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17. Mai 1821: 200. Geburtstag Sebastian Kneipp

Kur-Guru und geistlicher Gesundheitspolitiker mit weltweiter Ausstrahlung

Wasserdoktor, Cholera-Kaplan oder Kräuterpfarrer: Sebastian Kneipp wurde unterschiedlich tituliert. Aber wie kommt der Sohn eines bayerischen Webers zu solchen Bezeichnungen? Was begründet seinen Ruhm weit über den deutschsprachigen Kulturraum hinaus? Was macht ihn für die politische Bildung interessant?

Sebastian Anton Kneipp (1821 in Stephansried in Oberschwaben geboren) war ein bayerischer römisch-katholischer Priester, der als die Kaltwassertherapie betreibender Hydrotherapeut und Naturheilkundler bekannt geworden ist. Er ist der Namensgeber der Kneipp-Medizin und der Wasserkur mit Wassertreten, die schon früher angewandt, aber durch ihn erst zu großer Popularität erwuchs.

Spätestens seit 1846 litt Kneipp an einer Lungenerkrankung, wahrscheinlich Tuberkulose. 1848 entdeckte er zufällig Johann Siegemund Hahns Buch „Unterricht von Krafft und Würkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen …“  in einer Neubearbeitung von Eucharius Ferdinand Christian Oertel. Daraufhin badete Kneipp wöchentlich zwei- bis dreimal, vor allem 1849, einige Momente in der eiskalten Donau bei Dillingen, nahm zu Hause Halbbäder, übergoss sich mit Wasser und wurde nach eigenen Angaben wieder gesund. 1850 erhielt Kneipp einen Freiplatz am Georgianum in München und setzte dort sein Theologiestudium fort. Tägliche Wasseranwendungen waren inzwischen zum festen Bestandteil seines Lebens geworden. Er las Bücher über Wasseranwendungen, besuchte den Verein der Wasserfreunde und hörte dort von Vincenz Prießnitz aus Gräfenberg im Sudetenland (Österreichisch-Schlesien), der bereits seit 30 Jahren mit Wasser behandelte. Vincenz Prießnitz stirbt jedoch früh 52jährig 1851 in Freiwaldau. Dieser deutsche Landwirt und autodidaktische Naturheiler gilt nach den „Wasserhähnen“ Siegmund Hahn und Johann Siegmund Hahn als Erneuerer der Kaltwasserkur in Österreich und Deutschland, ist aber heute nur noch Experten ein Begriff.

Kneipp hingegen profilierte sich nicht nur als Wasserdoktor. Unter seinem Einfluss änderte sich in Wörishofen das Leben. Er restaurierte die Justinakirche, baute neben anderem die Landwirtschaft des Klosters wieder auf, die seit der Säkularisation 1802 darnieder lag. Er entwarf selbst ein Entwässerungssystem für nasse Wiesen, führte neue Kleesorten ein und unterwies die Schwestern des Klosters im Veredeln von Bäumen und in der Imkerei. Über den evangelisch-reformierten Ortspfarrer von Grönenbach und Botaniker Christoph Ludwig Köberlin hatte er zuvor eine Einführung in die Welt der Pflanzenheilkunde erhalten und nutzte dieses Wissen bei seinen Aktivitäten in Wörishofen. Derweil kamen immer mehr Hilfesuchende nach Wörishofen, zunehmend auch aus betuchteren Kreisen.

Kurz nach seinem Tod 1897 in Wörishofen war Sebastian Kneipp der bekannteste Deutsche nach Otto von Bismarck in Nordamerika. Unter dem Dachverband des Kneipp-Bundes existieren heute in Deutschland über 600 Kneippvereine mit ca. 160.000 Mitgliedern. Die Bücher von Kneipp erreichten Millionenauflagen und werden auch heute noch verlegt. Neben Bad Wörishofen gibt es in Deutschland noch weitere Kneippkurorte. Zudem existieren im schwedischen Norrköping den Stadtteil Kneippbaden oder Kneippen, und außerhalb von Visby die Freizeitanlage  Kneippbyn.

Im Dezember 2015 gab die deutsche UNESCO-Kommission bekannt, dass das Kneippen als „traditionelles Wissen und Praxis nach der Lehre Sebastian Kneipps“ in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Und seit 2010 wird der Geburtstag Sebastian Kneipps unter dem Namen Sebastian-Kneipp-Tag als Gesundheitstag bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung geführt. Sebastian Kneipp gilt heute weltweit als Volksmediziner, als Vorbild und Botschafter der Gesundheitsvor- und eigensorge. Noch bevor es eine staatliche Gesundheitspolitik gab, war der Geistliche der grenzüberschreitende Türöffner zu einem bewussteren Umgang mit dem eigenen Körper und Geist.

Kneipp hat nachhaltig die Einstellung breiter Bevölkerungsschichten zu Fragen der eigenen Gesunderhaltung verändert. Das macht ihn auch für die politische Bildung interessant.