70. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 – Geschichte und Gedenken in Hessen
Vor 70 Jahren, am 17. Juni 1953, wurde der Volksaufstand in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) blutig niedergeschlagen. Vor den Arbeitsniederlegungen, Protesten und Demonstrationen im Juni 1953, die sich wie ein Lauffeuer im ganzen Land verbreiteten, war die Situation in der DDR geprägt von politischer Unterdrückung, wirtschaftlicher Misswirtschaft und Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Die Menschen lebten in einem autoritären System, das ihre Meinungsfreiheit einschränkte und die politische Opposition verfolgte. Die Arbeitsbedingungen waren oft schlecht, die Lebensmittelknappheit groß und die Menschen hatten das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse nicht gehört wurden. Ausgelöst wurden die Proteste durch eine Erhöhung der Arbeitsnormen und der damit einhergehenden Unzufriedenheit der Arbeiterinnen und Arbeiter. Menschen aus allen Bevölkerungsgeschichten gingen auf die Straße, um gegen das Regime zu protestieren und ihre Forderungen nach Freiheit, Mitbestimmung und besseren Lebensbedingungen auszudrücken. Das SED-Regime und dessen Sicherheitsorgane wurden von den Protesten und Demonstrationen völlig unerwartet getroffen und konnte sich nur mit Hilfe des sowjetischen Militärs an der Macht halten. Weitere Informationen und Hintergründe zur Geschichte des Volksaufstandes in der DDR findet ihr in unserem Kalenderblatt:
In Hessen wird seit 1954 das Gedenken an den Volksaufstand in der DDR mit verschiedenen Veranstaltungen und Bildungsangeboten gewürdigt. Diese dienen dazu, das historische Ereignis zu reflektieren, die Bedeutung der Freiheit und Demokratie zu betonen und die Erinnerung an den Aufstand wachzuhalten. Eine wichtige Rolle für das Gedenken an den Volksaufstand in der DDR in Hessen spielte direkt nach der Niederschlagung der Proteste und bis zur Wiedervereinigung 1990 das Notaufnahmelager in Gießen. Das ehemalige Bundesnotaufnahmelager (bzw. zuletzt Hessische Erstaufnahmeeinrichtung, HEAE) am Meisenbornweg in Gießen ist deutschlandweit die älteste und einzige seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zu ihrer Schließung am 30. September 2018 ununterbrochen arbeitende Aufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, Übersiedlerinnen und Übersiedler, Aussiedlerinnen und Aussiedler und Vertriebene. Im Jahr 1946 entstanden die ersten Räumlichkeiten für die Aufnahme von Übersiedlerinnen und Übersiedler aus der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) auf dem Bahnhofsgelände in Gießen. Kurz danach wurde aus der Barackenunterkunft das einzige und zentrale Zonendurchgangslager der US-Besatzungszone. Von 1963 bis 1989 wurde die Einrichtung in Gießen zum zentralen Bundesnotaufnahmelager für alle Flüchtenden und Übersiedlerinnen und Übersiedler aus der DDR. Vor allem im Rahmen des deutsch-deutschen Häftlingsfreikaufs wurde das Notaufnahmelager in diesem Zeitraum die erste Durchgangsstation nach der Ankunft in der Bundesrepublik. Bekannt geworden als „Tor zur Freiheit“ stellte das Bundesnotaufnahmelager einen Identifikationsort demokratischer und humanistischer Werte dar. Über viele Jahre und Jahrzehnte gab es sowohl im Bundesnotaufnahmelager als auch in der Stadt Gedenkzüge, Gedenkmärsche und Kranzniederlegungen am Gedenkstein auf dem Areal des Notaufnahmelagers. Bis zur deutschen Wiedervereinigung war der „17. Juni“ in Gießen ein jährliches stattfindendes Ereignis von nationaler Bedeutung.
Obwohl der „17. Juni“ seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, sollte mit Blick auf die politische Bildung der „17. Juni“ stärker als bisher in der bundesdeutschen Erinnerungskultur verankert werden. Um die Erinnerung und das Gedenken an den 17. Juni 1953 und dessen Opfer zum 70. Jahrestag auch bei jungen Menschen breit bekannt zu machen, hat die Hessische Landeszentrale für politische Bildung in enger Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Aufarbeitung, der wir sehr zu Dank verpflichtet sind, an alle Schulen in Hessen die von der Bundesstiftung Aufarbeitung herausgegebene Plakatserie „17. Juni kompakt“ für die Sekundarstufen I und II schicken lassen. Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der politischen Bildung zum Gedenken an den Volksaufstand. Lehrkräfte gestalten Unterrichtseinheiten, in denen sie den Schülerinnen und Schülern die Hintergründe und Folgen des Aufstands näherbringen. Durch Diskussionen, Gruppenarbeiten und Projekte lernen die Jugendlichen, die Bedeutung von Freiheit und Demokratie zu schätzen und zu verteidigen.
Insgesamt spielte das Gedenken an den Volksaufstand in der DDR in Hessen lange Zeit eine zentrale Rolle und sollte wieder stärker in den Fokus der politischen Bildung genommen werden. Es vermittelt Geschichte, fördert das Verständnis für Demokratie und Freiheit und ermutigt dazu, sich aktiv für diese Werte einzusetzen. Durch jährliche Veranstaltungen und Bildungsangebote wird die Erinnerung an den Volksaufstand lebendig gehalten und die Bedeutung dieses historischen Ereignisses für die Gegenwart und die Zukunft betont. Das sieht die Hessische Landeszentrale für politische Bildung als wichtige Aufgabe.
Aber auch bundesweit wird heute an vielen Orten an die Opfer des Volksaufstandes in der DDR gedacht. Eine Übersicht über alle Veranstaltungen in Deutschland findet sich auf der Homepage der Bundestiftung Aufarbeitung: https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/dossiers/volksaufstand-vom-17-juni-1953-der-ddr.