwei Parteien in der Bundesrepublik verboten: 1952 die Sozialistische Reichspartei als direkte Nachfolgepartei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Die NPD scheiterte am 28. September 1969 mit 4,3 Prozent knapp an der notwendigen Fünf-Prozent-Hürde und verpasste damit den Einzug in den Bundestag. Daraufhin wandten sich Teile der Partei von parlamentarischen Versuchen der Einflussnahme ab und gründeten rechtsmilitante bis bewaffnete rechte Gruppen, die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten die Bundesrepublik und speziell Minderheiten angriffen und viele dutzende Menschen töteten und verletzten.

Das erste Parteiverbotsverfahren gegen die NPD (2001-2003)

Nur das Bundesverfassungsgericht ist befugt, ein Parteiverbotsverfahren durchzuführen. Antragsberechtigt sind ausschließlich der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung. Die Hürden für ein Parteiverbotsverfahren sind besonders hoch angesetzt. Bestimmte Tatbestandsmerkmale müssen deshalb erfüllt sein. Dazu gehören unter anderem, dass die Partei und ihre Mitglieder die Beeinträchtigung oder die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Ziel benennen und damit der Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Insgesamt gab es zwei Verbotsverfahren gegen die NPD: das erste eingereicht von der Bundesregierung 2001 und das zweite eingereicht vom Bundesrat 2017. Beide Anträge wurden aus unterschiedlichen Gründen durch das Bundesverfassungsgericht abgewiesen.

Ausgangspunkt des ersten Antrags für ein Parteiverbotsverfahren gegen die NPD war der vehemente Einsatz des bayerischen Innenministers Günther Beckstein nach einem Rohrbomben-Anschlag auf aus Russland stammende jüdische Immigrantinnen und Immigranten am 27. Juli 2000 in Düsseldorf sowie der Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge am 2. Oktober 2000. Zwar konnte nie eine Verbindung zwischen der NPD und den Anschlägen festgestellt werden, dennoch entschied sich die rot-grüne Regierungskoalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) am 30. Januar 2001, dem 68. Jahrestag der „Machtergreifung“ Hitlers, zur Einreichung des Parteiverbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht. Was folgte, war ein politischer Skandal. Bereits bei der Prüfung des Antrags durch das Bundesverfassungsgericht stellte sich in Vorgesprächen heraus, dass die Parteispitze der NPD durchsetzt mit V-Personen des Verfassungsschutzes war. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Aktionen von den Verfassungsschutzämtern mitinitiiert worden waren. Da sich das Parteiverbotsverfahren gerade auf Zitate stützte, die überwiegend von V-Personen der Verfassungsschutzämter getroffen wurden, bedeutete diese Aufdeckung das Aus für den NPD-Verbotsantrag.

Ein skurriles Aufeinandertreffen ehemaliger Kollegen

In den Medien und in der Öffentlichkeit wurde neben diesen Aufdeckungen besonders intensiv über das Aufeinandertreffen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) als Vertreter der Anklage und dem juristischen Vertreter der NPD, Horst Mahler, diskutiert. Im Oktober 1968 hatten Schily und Mahler gemeinsam die späteren Mitglieder der Roten Armee Fraktion Andreas Baader und Gudrun Ensslin im Frankfurter Warenhausbrandstifter-Prozess vertreten. Horst Mahler gründete wenige Jahre später gemeinsam mit Andreas Baader und Gudrun Ensslin die Rote Armee Fraktion. Mahler wurde deshalb am 26. Februar 1973 zu zwölf Jahren Haft verurteilt und konnte sich nur wieder seinem Beruf widmen, weil der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor dem Berliner Gericht als dessen juristischer Beistand dafür gesorgt hatte, dass Mahler wieder als Anwalt zugelassen wurde. Mahler, der dann und bis heute als Holocaustleugner und Rechtsradikaler in der Öffentlichkeit agierte, trat als Hauptverteidiger der NPD auf. Mahler konnte aufgrund der Aufdeckung der V-Personen als Sieger die juristische Bühne verlassen. Bis heute gab es nach 1956 keine weiteren Parteiverbote in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung können u. a. folgende Publikationen zum Thema bestellt werden: