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11. März 1824: 200. Geburtstag von Julius Blüthner

Dass Musik politisch sein kann, hat die deutsche Künstlerin Soffie mit ihrem vor wenigen Wochen veröffentlichten Song „Für immer Frühling“, der zu einer Hymne der gegenwärtigen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus aufgestiegen ist, erst kürzlich wieder eindrucksvoll bewiesen. Julius Blüthner gründete im Jahr 1853 die Leipziger „Julius Blüthner Pianofortefabrik“, die unter anderem Instrumente für Claude Debussy, Gustav Mahler, Richard Wagner und Andrew Lloyd Webber hergestellt hat. Auf die Gründungsinitiative des Klavierbauers gehen aus heutiger Perspektive knapp 175 Jahre bewegte Unternehmensgeschichte zurück. So kann am Beispiel des heute international erfolgreichen Unternehmens etwa die deutsch-deutsche Teilungsgeschichte des 20. Jahrhunderts eindrucksvoll erzählt werden: Erst nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 ging die verstaatlichte Firma wieder in den Besitz des Familie Blüthner über.

Leben des Julius Blüthner

Julius Ferdinand Blüthner kam am 11. März 1824 als Sohn eines Tischlers im thüringischen Meuselwitz bei Merseburg zur Welt. Aufgrund des väterlichen Berufs kam er früh mit dem Holzhandwerk und den entsprechenden Werkzeugen in Kontakt. Neben Privatunterricht beim Pfarrer absolvierte Blüthner eine Tischlerlehre bei seinem Vater, bevor er im Alter von 18 Jahren eine Stelle bei der gerade gegründeten Pianofortefabrik „Hölling und Spangenberger“ im sachsen-anhaltischen Zeitz annahm. Spätestens dort entdeckte er seine Liebe zum Klavierbau und erweiterte seine Kenntnisse über Akustik und Instrumentenbau. In den Jahren der Deutschen Revolution von 1848/1849 sank die Nachfrage an Instrumenten stark, sodass Blüthner sich mit Gelegenheitsjobs finanzieren musste. Am 7. November 1853, im Jahr der Entstehung von „Steinway and Sons“ (New York) und „Bechstein“ (Berlin), gründete er in Leipzig mit der „Pianofortefabrik Julius Blüthner“ sein eigenes Unternehmen, das sich der Herstellung von Qualitätspianos verschrieb. Etwa 1905 übergab der Firmengründer die Unternehmensgeschäfte an einen seiner vier Söhne, Adolf Max. 1907 stifte er das nach ihm benannte Berliner „Blüthner-Orchester“, das in der Weimarer Republik deutschlandweit auftrat und 1925 in das „Berliner Symphonie-Orchester“ aufging. Am 13. April 1910 verstarb Julius Blüthner in Leipzig und wurde auf dem „Neuen Johannisfriedhof“ beigesetzt.

Gründung und Entwicklung der Pianofortefabrik bis 1945

Das ökonomisch florierende, vom Bürgertum geprägte Leipzig der 1850er-Jahre erkannte Blüthner als optimalen Sitz für sein 1853 gegründetes Pianounternehmen. Den ersten, handgefertigten Flügel verkaufte er im Frühjahr 1854. In den folgenden Jahren erlebte das Unternehmen eine erfolgreiche Gründungsphase: Die Verkaufszahlen stiegen bis 1862 auf 500 Stück an und Blüthner beschäftigte mehrere Dutzend festangestellte Arbeiterinnen und Arbeiter, für die er bis 1864 eine Villa errichten und ein System sozialer Sicherungen durch Kranken- und Arbeitsunfähigkeitsversicherungen erdenken ließ. 1870 und 1872 expandierte das Unternehmen durch die Indienstnahme einer zweiten und dritten Fabrik, die im Zuge der Industrialisierung des jungen deutschen Kaiserreiches mit Dampfmaschinen ausgestattet wurden. Darüber hinaus gelangen unter Blüthners Führung zahlreiche Innovationen in der technischen Gestaltung der Pianos, für die er auch Patente erwarb.1876 wurde in London die erste internationale Niederlassung der Pianofortefabrik gegründet. Im ausgehenden 19. Jahrhundert erwarb er weitere Fabrikgebäude, die sich über ein gesamtes Straßenviertel erstreckten, ließ eine Ausstellungshalle für Kundinnen und Kunden einrichten und weihte ein neues Fabrikgelände ein, das 230 Arbeiterinnen und Arbeitern neben einer Anstellung auch eine Bleibe bot. Blüthners Unternehmen erfreute sich internationaler Bekanntheit: Neben zahlreichen renommierten Künstlern und Komponisten der Zeit belieferte er auch Zar Nikolaus II.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte wegen des Einzugs der Mehrzahl der Arbeiter eine Zäsur für die Produktion dar. 1919 begann der mühsame Wiederaufbau, 1928 übernahm der studierte Rechtsanwalt Rudolph Blüthner-Haessler, Julius Blüthners Adoptiv- und Schwiegersohn, die Leitung des Unternehmens. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Firmen nach einem Bombenangriff 1943 beinahe vollständig zerstört.

„Julius Blüthner Pianofortefabrik“ in der DDR und im wiedervereinigten Deutschland

Der erste Nachkriegs-Blüthner-Flügel wurde 1948 in der sowjetisch besetzten Besatzungszone Deutschlands fertiggestellt. Der Einfluss der Familie Blüthner auf die Unternehmensgeschicke sank mit der Gründung und politischen Konsolidierung des ostdeutschen Nachkriegsstaates, der Deutschen Demokratischen Republik. 1969 spielte die britische Band „The Beatles“ ihren Song „Let It Be“ auf einem Blüthner-Flügel ein. 1972 wurde der Betrieb auf Geheiß des Politbüros gemeinsam mit 11.000 anderen klein- und mittelständischen Unternehmen verstaatlicht. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung ging die Firma wieder in den Familienbesitz über. Heute bestehen Zweigstellen der „Julius Blüthner Pianofortefabrik“ in London, Moskau, Tokyo, Shanghai und Wien.

Bei der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung sind unter anderem folgende Publikationen zum Thema erhältlich: