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11. Mai 1972: 50. Jahrestag des Beginns der „Mai-Offensive“ der RAF

Am 11. Mai 1972 um 18:59 Uhr ertönt in der Innenstadt der Rhein-Main-Metropole Frankfurt am Main ein ohrenbetäubender Knall. Fenster klirrten, Beton in den Häuserfassaden bröckelte, die Menschen zuckten aufgrund der starken Explosionen zusammen. Was war passiert? Im Foyer des I.G.-Farben-Hauses und am Eingang des nahegelegenen Offizierskasinos waren drei selbstgebaute Bomben detoniert. Die Rote Armee Fraktion (RAF) hatte ihren zwei Jahre andauernden Drohungen gegen die US-Armee erstmals Taten folgen lassen. Oberstleutnant Paul A. Bloomquist, ein vielfach ausgezeichneter Vietnam-Veteran und Bataillonskommandeur in der Bundesrepublik Deutschland, wurde von umherfliegenden Glasscherben getroffen und starb an seinen Verletzungen. 13 weitere angehörige der US-Armee wurden durch die Detonationen und Unmengen an umherfliegenden Trümmerteilen zum Teil schwer verletzt. 

Hauptfeind der RAF: Die US-Armee in der Bundesrepublik

Das I.G.-Farben-Haus in Frankfurt am Main und der damit zusammenhängende Gebäudekomplex diente im Jahr 1972 als Hauptquartier des V. Korps der US-Armee und des United States European Command sowie als Sitz der Central Intelligence Agency (CIA) in Frankfurt am Main. Zum Ziel der RAF als Auftakt der „Mai-Offensive“ 1972 wurde der Gebäudekomplex aufgrund des Vietnamkrieges und der militärischen Bedeutung des Komplexes bei der Planung der Versorgungslinien nach Vietnam. Seit 1964 führten die USA mit zum Teil völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden Mitteln einen Stellvertreterkrieg in Vietnam, um der aus der Sicht der USA bestehenden Gefahr des globalen kommunistischen Vormarsches militärisch zu begegnen. 
 

Bekennerschreiben der RAF

Drei Tage nach dem Anschlag ging bei der Deutschen Presse-Agentur in München ein Bekennerschreiben der RAF ein, in dem das „Kommando Petra Schelm“ erklärte: 

Das einkalkulierte Opfer

Oberstleutnant Paul A. Bloomquist wurde am 30. Oktober 1932 geboren und stammte aus Salt Lake City. Er war zweimal in Vietnam stationiert. U.a. befehligte Bloomquist in den Jahren 1964/1965 als Major eine Helikopter-Ambulanz-Einheit der US-Armee und war in den Jahren 1968/1969 in der 498. Medizinischen Kompanie im Einsatz. Aufgrund seiner militärischen Leistungen wurde er mit verschiedenen hochrangigen Orden geehrt und erhielt 1964 die „Army Aviator of the Year“-Auszeichnung. Obwohl Bloomquist nicht das direkte Ziel der RAF an diesem Tag gewesen ist, verkörperte er als Offizier der US-Armee, der mehrfach in Vietnam gekämpft hatte, nahezu alle Feindbilder der Gruppe. Bloomquist war das erste Todesopfer der RAF durch einen Bombenanschlag. Die Tötung von US-Soldaten wurde bei dem Anschlag willentlich in Kauf genommen und war mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einkalkuliert.

Erinnerungsarbeit im I.G.-Farbenhaus

Heute ist der Gebäudekomplex Teil des Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Im I.G.-Farbenhaus ist u.a. das Historische Seminar der Goethe-Universität Frankfurt am Main untergebracht, das in Form einer Wandtafel an den ersten Bombenanschlag der RAF erinnert.